Die forstliche Bewirtschaftung setzt umgangreiche Kenntnisse über den Einfluss der Umwelt auf das Baumwachstums voraus. Dabei handelt es sich sowohl um biotische Einflussfaktoren, das betrifft z.B. Schadorganismen und Konkurrenzeffekte zwischen Bäumen, als auch abtiotische Faktoren, d.h. die Umweltfaktoren Standort, Klima und Relief. Die biotischen Faktoren können durch geeignete Maßnahmen in einem gewissen Rahmen beeinflusst werden; z.B. zielgerechtes waldbauliches Handeln und angepasster Waldschutz. Die Umweltfaktoren auf der anderen Seite sind nicht oder nur in einem sehr eingeschränkten Rahmen durch eine angepasste Bewirtschaftung beeinflussbar. Sie sind jedoch von großer Bedeutung, da sie nachweislich einen großen Einfluss auf das Baumwachstum haben. Die hier vorgestellte Studie untersucht die Einflussstärke von verschiedenen Umweltfaktoren auf den Einzelbaumzuwachs der Gemeinen Fichte (Picea abies (L.) Karst.) im sächsischen und thüringischen Mittelgebirge. Dabei wurden gezielt die Wechselwirkungen zwischen den Umweltfaktoren in die Modellierung einbezogen. Es wurde die Hypothese untersucht, dass die Modellgüte höher ist wenn Interaktionen gezielt berücksichtigt werden als bei einer klassischen Betrachtung von einzelnen Umweltfaktoren.

Um der hohen Standortheterogenität der Fichtenbestände in Sachsen und Thüringen Rechnung zu tragen, wurde weiterhin untersucht, inwieweit die Rolle der Einflussfaktoren auf den Zuwachs der Fichte abhängig von den Bodeneigenschaften ist. Dazu wurde zwischen den Bodenklassen der Braunerden, Podsole und wasserbeeinflussten Böden unterschieden. Braunerden zeichnen sich im Durchschnitt durch eine mittlere Nährstoffverfügbarkeit aus und bieten damit für die Fichte bessere Wuchsvoraussetzungen als Podsole (arme bis ziemlich arme Nährstoffverfügbarkeit). Wasserbeeinflusste Standorte liegen im Untersuchungsgebiet i.d.R. außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes der Fichte und bieten durch längere Vegetationszeiten und höhere Temperaturen gute Wuchsvoraussetzungen für die Fichte. Diese Standortsunterschiede führte zur zweiten Hypothese, dass die für den Zuwachs der Fichte bedeutenden Umweltfaktoren von den Bodeneigenschaften abhängig sind.

 

Datenbasis und Statistik

Aus den Daten der Bundeswaldinventuren 2002 und 2012 in Kombination mit Reliefdaten von Sachsen und Thüringen und Klimadaten aus dem regionalisierten Klimainformationssystem (ReKIS) wurden acht Umweltfaktoren gewählt, die einen Einfluss auf den Zuwachs der Fichte haben (Tabelle 1). Zusätzlich wurde der Anteil der Fichtenfläche am Gesamtbestand als Parameter der Bestandesstruktur in die Modelle aufgenommen um den entscheidenden Effekt der Konkurrenzbeziehungen zu betrachten.

Tabelle 1: Umweltfaktoren als unabhängige Variablen für die Standort-Leistungsmodellierung

Umweltfaktor

Abkürzung

Einheit

Datenquelle

Temperatur (Mittelwert)

Temp

°C

ReKIS

Niederschlagssummer

Precip

mm

ReKIS

Standardisierter Niederschlagsindex

SPI

-

ReKIS

Einstrahlung

soldir

kWh m-2

SAGA-GIS

Topografischer Feuchteindex

TWI

-

SAGA-GIS

Verfügbare Feldkapazität

AWC

cm³H2O cm-3Soil

NFI

Sandgehalt des Bodens

Sand

%

NFI

Der Einfluss der einzelnen Umweltfaktoren sowie mögliche Interaktionen zwischen diesen wurden mit Boosted Regression Trees (BRT) analysiert. Dieser Ansatz ist im besonderen zielführend, da BRT-Modelle den relativen Einfluss von unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable unter Berücksichtigung möglicher nicht-linearer Datenstrukturen sowie Skalenunterschiede berücksichtigen. Für eine detaillierte Beschreibung der statistischen Zusammenhänge wird auf die Originalpublikation verwiesen (s.u.).

Wasserhaushalt als Treiber des Zuwachses

Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass der topographische Feuchteindex (TWI), als Stellvertreter der Wasserverfügbarkeit im Boden, unabhängig von der Bodenklasse einen entscheidenden Einfluss auf den Einzelbaumzuwachs der Fichte aufweist. Abhängig von der Bodenklasse haben Reliefeigenschaften einen großen Einfluss auf den Zuwachs. Der Einfluss der Einstrahlung (soldir) ist auf Podsolen höher als wasserbeeinflussten Böden (Abbildung 2). Im Detail hatte der topographische Feuchteindex, die Temperatur und der Niederschlag einen großen Einfluss auf den relativen Einzelbaumzuwachs der Fichte. Diese Ergebnisse untermauern aktuelle Studien, die mit Methoden aus den Bereichen des maschinellen Lernens sowie linearen oder additiven Modellen ähnliche Fragestellungen bearbeiteten.

 

 

Die Modellergebnisse zeigten, dass der Einzelbaumzuwachs der Fichte abhängig von den hier untersuchten Bodenklassen ist. Änderungen im Wasserhaushalt führen in Abhängigkeit der Bodenklasse zu verschiedenen Ergebnissen der Einzelbaumzuwächse (Abbildung 3). Fichten auf Podsolböden zeigen eine deutliche Trockenheitssensitivität und reagieren mit dem Zuwachs positiv auf steigende Niederschläge. Inbesondere Standorte in Unter- und Mittelhangbereichen zeigen höhere Zuwächse als am Oberhang. Im Untersuchungsgebiet handelt es sich häufig um Sandpodsole, die arme Nährstoffverfügbarkeiten aufweisen und eine geringe Wasserhaltefähigkeit. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es bei der Betrachtung von Standort-Leistungsbeziehungen wichtig ist, die Bodenklassen differenziert zu betrachten.

Wechselwirkungen zwischen Umweltvariablen sind von hoher Bedeutung

Unsere Studie untermauert die hohe Bedeutung der expliten Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen einzelnen Umweltfaktoren innerhalb von Standort-Leistungsmodellen. Die Ergebnisse zeigen einen Anstieg der Modellgüte, wenn mindestens eine Interaktion zwischen zwei Umweltparametern im Modell untersucht wurde. Dabei stieg die Modellgüte nicht signifikant, wenn zwei oder mehr Interaktionen zugelassen wurden. Dies entspricht den Grundlagen der klassischen Nischentheorie, die besagt, dass das Wachstum eines Organismus von wenigen wichtigen Umweltvariablen innerhalb eines Standortes beeinflusst wird. Im Detail zeigten die Ergebnisse der Studie, dass Wechselwirkungen zwischen Klimafaktoren und Bodeneigenschaften einen entscheidenden Einfluss auf den Einzelbaumzuwachs der Fichte im Untersuchungsgebiet aufweisen. Diese Zusammenhänge wurden bisher in Studien nicht quantitativ erfasst und zeigen die hohe Bedeutung der Methoden aus dem Bereich des maschinellen Lernens innerhalb von Standort-Leistungsmodellen.

Waldbauliche Einordnung

Die hier vorgestellen Ergebnisse untermauen den hohen Einfluss der Wasserverfügbarkeit und der richtigen Standortwahl im Sinne des Reliefs auf den Zuwachs der Fichte. Im waldbaulichen Handeln werden diese Zusammenhänge angewendet. Fichten werden heute v.a. auf solchen Standorten innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes gefördert, wo sie keinen extremen Schwankungen im Bodenwasserhaushalt unterliegen und durch die Reliefeigenschaften eine ausreichende Wasserversorgung sichergestellt werden kann.