Da die Fichte unter den trockenen Jahren seit 2018 und der daraus resultierenden, weiterhin anhaltenden Borkenkäfer-Grosskalamität extrem gelitten hat, stehen viele Waldbesitzer vor der Frage: was tun mit auf grosser Fläche stehenden, abgestorbenen, von Käfern bereits verlassenen Fichten, sogenannten Dürrständern, stehenlassen oder nicht und wenn ja, was tun? Die vorliegende Broschüre soll hier Hilfestellung geben.
Das Fällen toter, aber noch von Borkenkäfern besiedelter Fichten (forstschutzrelevante Bäume) ist als Bekämpfungsmassnahme im Wald wirkungsvoll. Das Fällen verlassener Käferbäume (Fichten-Dürrständer) trägt hingegen nicht zur Bekämpfung der Käferkalamität bei.
Auf Kahlschlagflächen kann es in den ersten Jahren nach dem Hieb zu Veränderungen der Stoffumsätze kommen und / oder Nährstoffe können ausgetragen werden. Darüber hinaus sind naturschutzfachliche und ökologische Aspekte – wie zum Beispiel Auswirkungen von Holzernteverfahren auf den Boden – zu berücksichtigen.
Vollständiges Abräumen verso Verbleiben von Dürrständern
Abb. 2 - Fichten-Dürrständer im April 2020 nach Borkenkäferbefall im Herbst 2019. Foto: Bertram Leder
Aktuell befinden sich aufgrund der fehlenden Aufarbeitungskapazitäten und/oder der aktuellen Holzmarktlage zahlreiche Waldbesitzer in der Situation, dass sie die "Dürrständer" (bereits länger abgestorbene, nicht mehr forstschutzrelevante Fichten) nicht oder nur teilweise ernten bzw. vermarkten können.
Das vollständige Abräumen der Flächen kann zukünftig Probleme schaffen. Die Ernte kostet oft mehr, als der Verkauf einbringt, so dass es oft sinnvoller ist, zumindest einen Teil der Fichten-Dürrständer auf der Fläche zu belassen. Dies bietet sich besonders dort an, wo Zwischen- und Unterstand (auch Voranbau) aus anderen Baumarten (einzelne bis truppweise Buchen, Eichen, Fichten, Birken, Vogelbeeren) vorhanden ist. Die vollständige Entnahme der Fichten-Dürrständer führt zu einer Destabilisierung dieser Baumarten, da der Übergang von der kollektiven zur Einzelbaumstabilität zu plötzlich erfolgt. Bereits geringe Windböen führen häufig zum Umstürzen dieser Bäume. Die auf den Flächen verbleibenden stehenden Fichten-Dürrständer dienen daher – wenn auch nur zeitlich begrenzt – der Stabilisierung des vorhandenen Zwischen- und Unterstandes, der im Übrigen auch als Samenlieferant auf der Fläche verbleiben sollte, um den Aufbau strukturreicher Mischbestände zu gewährleisten.
Liegendes, auf der Fläche verbleibendes Fichten-Dürrholz erfüllt vielfältige Funktionen: Es dient der Humusbildung, als Feuchtigkeitsspeicher, als Keimbett junger Bäume und als natürlicher Schutz-Verhau gegen Wildverbiss. Allerdings trägt das abgestorbene Holz auf Dauer auch zu einer erhöhten Brandgefahr bei.
Dürrständer als Kohlenstoff-Speicher
Während im Bestand verbleibende Fichten-Dürrständer das in ihnen gespeicherte Klimagas CO2 über viele Jahre erst langsam wieder an die Umgebung abgeben, hängt die CO2-Speicherung in Dürrständern, die entnommen werden, von der darauffolgenden Nutzung ab. Wird der Dürrständer etwa als Bauholz verwendet, so bleibt darin während der Nutzungsdauer CO2 gespeichert und andere, energieintensivere Baustoffe werden ersetzt. Ist kein Absatz für die stoffliche Nutzung mehr möglich, so ist die energetische Nutzung eine Alternative. Bei einer Verbrennung wird das CO2 direkt freigesetzt, jedoch werden hierbei fossile Brennstoffe ersetzt – was aus Sicht des Klimaschutzes positiv zu bewerten ist.
Abb. 3 - Eingeschlagenes Holz verschlechtert sich durch jahrelange Lagerung am Wegrand. Wenn das Holz nicht verkauft und abgefahren werden kann, ist das Stehenlassen der abgestorbenen Bäume in der Regel sinnvoller. Foto: Doris Hölling (WSL)
Neuer Praxisleitfaden zeigt Lösungen auf
Abb. 4 - Anlage von schachbrettartig angelegten Kleinflächen mit Fichten-Entnahme. Foto: Carsten Arndt, Abb. Praxisleitfaden.
Der neue Praxisleitfaden vom Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen zeigt hier Lösungen auf. Die Experten von Wald und Holz NRW haben gemeinsam mit der Praxis Hinweise für diese Not- und Ausnahmesituation erarbeitet. Obwohl und gerade weil die bisherigen Erfahrungen mit Dürrständern begrenzt sind und sich einige der vorgeschlagenen Lösungsansätze noch in der Erprobungsphase befinden, werden in er Broschüre Vorschläge zum Umgang mit stehendem Fichten-Dürrholz gemacht.
Die Hinweise sind weder ausschliesslich zu verstehen, noch sind sie für jeden Bestand 1:1 umsetzbar. Es ist immer noch notwendig, dass WaldbesitzerInnen gemeinsam mit dem zuständigen FörsterIn ein abschliessende, individuelle Entscheidung vor Ort für ihren Bestand treffen.
Im ersten Teil der Broschüre finden sich zwei Entscheidungsschemata, die Waldbesitzerinnen und -besitzern den Umgang mit ihren Flächen mittels Frage-Antwort-System erleichtern.
Daran schliesst sich ein Teil an, in dem Handlungsalternativen dargestellt werden, wie abgestorbene Fichten teilweise genutzt werden können. Sie bieten die Möglichkeit, Teile der Fläche unter Berücksichtigung der Arbeitssicherheit wieder zu bestocken, um z. B. einen extremen Freiflächeneffekt zu verhindern.
- Anlage von schachbrettartig angelegten Kleinflächen mit Fichtenentnahme
- Anlage von Kleinflächen mit Fichten-Entnahme
- Modifizierter Saumschlag
- Stockachselpflanzung
- Pflanzung im Verhau
Abb. 5 - Buchenvoranbau unter Fichten-Dürrständern. Foto: Bertram Leder
Abb. 6 - Destabilisierung des verbleibenden Unterstandes bei vollständiger Räumung. Foto: Bertram Leder oder Carsten Arndt ......?
Ausserdem wird nachfolgend auch die Sondersituation "vorhandener Buchenvoranbau unter Fichte" behandelt, den viel Waldbesitzende in den letzten Jahren vorgenommen haben, um die Überführung in die nächste Bestandesgeneration mit strukturreichen Mischbeständen sicherzustellen. Wenn die überschirmenden Fichten jetzt frühzeitig absterben und die Buchen früher freigestellt werden, kann ihre Qualitätsentwicklung darunter leiden.
Abschliessend werden die Vor- und Nachteile von "Stehenlassen" und "Entnahme" der Fichten-Dürrständer im Detail aufgelistet, wobei die Arbeitsschutzaspekte beider Alternativen den Schwerpunkt bilden.
Variante "Stehenlassen der Fichten-Dürrständer - auch teilweise"
Das Stehenlassen der Dürrständer – sei es ganzflächig oder nur zum Teil – hat Vor- und Nachteile. Auch Arbeitsschutzaspekte sind hierbei zu beachten. Nachfolgend einige Beispiele dazu:
- Vorteile: Totholz ist Lebensraum; im Totholz wird CO2 gebunden, das mit der Zersetzung nach und nach freigesetzt wird – wobei bis zum Abschluss dieses Prozesses bis zu 70 Jahre vergehen können.
- Nachteile: Gefahr von Schäden an eventuell vorhandener Naturverjüngung und Voranbauten/Kulturen durch umfallende Dürrständer oder deren Kronenteile.
- Arbeitssicherheit: Einbringen von Schattbaumarten wie Buche, Weißtanne unter Totholzschirm möglich; die Arbeitssicherheit ist eingeschränkt – gegebenenfalls auch bei zukünftigen Pflegemassnahmen; erschwerte Bejagung.
Variante "Flächige Entnahme der Fichten-Dürrständer"
Auch bei der Entnahme der Fichten-Dürrständer sind Vor- und Nachteile sowie Arbeitsschutzaspekte in die Entscheidung mit einzubeziehen. Nachfolgend einige Beispiele dazu:
- Vorteile, Arbeitssicherheit: Einfache Wiederaufforstung möglich, ohne Einschränkung der Arbeitssicherheit bei zukünftigen Pflanzenmassnahme.
- Nachteile: Je nach Flächengrösse Entstehen von Kahlflächeneffekten.
Daran schliesst sich noch ein Teil an mit Informationen und Angeboten zur Unterstützung der WaldbesitzerInnen an: Online-Informationsportal mit diversen Karten u.a. zu Klima, Waldnaturschutz, Boden oder Freizeitnutzung.
Schulungen in Nordrhein-Westfalen, Waldbauliche Beratung (Regionalforstamt bzw. Zentrum für Wald und Holzwirtschaft), Förderung sowie weiterführende Informationen in Form von Literatur runden den umfassenden Praxisleitfaden ab.