Spezielle Samengärten (Samenplantagen) von Forstpflanzen dienen der Baumschulwirtschaft zur Deckung des Saatgutbedarfs. Die Hauptaufgaben der Samengärten ist es, bedrohte Populationen zu bewahren und forstwirtschaftlich wertvolles Saatgut bereitzustellen. In Bayern gibt es derzeit 51 Samengärten auf einer Gesamtfläche von 90 Hektar, zumeist angelegt für spezielle Herkünfte von Bäumen und auch Sträuchern. Damit ist ihr Anteil ausgesprochen gering, liegt der Schwerpunkt der Saatgutgewinnung im Freistaat doch in der Beerntung von 5.800 zugelassenen Erntebeständen mit rund 75.000 Hektar Fläche. Andere, insbesondere nordeuropäische Staaten, gewinnen das Saatgut ihrer Hauptbaumarten dagegen fast ausschließlich aus Samengärten (Finnland > 2.000 ha).An eine derartige Entwicklung ist in Bayern derzeit nicht gedacht.
Schon vor rund 230 Jahren wollte Friedrich August Ludwig von Burgsdorf, Direktor der Forstakademie in Berlin, den Samenertrag der Waldbäume durch vegetative Vermehrung beschleunigen. In seinem 1787 erschienenen Buch "Die einheimischen und fremden Eichenarten" schreibt er:
"...Die Methoden, nach welchen zur Folge der Erfahrung in wenigen, höchstens 16 Jahren Samen-Eichen gezogen werden können, bestehen: im Pfropfen, im Copulieren und im Ablegen. Alle diese Mittel hindern den Holzwuchs, befördern folglich die baldige Fruchtbringung, wovon die Obstbäume zum Beispiel dienen...".
Die Keimruhe dieses forstlichen Gedankengutes dauerte allerdings fast 150 Jahre ehe in Nord- und Mitteleuropa erste Samengärten angelegt wurden. Im deutschsprachigen Raum bürgerte sich hierfür der Begriff "Plantage" ein, der allerdings im Hinblick auf die gleichzeitige Verwendung für landwirtschaftliche Monokulturen einen etwas zweifelhaften Ruf genießt. Angenähert an die englische Bezeichnung "seed orchard" bzw. den französischen Begriff "verger à graines" erscheint die Bezeichnung "Samengarten" zutreffender. Diese Flächen dienen ausschließlich der langfristig nachhaltigen und vereinfachten Gewinnung forstlichen Saatgutes.
Bedrohte Gene bewahren, Elitesaatgut bereithalten
Die rasche Fruktifikation der Pfropflinge und eine effektive Saatguternte, wie sie sich von Burgsdorf wünschte, ist ein Hauptziel von Samengärten. Ein weiteres Ziel ist die Beerntung von Baumarten alpiner Bereiche, die dort ab dem Spätherbst wegen zu hoher Schneelage nicht mehr beerntet werden können. Dazu legt man von diesen Bäumen in niedrigeren Lagen Samenplantagen an.
Neben Schnelligkeit und Vereinfachung gibt es weitere Gründe für die Anlage forstlicher Samengärten. So steht in dem von Rohmeder (1959) als Erhaltungsplantage definierten Typ die Erhaltung des vorhandenen Erbguts der Herkunft einer Baumart "ex situ", also abseits vom Ort des eigentlichen Vorkommens, im Vordergrund. Solche Maßnahmen werden für Gebiete durchgeführt, in denen Schadstoffeinträge aus der Luft autochthone Baumarten wie z. B. die Tanne in den nordostbayerischen Mittelgebirgen in ihrer Existenz bedrohen. Ebenso kann in Samengärten das Erbgut hochwertiger autochthoner Bestände wie z. B. der "Selber Höhenkiefer" erhalten werden, wenn wegen der künstlichen Einbringung oder der natürlichen Einwanderung schlecht veranlagter oder nicht heimischer Herkünfte der Baumart eine unerwünschte Bestäubung am normalen Standort zu erwarten ist (Abb.1).
Plusbaum-Samengärten sollen Saatgut von Auslesebäumen (sogenannten Plusbäumen) liefern, die in einem oder mehreren Merkmalen überdurchschnittlich sind. In solchen Samengärten lassen sich auch hochwertige Auslesebäume einer Baumart zusammenführen, die in ihrem Herkunftsgebiet nur einzelstammweise und weit verstreute vorkommen. Damit wird ein ausreichender Pollenaustausch gewährleistet und somit eine nach den Vorgaben des Forstvermehrungsgutgesetzes (FoVG) beerntbare Einheit geschaffen.
Bei den Plusbaum-Samengärten werden an die Leistung und Güte der Auslesebäume deutlich schärfere Anforderungen gestellt als bei reinen Generhaltungs-Samengärten. Die zur Gewinnung der Pfropfreiser ausgewählten Plusbäume sollen nach ihrem Erscheinungsbild in möglichst mehreren Eigenschaften den Durchschnitt der gleich alten und unter gleichen Umweltbedingungen aufgewachsenen Bestandesglieder erheblich überragen.
Bei Samengärten, die für spezielle Verwendungszwecke angelegt werden, können rein phänotypische Merkmale (=Merkmale des äußeren Erscheinungsbildes) auch gegenüber weiteren Kriterien zurückstehen. So ist z. B. die Vitalität und Resistenz gegenüber Schadfaktoren bei ausgewählten Bäumen von entscheidender Bedeutung, wenn der Samengarten speziell für die Anzucht von Pflanzen zur Schutzwaldsanierung angelegt wird.
Die Verwendung von Auslesebäumen aus mehreren, in der Regel im gleichen Herkunftsgebiet gelegenen und unter unterschiedlichen Standortsbedingungen stockenden, möglichst autochthonen Beständen zum Aufbau eines Plusbaum-Samengartens erhöht die genetische Vielfalt des Saatgutes. Die Mindestanzahl der Klone (=genetisch identische Pflanzen) zum Aufbau eines solchen Samengartens sind baumartenspezifisch im FoVG vorgegeben. Je höher die Klonzahl, umso größer ist auch die genetische Vielfalt des geernteten Saatguts. Das in den Samengärten erzeugte Saatgut sollte somit den Erbwert gegenüber dem jeweiligen Einzelbaum bzw. Einzelbestand deutlich verbessern. Den tatsächlichen Nachweis hierfür liefern Nachkommenschaftsprüfungen, die die Entwicklung der Pflanzen aus Plantagensaatgut mit denen aus Saatgut von Standardbeständen vergleichen.
Voraussetzungen für die Anlage von Samengärten
Bei der Auswahl geeigneter Flächen für die Samengärten sind die baumartspezifischen Standortsansprüche an den Boden einschließlich des Wasser- und Nährstoffhaushaltes zu berücksichtigen. Bei Baumarten, deren Herkunftsgebiete sehr großräumig ausgewiesen sind, sollte die Plusbaumauswahl möglichst nur Teilbereiche mit ähnlichen klimatischen Verhältnissen betreffen, da sonst mit unterschiedlichen Blühzeitpunkten der einzelnen Klone gerechnet werden muss und damit immer nur ein Teil zur Bestäubung beitragen kann. Dies würde zu einer Reduzierung der gewünschten genetischen Vielfalt führen. Zu ähnlichen Effekten führen spätfrostgefährdete Lagen, da sich wegen des Erfrierens der Blüten frühblühender Klone die Anzahl der bestäubenden Pflanzen ebenfalls reduziert. Um eine unerwünschte Fremdbestäubung zu verhindern, dürfen die Samengärten nur in größerer Entfernung zu Beständen oder Einzelindividuen der gleichen Baumart errichtet werden.
Samengärten - teure Investitionen, aber langfristig wirtschaftlich
Die Kosten für die Anlage der Samengärten sind sehr hoch. Dies beginnt bei der Auswahl der Bäume, setzt sich fort mit der Gewinnung der Pfropfreiser, deren Pfropfung, der Anzucht und Pflege der Pfropflinge bis hin zur Auspflanzung und den weiteren Pflegemaßnahmen. Langfristig kompensieren die Vorteile die höheren Investitionen. Hier ist vor allem die leichtere Beerntung direkt vom Boden aus oder mit Hilfe von Hebebühnen zu nennen. Ferner die Verlagerung hochwertiger Erbgutträger aus Gebieten, die zum Erntezeitpunkt nur schwer zu erreichen sind, eine vereinfachte Ansprache des am besten geeigneten Erntezeitpunktes sowie der Verkaufswert des hochwertigen Erbgutes.