Neben der Trockenstresstoleranz gewinnt die Dürretoleranz sehr an Bedeutung. Daher wird eine Bewertung geeigneter Herkünfte nicht nur anhand des Analogklimas erfolgen können. Vielmehr geht es um die Angepasstheit der Population unter bestimmten mikroklimatischen Umweltbedingungen und der Anpassungsfähigkeit durch die genetische Vielfalt. Eine mögliche Baumart, die dafür infrage kommt, ist die Libanonzeder (Cedrus libani). Diese Baumart hat eine hohe ökologische Integrierbarkeit und kommt in Mischwäldern sowohl mit Licht- als auch mit Schattbaumarten vor. Sie hat viele Eigenschaften, die in Zeiten des Klimawandels zur Bestandesstabilisierung beitragen können. In Mischung mit heimischen Baumarten kann sie wertvolles, vielseitig verwendbares Holz produzieren.
Projekt "CorCed"
Die Frage der Saatgutversorgung geeigneter Herkünfte für bayerische Wälder wurde bisher nicht untersucht. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Projekts "CorCed" wurden mehrere Saatguterntebestände der Libanonzeder in der Türkei besichtigt. Ziel war es, unterschiedliche klimatische Bedingungen und Höhenlagen abzudecken, um das Potenzial der dürretoleranten Baumart in Herkunftsversuchen in Bayern und Baden-Württemberg bewerten zu können. Die Bedeutung der Herkunft spielt bei der Libanonzeder wie bei anderen heimischen und nicht heimischen Baumarten eine zentrale Rolle. Neben den wachstumsrelevanten Merkmalen ist die genetische Ausstattung der einzelnen Populationen wichtig, um das Anpassungspotenzial einschätzen zu können.
Im Frühjahr 2020 wurden im Rahmen des CorCed-Projekts vier Zedern-Herkunftsversuche in Bayern und Baden-Württemberg angelegt. Sie umfassen sechs bis sieben Herkünfte von Atlas- und Libanonzeder. Daneben wurden bayernweit über 20 Praxisanbauversuche mit ausgewählten Herkünften dieser beiden Baumarten unter unterschiedlichen Standorts- und Umweltbedingungen begründet, um gemeinsam mit der Forstpraxis erste Erfahrungen zu sammeln.
Ost-West-Ausdehnung
Das natürliche Verbreitungsgebiet der Libanonzeder ist zersplittert und teilt sich in zwei größere Areale auf. Ein Gebiet bilden isolierte Restpopulationen im Libanon und in Syrien. Die Baumart wurde in beiden Ländern übernutzt. Im Libanon existieren von ursprünglich 500.000 ha nur noch 1.700 ha, die Größe der syrischen Vorkommen ist nicht bekannt. Die Hauptvorkommen der Libanonzeder (türkisch: Toros sediri) befinden sich in der Türkei. Man teilt sie in Ost- und Westtaurus ein und bezeichnet die Vorkommen als Cedrus libani subsp. stenocoma. Das Areal in der Türkei (463.500 ha) umfasst einen großen Teil des westlichen und mittleren Taurus und des Amanusgebirges. Es ist aufgrund jahrhundertelanger Übernutzungen zersplittert und in viele inselförmige Einzelvorkommen aufgeteilt. Die Türkei ist bei der Aufforstung von Offenlandschaften weltweit eines der führenden Länder und hat während der letzten 30 Jahre durch Saat und Pflanzung von unterschiedlichen Baumarten etwa 400.000 bis 500.000 ha neu bestockt. Dadurch wird der Forstsektor in Zukunft an Potenzial gewinnen.
In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet besiedelt die Libanonzeder Höhenlagen zwischen 800 bis 2.100 m ü. NN. Vielerorts bildet sie die Waldgrenze. Größere und zusammenhängende Zedernwälder sind noch im Westtaurus zu finden. Einzelne Vorkommen wachsen hier in Höhenlagen von 500 bis 800 m. In Zeiten des Klimawandels setzen die türkischen Kollegen in ihren Aufforstungsprogrammen neben Schwarzkiefer auf die Libanonzeder. Derzeit forstet die Türkei jährlich über 10.000 ha mit Libanonzedern auf. In Europa gibt es Aufforstungen in Frankreich, Italien und Bulgarien. In Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern ist die Libanonzeder nur als Parkbaum bekannt, forstliche Anbauten gibt es wenige.
Standort und Klima
Die Libanonzeder kommt mit kalkhaltigen und silikatischen Böden zurecht. In Frankreich wird der Anbau insbesondere auf kalkhaltigen Böden empfohlen. Durch die Ausbildung einer 2 bis 3 m langen Pfahlwurzel kann sie tiefere und frischere Lagen sowie felsige Standorte erschließen. Wegen ihrer geringen Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Baumarten wird sie im natürlichen Areal oft auf Grenzstandorte (arme, flachgründige, felsige und strukturreiche Böden) zurückgedrängt.
Die klimatischen Bedingungen im natürlichen Verbreitungsgebiet der Libanonzeder können stark schwanken. Die türkische Libanonzeder gedeiht in vier Klimatypen "Arid", "Semiarid", "Humid" und "Semihumid". Die durchschnittlichen jährlichen Niederschläge betragen 600 bis 1.300 mm, in höheren Lagen auch über 2.000 mm. Die natürlichen Populationen an der südanatolischen Küste liegen im mediterranen Winterregengebiet. Niederschlagsreich (bis 1.300 mm/Jahr) sind die Teilareale im Amanus- und Aluite-Gebirge (Syrien) und im Libanon. Höhere Lagen sind durch ein mediterranes Gebirgsklima mit Übergängen zum Steppenklima geprägt. Während der Vegetationszeit von Mai bis September fallen im Ursprungsgebiet gewöhnlich nur etwa 5 % bis 25 % der jährlichen Niederschlagsmenge. Trockenperioden in den Sommermonaten mit einer Niederschlagsmenge von lediglich 50 bis 100 mm erträgt die Libanonzeder gut. In höheren Lagen kann die extreme Sommertrockenheit durch auftretende Nebelbildung abgemildert werden. Die Winterniederschläge fallen ab rund 1.000 m ü. NN oft als Schnee. Die Schneedecke kann bis zu zwei Meter mächtig werden und bis April liegen bleiben. Mit Schneedruck kommt die Libanonzeder gut zurecht. Für das Wachstum sind aber unabhängig von Trockenperioden mindestens 500 bis 600 mm Niederschlag pro Jahr erforderlich. Die Jahresdurchschnittstemperaturen reichen von 6,0 bis 15,7 °C. Die Temperaturen in Beständen im Osttaurus können im Januar auf -32 °C fallen und im Juli auf bis zu 36,8 °C steigen. Die Libanonzeder gilt als weniger widerstandsfähig gegen Frost als die Atlaszeder.
Saatgutgewinnung und Vermehrung
Wie bei den heimischen Baumarten sind auch bei den verwendeten Alternativbaumarten die Herkunftswahl einer Baumart sowie die Qualität und nachhaltige Erzeugung des Saat- und Pflanzguts wichtig. Die Libanonzeder unterliegt dem Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG). Erzeugung, Ein- und Ausfuhr sowie Inverkehrbringen müssen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben erfolgen, die durch das FoVG geregelt sind. Wegen der geringen wirtschaftlichen Bedeutung in Deutschland wurden bisher für diese Baumart keine Herkunftsgebiete ausgewiesen. Die Erzeugung (z. B. Pflanzenanzucht von ausländischen Samen) und das Inverkehrbringen sind klar geregelt und die Bestimmungen müssen eingehalten werden. Die Anforderungen bei der Zulassung und Beerntung solcher Bestände definieren die jeweiligen Staaten. Bei der Saatguterzeugung in Drittländern, die dem OECD-Schema beigetreten sind, müssen die gleichen Rahmenbedingungen herrschen wie in einem Mitgliedsstaat der EU. Bei der Einfuhr von Saatgut aus Drittländern ist eine Einfuhranzeige bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erforderlich.
In der Türkei wurden 22 Saatguterntebestände mit einer Fläche von 3.437 ha ausgewählt und zugelassen. Daneben wurden acht Samenplantagen begründet. Dafür wurden zwischen 1990 und 1995 Plusbäume aus unterschiedlichen Regionen der Türkei ausgewählt. Da die Libanonzeder bereits im Alter von 30 Jahren die ersten Zapfen bilden kann, werden die Samenplantagen schon bald beerntet werden können. Vermehrungsgut aus nicht zugelassenen Beständen der Kategorie "Quellengesichert" ist in Deutschland für die Verwendung im Wald nicht erlaubt, ebenso wie die Beerntung einzelner Arboreten, Parkanlagen und Exotenwälder.
Besichtigung ausgewählter Saatguterntebestände
Im Rahmen des CorCed-Projekts wurden Saatguterntebestände der Libanonzeder besichtigt, um geeignete Herkünfte für die süddeutschen Herkunftsversuche auszuwählen und die Beerntung zu organisieren. Dabei sollten unterschiedliche Standorts- und Umweltbedingungen abgedeckt und die Anpassung der Libanonzeder an bestimmte Standorte berücksichtigt werden.
Im Westtaurus liegen die größten zusammenhängenden Populationen der Libanonzeder. Der erste besichtigte Bestand Finike gehört zu den niedrigsten Saatguterntebeständen der Türkei (1.200 m ü. NN) und weist eine hohe Holzqualität und eine gute Wuchsleistung auf. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 18,8 °C und der durchschnittliche jährliche Niederschlag rund 940 mm. Der durchschnittliche Niederschlag im August beträgt nur 1,9 mm. Als zweites wurde im Westtaurus der Saatguterntebestand Elmali auf 1.500 m ü. NN besichtigt. Der durchschnittliche jährliche Niederschlag beträgt 460 mm, die Jahresdurchschnittstemperatur 13,3 °C. Im Winter können Temperaturen von -18,6 °C auftreten. In Mastjahren wird hier auf einer Fläche von 800 ha Saatgut geerntet. Die Erntemenge beträgt unter optimalen Bedingungen 80 bis 100 t.
In Ermenek, Mersin-Abanoz und Pozanti wurden drei weitere Saatguterntebestände im Mittel- und Osttaurus besichtigt und bewertet. Alle drei Bestände haben ein sehr hohes Wuchspotenzial und sollten in den Herkunftsversuchen berücksichtigt werden. Ein weiterer qualitativ hochwertiger Bestand mit geraden und vollholzigen Stämmen liegt in der Nähe der Stadt Kahramanmaras. Die Extremtemperaturen fallen im Januar auf -32 °C und können im Juli auf bis zu 36,8 °C steigen. Mit Besuch dieses Bestandes wurde die Ost-West-Ausdehnung dieser Baumart abgedeckt.
Den Abschluss bildeten zwei Bestände in Erbaa-Tokat und Afyon. Der Bestand in Erbaa-Tokat an der Schwarzmeerküste ist das nördlichste Vorkommen der Libanonzeder in der Türkei. Es ist nicht geklärt, ob der Bestand natürlichen Ursprungs ist oder gepflanzt wurde. Die im Rahmen des CorCed-Projekts geplanten genetischen Charakterisierungen könnten diese Frage beantworten. Der Saatguterntebestand in Afyon stockt auf 1.300 bis 1.600 m ü. NN in einem Extremklima. Die Libanonzeder muss hier in Inneranatolien mit jährlichen durchschnittlichen Niederschlagsmengen von 440 mm zurechtkommen. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt dabei 12 °C. Die Extremtemperaturen betragen -22 bis +40 °C. Ähnliche klimatische Bedingungen sind auf einigen Standorten in den nächsten 80 Jahren in Bayern zu erwarten.
Herkunftsversuche mit Atlas- und Libanonzeder
Ziel des CorCed-Projekts ist es, Herkünfte der Atlaszeder (Cedrus atlantica) und der Libanonzeder (Cedrus libani) in Bayern und Baden-Württemberg auf ihre Anbaueignung und Anbauwürdigkeit zu untersuchen und zu bewerten. Dafür wurden zusammen mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Freiburg Herkunftsversuche in Kelheim, Kipfenberg, Wüstenrot und Kandern angelegt. Je Zedernart wurden sechs bis sieben Herkünfte angebaut, die alle genetisch charakterisiert werden. Bereits einige Jahre nach der Pflanzung können Eigenschaften wie Anwuchsverhalten, Frost- und Trockenheitstoleranz bewertet werden.
Die Herkunftsversuche können als Grundlage für die Erarbeitung von Herkunftsempfehlungen verwendet werden. Die Klimadaten der ausgewählten Bestände zeigen, dass die Zedernarten bereits heute an extreme Trockenheit und Hitze angepasst sind und durchaus als Alternative im Klimawandel berücksichtigt werden können. Es ist aus anderen europäischen Versuchen bekannt, dass das durchschnittliche Höhenwachstum der Libanonzeder geringer als das der Atlaszeder ist. Einige besonders wüchsige Herkünfte aus der Osttürkei erreichen einen vergleichbaren Höhenwuchs. Für Aufforstungen in Frankreich werden vier türkische Provenienzen der Libanonzeder aus dem östlichen Verbreitungsgebiet (Anti-Taurus) empfohlen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die einzelnen Herkünfte in Süddeutschland entwickeln und welche am besten für Bayern und Baden-Württemberg geeignet sind.
Zusammenfassung
Um langfristige Engpässe bei der Nadelstammholzversorgung zu vermeiden, sollten mögliche Nadelbaumarten untersucht werden, die zur Stabilisierung von labilen Fichten- und Kiefernbeständen beitragen können. Die untersuchten Baumarten sollten ökologisch und ökonomisch in unsere Wälder integrierbar sein. Das Risiko sollte auf mehrere Mischbaumarten verteilt werden.
Infrage kommen Nadelbaumarten mit einer gewissen Trockenheits- und Frosttoleranz. Ein Hauptaugenmerk sollte auf die Herkunft des Vermehrungsguts gerichtet werden, da dieses für die Angepasstheit, die Anpassungsfähigkeit und den erfolgreichen Anbau eine entscheidende Rolle spielt. Beide Zedernarten weisen viele Eigenschaften auf, die zur Stabilisierung der Waldbestände beitragen können.
Die Bereisung und Bewertung der Saatguterntebestände der untersuchten Zedernarten zeigte, dass diese Baumarten unter schwierigsten Bedingungen wachsen und neben der Nutz- und Erholungsfunktion auch zur Schutzfunktion des Waldes beitragen können. Besonders geeignet erscheint die Libanonzeder für die Aufforstung von trockenen Kalkstandorten. Das produzierte Holz kann vielseitig verwendet werden (z. B. Schiffsbau, Bauholz, Möbelbau). Die Entwicklung der einzelnen Herkünfte wird zeigen, welche am besten für den Anbau in Süddeutschland geeignet sind.
Die beiden Zedernarten haben in der Leitlinie der bayerischen Forstverwaltung "Baumarten für den Klimawald" die Priorität 2 und können in Praxisanbauversuchen ausprobiert werden. Durch die Überarbeitung des waldbaulichen Förderprogramms (WALDFÖPR) zum 17. Februar 2020 kann unter Einhaltung der Mindeststandards der Anbau dieser Baumarten durch staatliche Finanzmittel gefördert werden.
Die Förderung des Verbundvorhabens erfolgt durch finanzielle Unterstützung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Projektträger für das BMEL für das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR).
Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Sezgin Ayan, der diese Reise fachlich betreut und die fachliche Diskussion bereichert hat.