Hier der Landkreis Roth in Mittelfranken: Keuperhügelland und mehr als 70 % Kiefer. Dort die Vallée du Rhône in Südfrankreich: Lavendelfelder, Weinbau und mediterrane Baumarten. Doch was verbindet die beiden Regionen? Nun, im Rhônetal herrscht heute das Klima, das Roth schon am Ende des Jahrhunderts erwarten könnte. Eine Reise ins Rhônetal ist quasi eine Zeitreise 80 Jahre in eine mögliche Klimazukunft.
Das Waldklimafonds-Projekt ANALOG zeigt die Bedeutung des Klimawandels für unsere Wälder anhand von zwei mittlerweile bekannten Grafiken auf (Abbildung 1):
(a) die Analogkarte hebt Gebiete hervor, in denen das Zukunftsklima des Ausgangsorts schon heute herrscht;
(b) die "Eiszapfengrafik" stellt die Zu- bzw. Abnahme von Baumarten entlang dieser Gebiete und entlang einer Temperaturzeitachse im Ausgangsgebiet in Form zu- bzw. abnehmender Balken (Zapfen) dar.
Die Grafiken überwinden die Abstraktheit von Klimamodellen und Baumarteneignungsmodellen und besitzen eine enorme Kommunikationskraft. Doch hinter den Klimaanalogien steckt noch mehr: Sie zeigen uns, wo und wie heute schon mit den Baumarten gewirtschaftet wird, die im Klimawandel bei uns noch an Bedeutung gewinnen. Warum also nicht die Kenntnisse der Försterinnen und Förster in den Analoggebieten nutzen, um von deren Praxiserfahrungen mit dem Waldbau in einer anderen Klimarealität zu profitieren? Diesen Ansatz haben wir im Projekt ANALOG umgesetzt.
Am Anfang stand die Ermittlung der Analogregionen für das Projektgebiet, den Landkreis Roth, basierend auf den Vorhersagen von Klimamodellen. Sogenannte RCP-Szenarien (Representative Concentration Pathways) legen bestimmte Szenarien von Treibhausgaskonzentrationen fest, aus denen Klimamodelle die Klimaänderung berechnen. Für das milde Klimawandelszenario RCP 4.5 liegen Analogien für das Jahr 2100 zum Beispiel am Untermain und Oberrhein. Bei einem extremeren Szenario nach dem RCP 8.5 müssen wir uns wesentlich weiter südlich orientieren, zum Beispiel in die Vallée du Rhône (Abbildung 2). Nachdem wir im Jahr 2021 bei verschiedenen Exkursionen an Untermain und Oberrhein sehr beeindruckende Waldbilder kennenlernen durften, hatten wir uns für das Jahr 2022 die Vallée du Rhône vorgenommen.
Analog-Exkursion in die Vallée du Rhône
Anfang Juni 2022 startete ein siebenköpfiges Exkursionsteam aus Vertretern der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), des AELF Roth-Weißenburg, der örtlichen Forstbetriebsgemeinschaften (FBG), des Zentrums Wald-Forst-Holz Weihenstephan (ZWFH) und des Amts für Waldgenetik (AWG) in die Vallée du Rhône. Vor Ort führten uns Erwin Ulrich und Médéric Aubry von der französischen nationalen Forstverwaltung ONF (Office National des Forêts). Erwin Ulrich hatte maßgeblich das Zustandekommen der Exkursion ermöglicht, Médéric Aubry übernahm mit großem Engagement die Organisation der fünftägigen Exkursion. An den Exkursionspunkten in den Waldbeständen informierten uns die zuständigen Revierförster über die forstlichen Hintergründe und künftigen Planungen. Es handelte sich um Kommunal- oder Staatswälder, die in Frankreich zusammen 25 % der Waldfläche ausmachen und – anders als in Bayern – in die Zuständigkeit der nationalen Forstverwaltung ONF fallen.
Die Reihenfolge der Exkursionspunkte war so gewählt, dass wir uns von den (vergleichsweise) kühleren und feuchteren Standorten zwischen Vienne und Valence zu immer wärmeren und trockeneren Standorten nahe Montélimar hin bewegten. Ordnet man die Jahrestemperatur dieser Standorte der erwarteten Temperaturerhöhung für den Landkreis Roth zu, so decken diese eine Spanne von 2050 (11,3 °C) bis über das Jahr 2100 (14,1 °C) hinaus ab. Abbildung 2 zeigt die Lage der Exkursionspunkte und verortet beispielhaft drei dieser Standorte auf der Temperatur-Zeit-Achse für Roth von 2000–2100.
Landschaft mit vielfältigen Waldbildern
Um die Waldbilder der Region zu verstehen, ist ein Einblick in die Physiografie und die Nutzungsgeschichte der Wälder notwendig, da die Vallée du Rhône sehr heterogen ist. Während die Rhône schon in Lyon – 340 km vor ihrer Mündung – auf nur 160 m Höhe NN liegt, steigt das Zentralmassiv im Westen steil bis zu 1.400 m an, die Ausläufer der Alpen im Osten reichen bis über 2.000 m. Die engste Stelle passiert der Fluss zwischen den Städten Valence und Montélimar. Nördlich gehen die Alpen in das Valentinois über, einer Hügellandschaft mit Erhebungen bis etwa 500 m. Hier befanden sich die ersten vier Exkursionspunkte (1–4, Abbildung 2). Die Gegend ist zwar über das Rhônetal noch mediterran beeinflusst, die mittleren Temperaturen sind aber kühler als südlich von Montélimar, wo die weiteren vier Exkursionspunkte lagen (5–8, Abbildung 2). Dort öffnet sich das Tal in das Pays de Garrigue, einer generell trockenen und kargen Gegend. Bei Nordwetterlagen weht dort oft tagelang der Mistral, ein starker, trocken-kalter Fallwind aus dem Zentralmassiv. Bei Südstau am Zentralmassiv sind hier allerdings in kurzer Zeit sintflutartige Regenfälle möglich.
Landschaftlich wird das Rhônetal oftmals mit dem Weinanbaugebiet Côte du Rhône assoziiert. Es verfügt jedoch auch über einen sehr hohen Waldanteil. Im Département de l’ Isère (Stadt Vienne) beträgt dieser 32,2 %, im Département de la Drôme (Stadt Valence) 43,4 %. Im Vergleich zur Region "Landes" im Südwesten oder zum Elsaß und den Vogesen im Nordosten Frankreichs spielt die Forstwirtschaft jedoch eine untergeordnete Rolle. Verbreitet decken noch heute Nieder- und Mittelwälder den kommunalen Holzbedarf, ansonsten setzt eine stärker ertragsorientierte Forstwirtschaft klassisch auf Nadelbäume. Auffallend häufig sind Schwarzkieferbestände (meist österreichischer Herkunft, Pinus nigra ssp. nigra), die im Zuge des Aufforstungsprogramms RTM (Restauration des Terrains de Montagne; Schutzwaldpflanzungen) Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts gepflanzt wurden.
Die Baumarten im Rhônetal
In kühlfeuchter Höhe bei Semons (1, Abbildung 2) trafen wir zu Beginn der Exkursion auf die letzten Exemplare eines Fichtenbestands (Picea abies). Die entstandenen Freiflächen werden gerade mit Flaumeiche (Quercus pubescens) und Douglasie (Pseudotsuga menziesii) aufgeforstet. Die Douglasie erfreut sich in Frankreich einer langen Tradition und Akzeptanz – allerdings sollen laut dem zuständigen Förster Douglasien künftig durch hitze- und trockenheitsresistentere Arten wie zum Beispiel der Flaumeiche ersetzt werden.
Auf ähnlicher Höhe bei Bossieu (2) zeigten sich in einem durchgewachsenen Mittelwald Buche (Fagus sylvatica) und Traubeneiche (Quercus petraea) gleichermaßen vital. 200 Höhenmeter tiefer hingegen, bei Charme sur l’Herbasse (3), erwies sich die Traubeneiche als vitaler. Sie wird dort zunehmend als Wertträger für die Mittelwaldwirtschaft geschätzt und ist mit Edelkastanie (Castanea sativa), Robinie (Robinia pseudoacacia) und Vogelkirsche (Prunus avium) vergesellschaftet. Die Edelkastanie ist aufgrund ihrer Fähigkeit zum Stockausschlag hier konkurrenzstark, wegen der Gefahr von Ringschäle und Rindenkrebs wird sie regional jedoch kaum gefördert. Robinie wird nicht gepflanzt, sondern aus Naturverjüngung geduldet. Trotzdem ist sie häufig und wird im Mittelwald auch gern als Lassreitel belassen. Die Vogelkirsche trafen wir regelmäßig als Mischbaumart an, sie präsentierte sich selbst an den wärmsten südlichen Exkursionspunkten noch vital.
Unter den Kiefern ist die Waldkiefer (Pinus sylvestris) laut Inventurdaten die häufigste Nadelbaumart der Region. Allerdings war sie an den moderaten Exkursionspunkten bei Charme sur l’Herbasse (3) und Montmiral (4) ausnahmslos stark geschädigt, vor allem durch das Diplodia-Triebsterben. Die hitzeresistentere Schwarzkiefer (Pinus nigra) war auf allen vier südlichen Exkursionspunkten (5–8) vorhanden. Oftmals handelte es sich um sehr karge Standorte, die vor über 100 Jahren im Rahmen des Aufforstungsprogramms RTM aufgeforstet worden waren. Es überwiegen Schwarzkiefern österreichischer Herkunft, doch wegen Diplodiaschäden pflanzte man in Folge auch korsische und kalabrische Schwarzkiefern.
An den Exkursionspunkten Barres (5), Berg (6) und Marsanne (7) kam ein weiterer Kandidat für trocken-arme Standorte hinzu: die Atlaszeder (Cedrus atlantica). Ihr Anbau wird für den mediterranen Süden Frankreichs empfohlen und in den letzten Jahren zunehmend populär. Regional liegt ihr Anteil bei mehr als 4 %, die Dürre der letzten Jahre hat jedoch auch dieser Baumart zugesetzt. Am stabilsten unter den Nadelbaumarten stellte sich die Seekiefer (Pinus pinaster) dar. Sie wies auch auf extrem heißen und trockenen Standorten bei Allan (8) keine Schäden auf und ist je nach Provenienz auch frostresistent bis nachweislich –20° C.
Die dominante Laubbaumart auf den trocken-heißen Standorten (6-8) war eindeutig die Flaumeiche (Quercus pubescens). Sie ist eine der Charakterarten mediterraner Wälder. Bereits bekannt aus Semons (1), nahm ihre Bedeutung auf den südlichen Exkursionspunkten sowohl als Nebenbaumart unter Schwarzkiefer (8) als auch in kommunalen Niederwäldern zum Beispiel bei Marsanne (7) zu. Selten war die Flaumeiche höher als 15 m – dass sie aber auch zu anderen Dimensionen fähig ist, zeigt Abbildung 7. Am heißesten Exkursionspunkt bei Allan (8) gesellte sich die noch trockenresistentere immergrüne Steineiche (Quercus ilex) zur Schwarz- bzw. Seekiefer und Flaumeiche.
Analog-Exkursionen lohnen sich
Abb. 6a-c: Herausforderung Klimawandel in Südfrankreich: Triebsterben an Schwarzkiefer (oben) häuft sich im Klimawandel und führt zum Absterben ganzer Bestände; vereinzelt sterben auch Atlaszeder (Mitte) oder – wie hier in flachgründiger Kuppenlage – sogar die Steineiche (unten) an den Folgen von Trockenstress. Fotos: Tobias Mette (LWF), Benjamin Bußmann
Rückblickend ist es erstaunlich, wie gut die Eiszapfengrafik (Abbildung 1b) unsere Einschätzung der Arten im Exkursionsgebiet widerspiegelt. Es ist allerdings klar, dass sich die Artzusammensetzung in den Analoggebieten nicht von selbst im Landkreis Roth einstellt. Klimastabile Wälder bekommen wir nur, indem wir den eingeschlagenen Weg des Waldumbaus aktiv fortsetzen und unsere Wälder mit klimastabilen Baumarten anreichern. Gerade für die weniger bekannten Baumarten wie Flaumeiche, Edelkastanie, Atlaszeder, Schwarz- oder Seekiefer lohnt es sich, von der Anbauerfahrung in den Analoggebieten zu profitieren. Dabei liefern Analoggebiete keine fertigen Lösungen, sondern zeigen Optionen auf, die wir an unsere Ansprüche anpassen können. Für tragfähige Schlussfolgerungen bedarf es zudem einer sorgfältigen Differenzierung des Kleinklimas in den jeweiligen Analogiegebieten vor Ort. Insbesondere in reliefiertem Gelände würden sonst möglicherweise zu kühle oder zu warme Klimaorte betrachtet.
Jenseits der reinen Artbetrachtung wurde viel über waldbauliche Praktiken diskutiert, wobei die französischen Försterinnen und Förster sehr an unserer Einschätzung interessiert waren: Was halten wir beispielsweise von Verjüngungspraktiken mit weiten Pflanzabständen von 3 x 3 m, die Lücken für eine reichlich aufkommende Naturverjüngung schaffen? Wie beurteilen wir die Überführung der typischen Nieder- und Mittelwälder in artenreiche Dauerwaldstrukturen mit hoher Klimaresilienz? Wie sehr vertrauen wir Halbschatten- und Schattenbaumarten wie Linde, Bergahorn und Esche, die sich unter dem lichten Schirm der Schwarzkiefer verjüngen – haben sie Zukunftspotential oder sollten Schirmschläge das nötige Licht für (Flaum-) Eichenverjüngung schaffen?
Darüber hinaus verband uns mit den französischen Kolleginnen und Kollegen das übergeordnete Thema Klimawandel, das letztendlich auch für unsere Exkursion ausschlaggebend war. Die französische Forstwirtschaft steht vor den gleichen Herausforderungen wie wir – sie hat mit ausfallenden Baumarten zu kämpfen und ist auf der Suche nach Alternativen, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommen. So fällt auf extremeren Standorten wie beispielsweise in Berg (6) zunehmend die Schwarzkiefer aus, teils auch die Atlaszeder und bei flachgründigen Böden in Kuppenlage ist sogar die Steineiche betroffen (Abbildung 6). Wie wir nach Frankreich schauen, so suchen die Franzosen ihrerseits nach noch hitze- und trockenresistenteren mediterranen Arten wie zum Beispiel Pinus brutia aus dem östlichen Mittelmeerraum. Dass die Klimaanalogien keine rein bayerische Erfindung sind, belegt die ClimEssences-Webseite der ONF – gute Ideen werden eben selten nur einmal geboren.
Zusammenfassung
Exkursionen in Analoggebiete liefern wertvolle Erkenntnisse für die Baumartenwahl und den Waldbau im Klimawandel. In der Vallée du Rhône herrscht bereits heute das Klima, das wir im Landkreis Roth bei extremer Klimaerwärmung in Zukunft erwarten. Der Umgang mit für uns neuen Baumarten wie Flaumeiche, Edelkastanie, Atlaszeder, Schwarz- und Seekiefer hat im Rhônetal lange Tradition. Der Besuch der Bestände im Analoggebiet zeigt somit Optionen für die Anpassung der Wälder bei Roth auf. Die Exkursion hat die Waldzukunft "anfassbar" gemacht und motiviert zu einem klimagerechten Waldumbau.