Die ursprünglich heimische Schwarzpappel (Populus nigra) gilt heute als eine der stark gefährdeten Arten der Roten Liste. Die Gründe ihrer Gefährdung sind vielfältig und bereits seit mehr als 200 Jahren durch menschliches Eingreifen und Gestalten der Landschaft bedingt.
Abb. 2: Ausgeprägte Maserknollen und Bruthöhle am Stamm einer Schwarzpappel im Kreis Unna. Durchgetriebene Starkäste nach Rückschnitt verändern das ursprüngliche Kronenbild. Foto: L. Schulze
Aus Gründen der Artenvielfalt und Generhaltung wird die Schwarzpappel seit den 1980er-Jahren wieder gefördert. Wie jede Art, die sich im Laufe der Evolution allen Widrigkeiten der Natur zum Trotz an die speziellen standörtlichen Gegebenheiten hat anpassen können, besitzt sie ein großes Potenzial. Gedacht ist dabei neben ihrer Funktion für die Vielfalt heimischer Arten, an mögliche Rückkreuzungen im Rahmen des Klimawandels und auch an ihre ökologischen Funktionen in ihren nur noch rudimentär erhaltenen, natürlichen Lebensräumen der gewässerbegleitenden Weichholzauen. Letztere stellen eine der stark gefährdeten Pflanzengesellschaften dar. Die Hochwasserkatastrophen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Auenbereiche mit ihren Speicherkapazitäten bei der Landschafts- und Bauplanung eine wichtige Rolle spielen sollten.
Das Erscheinungsbild der Schwarzpappel
Abb. 3: Wolterson-Effekt bei der Schwarzpappel: das erste Hauptaderpaar entspringt der Blattbasis. Foto: L. Schulze
Die Europäische Schwarzpappel ist ein starkwüchsiger Baum von oftmals recht großen Dimensionen. Ihr äußeres Erscheinungsbild ähnelt von weitem sehr stark dem von alten Solitäreichen: Die Äste sind oft weit ausladend und bilden Bögen und Knicke. Der Stamm ist knorrig, stark beulig und verwachsen und die Krone beginnt in der Regel schon nach ein paar Metern. Schwarzpappeln können weit über 100 Jahre, ja bis zu 200 Jahre alt werden. Ihren Namen hat die Schwarzpappel ihrer dunklen, verwobenen Rinde zu verdanken, die von weitem schwarz erscheint. Die Rinde ist tief gefurcht und entwickelt sich im Alter zu einer sehr dicken, rauen und längsrissigen Borke mit charakteristischen Kreuzmustern und vielen wuchernden Beulen.
Die Pappeln gehören zu den wenigen Pflanzenarten – weltweit sind es nur 4 % aller bekannten höheren Arten –, welche unterschiedliche Geschlechter ausgebildet haben. Es gibt also männliche und weibliche Exemplare. In der Botanik spricht man von „Zweihäusigkeit“ und meint damit, dass jedes Geschlecht sein eigenes „Haus“ (in diesem Fall seinen eigenen Baum) bewohnt bzw. darstellt. Die männlichen Blütenknospen sind deutlich größer als die weiblichen und liegen am Zweig an, während die weiblichen sich stets nach außen biegen. Sie sind ockerfarben-hellbraun bis braunrot und bei Austrieb im Frühjahr durch den rötlichen Schimmer, den sie den Baumkronen verleihen, schon von weitem von den weiblichen Bäumen, die im Gegensatz zu ihnen grünlich erscheinen, zu unterscheiden. Die Blätter sind breit keilförmig und haben eine deutlich lange, auslaufende Spitze.
Ein typisches Merkmal ist der „Wolterson-Effekt“: das erste Hauptader-Paar kommt direkt aus der Blattgrundbasis. Dies ist bei Hybridpappeln nicht der Fall.
Die Blätter haben einen seitlich abgeflachten Stiel, was dazu führt, dass sie auch bei leisestem Windhauch immer in flatternder Bewegung sind. Da bei den Pappeln die Ober- und Unterseiten der Blätter photosynthetisch aktive Zellen haben, können beide Seiten im Wechsel das Sonnenlicht auffangen. Die Verdunstung von Wasser ist daher entsprechend hoch, was die Nährstoffaufnahme und in der Folge das Wachstum befördert. Diese Schnellwüchsigkeit der Pappeln wurde bei den Hybriden züchterisch perfektioniert.
Die Ansprüche der Schwarzpappel und ökologische Funktionen
Abb. 4: Typische Schwarzpappel an der Siegaue. Foto: L. Schulze
Die Schwarzpappel hat allgemein einen großen Bedarf an Wasser. Sie benötigt ca. 500 Liter Wasser, um ein Kilo Holzmasse zu bilden. Die Buche braucht dafür nur 350 Liter und die genügsame Kiefer einmal gerade 180 Liter Wasser. Andauernd staunasse Böden werden von der Schwarzpappel allerdings gemieden, da sie auch eine gute Durchlüftung des Wurzelraumes braucht. Sie ist daher nicht für den direkten Uferbereich und somit auch nicht für eine Uferbefestigung geeignet. Periodische Überschwemmungen verträgt sie jedoch gut.
Die natürlichen und somit bestens geeigneten Standorte der Schwarzpappel sind daher die Auwälder mit ihren nährstoffreichen, tiefgründigen Schlickablagerungen. Hier ist das Grundwasser immer in Bewegung und daher sauerstoffreich. Sandige und kiesige Schotterbänke und Flusstäler, die regelmäßig überschwemmt und durch die Sinkstoffe der Hochwässer gedüngt werden, sowie Wiesen- und Waldniederungen zählen zu den bevorzugten Standorten. Hier bilden die Pappeln mit Weiden und Schwarzerlen eine Pflanzengesellschaft, in deren Krautschicht man Pflanzen, wie z.B. Glanzgras, Knöterich, wolliges Honiggras, Mädesüß, Gänsefingerkraut, hohe Seggen, Dost und Nesseln, finden kann.
Abb. 5: Pappelblattkäfer. Foto: L. Schulze
Für viele Insekten- und Tierarten ist die Europäische Schwarzpappel eine Zielart, da sie sich durch ihre gemeinsame evolutionäre Entwicklung angepasst haben. Dieses ist bei den später eingebrachten Hybridpappeln nicht gleichen Maßes der Fall. Eine breite Palette an Groß-und Kleinvögeln nutzt die Pappeln der Auwälder als Nist- und Lebensraum. Einige Schmetterlinge und Schwärmer verweisen schon mit ihrem Artnamen auf eine enge Bindung an die Pappeln: Pappelauen-Zahnspinner, Große Pappelglucke, Pappelschwärmer, Pappel-Kätzcheneule. Sie waren eng auf die Schwarzpappeln spezialisiert, doch ging ihr Vorkommen mit dem Auftauchen der Hybridpappeln stark zurück. Die genaue Anzahl der Schmetterlings-und Käferarten an der Schwarzpappel ist nicht bekannt. In Deutschland konnten an den heimischen Pappelarten mehr als 500 Käfer und 87 Großschmetterlinge nachgewiesen werden, ohne jedoch eine spezielle und ausschließliche Bindung an die Schwarzpappel zu belegen. In Auwäldern kommen diese Arten auch an Weiden und Aspen vor.
Die natürliche Verbreitung der Schwarzpappel
Abb. 6: Naturverjüngung von Schwarzpappeln auf Rohbodenflächen am Rheinufer bei Dormagen. Foto: L. Schulze
Die Flusstäler in West-, Mittel-, Südost- und Südeuropa sowie Kleinasien und der gemäßigte Teil Zentralasiens werden als natürliche Verbreitungsgebiete angenommen. In Nordrhein-Westfalen ist die Schwarzpappel in der Rheinaue und am Unterlauf der Nebenflüsse des Rheins heimisch. Inwieweit das Niederrheingebiet zum ursprünglichen Verbreitungsgebiet gehört, ist nicht sicher geklärt. 1970 wurde jedoch der Fund von Schwarzpappelblättern aus dem 12. Jahrhundert nördlich von Büderich nachgewiesen. Aufgrund dieses Fundes ist es nicht auszuschließen, dass die Schwarzpappel auch am nördlichen Niederrhein ursprünglich vorgekommen ist. Ein sicherer Nachweis für ihr natürliches Vorkommen an der Weser fehlt bis heute.
Die Schwarzpappel ist sehr regenerationsfähig. Sie kann Stockausschläge bilden und sich auch mit Hilfe abgerissener Äste und Zweige vermehren. Die generative Vermehrung gestaltet sich jedoch schwierig und ist zusätzlich zu den vom Menschen verursachten Verlust ihrer natürlichen Lebensräume ein Grund ihres Rückgangs und ihrer innerartlichen Verarmung. Die Samen haben zwar eine hohe Keimfähigkeit; diese ist jedoch nur von sehr kurzer Dauer. Da sie zur Keimung offenen, feuchten Schwemmlandboden benötigen, den es heute nur noch selten gibt und der zur richtigen Zeit die richtige Feuchte und Offenheit haben muss, ist die natürliche Vermehrung außergewöhnlich schwierig geworden.
Im Bereich Neuss, Dormagen-Zons konnte in jüngster Zeit durch eine Untersuchung im Auftrag von Wald und Holz NRW der bislang einzige genetische Nachweis einer inzwischen sehr selten gewordenen, natürlichen, genetischen Vermehrung in NRW erbracht werden. Durch eine besondere fluviale Strömungssituation sind hier sowohl eine generative Vermehrung als auch die folgende Keimung auf offenen Kies- und Sandbänken und periodischer Aufwuchs noch möglich. Es besteht noch weiterer Untersuchungsbedarf.
Gründe für die Gefährdung der Art
Abb. 7: Hiebsreife Schwarzpappelhybriden bei Euskirchen-Wisskirchen. Foto: J. Wittler
Zwei hauptsächliche Ursachen sind zu nennen, die bewirkt haben, dass die in den Fluss - und Stromtälern Nordrhein-Westfalens einst weit verbreitete Schwarzpappel heute fast völlig aus der Landschaft verschwunden ist: Zum einen wurden durch Flussregulierungen, Eindeichungen, Trockenlegungen und Grundwasserabsenkungen sowie durch die fortschreitende Landnutzung ihre natürlichen Standorte bis heute größtenteils vernichtet. Der Ausbau der mitteleuropäischen Flüsse setzte Anfang des 18. Jahrhunderts u. a. mit den „Rheinkorrekturplänen“ des badischen Ingenieurs Tulla (1817) ein. In der Folgezeit bis heute wurden die typischen Auwälder immer weiter reduziert, sodass Auwälder mit großflächiger Ausdehnung heute praktisch nicht mehr vorhanden sind und sich nur noch vereinzelt als Relikte finden.
Die zweite Ursache der weitgehenden Verdrängung der Schwarzpappel ist die ebenfalls zu dieser Zeit einsetzende massenhafte Auspflanzung von gezüchteten Hybridpappeln auf Standorten, auf denen die Schwarzpappel wuchs. Von Natur aus kommen bei uns in Europa die Schwarzpappel (P. nigra), die Zitterpappel (P. tremula), die Silberpappel (P. alba) und die Graupappel (P. canescens = P. alba x P. tremula), eine natürliche Hybride, vor. Anfang des 18. Jahrhunderts war die Nordamerikanische Schwarzpappel (P. deltoides) in Westeuropa eingeführt worden, wo sie sich spontan mit der Europäischen Schwarzpappel kreuzte. Aus solchen Kreuzungen wurden in der Folge besonders gut geformte Nachkommen ausgewählt und durch Steckhölzer vermehrt und verbreitet.
Die durch Stecklinge herangewachsenen, genetisch identischen Nachkommen einer solchen Mutterpflanze nennt man Klone. Im Laufe der Zeit wurden sehr viele verschiedene Hybridsorten herausgezüchtet, die sich in ihren Merkmalen, Aussehen, aber auch Wuchseigenschaften, unterscheiden. Insgesamt spricht man bei diesen Kultursorten von „euramerikanischen Schwarzpappelhybriden“ (Populus x euramericana).
Die Hybridpappeln waren aufgrund ihrer gleichförmigen Stammausbildung und insbesondere wegen ihrer Wuchskraft für die Holzwirtschaft interessanter als die urwüchsigen, unregelmäßig und knorrig geformten Schwarzpappel-Riesen. Hybridpappeln wurden seit ca. Anfang des 19. Jahrhunderts in Massen auf Standorten, die ursprünglich Habitate der Schwarzpappel waren, ausgepflanzt. So kam es, dass die heimische Schwarzpappel weitgehend verdrängt wurde.
Erhaltungsmaßnahmen durch Wald und Holz NRW
Die Erhaltungsarbeit für die Schwarzpappel wird in NRW seit 1988 betrieben, zunächst durch die damalige Landesanstalt für Ökologie, Landwirtschaft und Forsten (LÖLF), seit 2007 von Wald und Holz NRW und dort aktuell vom neu gegründeten Zentrum für Wald und Holzwirtschaft.
Zuerst bedurfte es einer genauen Kenntnis der Anzahl und Standorte der noch vorhandenen Exemplare. Im Folgenden wurden die Bäume genetischen Untersuchungen unterzogen, um ihre Reinrassigkeit zu belegen. Im Laufe der Jahre wurden auf diese Weise durch eigene Evaluierungen, Hinweise aus der Forstverwaltung, Meldungen von engagierten Naturschützern und aus der Bevölkerung eine stattliche Anzahl von artreinen Schwarzpappeln ermittelt. Ihre Zahl von ca. 800 Altbäumen mag auf den ersten Blick hoch erscheinen, ist jedoch bezogen auf die Größe Nordrhein-Westfalens sehr gering. Die Schwarzpappeln kommen zu einem großen Teil nur noch als relikthafte Solitärbäume vor, die vielfach ihr natürliches Lebensalter schon erreicht oder überschritten haben.
Aufgrund ihrer Zweihäusigkeit und den selten gewordenen natürlichen Keimungsmöglichkeiten durch offene und bewuchsfreie Bodengegebenheiten, besteht bei der Erhaltungsarbeit nur die Möglichkeit, sie künstlich mittels Steckhölzern zu vermehren und somit zu erhalten. Vermehrungsversuche durch künstliche Bestäubung im Gewächshaus sind zwar grundsätzlich möglich, aber extrem aufwändig und teuer. Sie wurden in NRW bislang nicht betrieben. Die Steckholzvermehrung ist dagegen einfach, wenn man junge Schößlinge – besonders aus Verwundungstrieben oder schlafenden Augen – zur Verfügung hat. Sie gestaltet sich allerdings auch oft schwierig, wenn das nicht der Fall ist, weil die Bewurzelungskraft von älteren Steckhölzern mit dem zunehmenden Alter der Bäume stark nachlässt.
Die meisten der zurzeit erfassten 825 Altbäume von Schwarzpappeln befinden sich in den Naturräumen „Hellwegbörden“, „Kern- und Westmünsterland“, „Emscherland“, „Niederrheinebene“ und „Köln-Bonner Rheinebene“. Diese Standorte entsprechen im Wesentlichen ihren Optimalstandorten. Einzelne Exemplare waren auch im Bereich der „Paderborner Hochfläche“, des „Lipper Berglandes“ und der „nordwestdeutschen Berglandschwelle“ zu finden. Inwieweit sich diese Bäume hier natürlich vermehrt haben oder von Menschenhand gepflanzt wurden, ist jedoch schwer zu klären.
Häufig sind von Menschen gepflanzte Vorkommen genetisch identisch, weil sie vor Ort als Steckhölzer oder Steckruten von nur einem Baum vermehrt wurden. Sie sind in solchen Fällen eine Reproduktion eines einzigen Individuums und dabei auch nur eines jeweils männlichen oder weiblichen. Solche Vorkommen können sich bestenfalls durch Astabbrüche vermehren und stellen eine innerartliche Verinselung dar. Die Klonidentität der Schwarzpappeln kann durch genetische Untersuchungen festgestellt werden.
Tatsache bleibt, dass die Baumart ursprünglich hier bei uns in Mitteleuropa heimisch war, und dass jedes durch genetische Untersuchung bestätigte, artreine Schwarzpappel-Individuum – also ein Einzelexemplar mit individuellen genetischen Anlagen – ein erhaltungswürdiges Relikt darstellt.
Abb. 8: Steckbeet mit Schwarzpappelsteckhölzern. Foto: L. Schulze
Abb. 9: Schwarzpappel-Mutterquartier Welver im Herbst mit den diesjährigen Trieben. Foto: L. Schulze
Das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft führt das Schwarzpappel-Mutterquartier in Welver bei Soest mit zurzeit 332 genetisch untersuchten und als artrein bestätigten Klonen fort. Ziel ist es, alle bekannten und neu hinzukommenden Individuen hier vertreten zu wissen und durch Gewinnung von Steckhölzern von diesen Bäumen die Schwarzpappel wieder verstärkt zu verbreiten. Aus dem Mutterquartier werden jährlich Steckhölzer geschnitten und in einer Baumschule angezogen. Sie werden später als Pflanzen für Renaturierungs-, Ersatz-, oder Neuanpflanzungen an Interessierte gegen einen Unkostenbeitrag abgegeben und in geeignete Landschaftsbereiche ausgebracht. Es wird fortlaufend ergänzt und erweitert.
Die Arbeiten leiden dabei aber auch unter einem gewissen Zeitproblem. Durch den regelmäßigen Rückschnitt für die Steckrutengewinnung und erneutem jährlichen Neuaustrieb ermüden die Bäumchen des Mutterquartieres nach ca. 20 Jahren. Sie sterben irgendwann ab und müssen durch erneut angezogene, junge Pflanzen der jeweiligen Individuen ersetzt werden. Viele der ursprünglichen „Mutterbäume“ in der freien Natur sind aber in dieser Zeit bereits abgestorben, sodass die Erhaltungsarbeit an der Schwarzpappel ein stetes Rennen gegen die Zeit ist. Für diese Fälle sind Ersatzflächen mit bekannten Klonen hilfreich und werden angestrebt.
Die in NRW erfassten Schwarzpappeln wurden nicht nur mit der Hilfe der Forstverwaltung und des institutionellen Naturschutzes evaluiert und dem landeseigenen Schwarzpappel-Mutterquartier im Kreis Soest zugeführt werden, sondern auch mit der Unterstützung von privat engagierten und dieser Baumart verbundenen Menschen. All diesen Freunden und Freundinnen der Schwarzpappel sei an dieser Stelle gedankt.
Literatur
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