Weshalb sind wohl viele Grossprivat­wälder in Deutschland Dauerwäl­der? Weil die Eigentümer von den Ein­künften aus den Wäldern leben müssen oder wollen. Was macht den Dauerwald ökonomisch attraktiv?

  • Hohe Anteile an Wertholz
  • auf der ganzen Fläche perma­nent Wertzuwachs
  • Walderneuerung, Waldpflege und Waldausformung auf klei­ner Fläche gleichzeitig im Zuge der Holznutzung

Gretchenfrage: Kahlschlag oder Plenterung?

Der feine Femelschlag schweizerischer Prägung stammt aus einer Zeit, in der die Arbeitskraft noch für wenig Geld zu haben war, und die Preise für Massen­ware noch rund doppelt so hoch waren als heute. Der real praktizierte Femel­schlag trägt deshalb heute oft Merkmale des Kahlschlages. Nach bald 100 Jahren Waldpflege ist die Ausbeute von Wert­holz mit 0,5 bis maximal 5% des genutzten Holzes im Verhältnis zum getätigten Pflege- und Durchforstungsaufwand zu gering.

Wer heute schwarze Zahlen schreiben will, muss den Hebel auf der Einnahmen- und auf der Ausgabenseite gleichermas­sen ansetzen. Es reicht nicht mehr, sich ein wenig an die Natur anzulehnen oder etwas Technik einzusetzen. Wenn heute wirtschaftlich gearbeitet werden soll, so muss man sich kompromisslos entweder für die Plenterung oder für den Kahl­schlag, das heisst für die Produktion von Wertholz oder für Massenware entschei­den. Entweder Bioautomation oder Boden­reinertragslehre. Halbherzigkeit ist viel zu teuer.

Der Dauerwald

Auf flächige Hiebe zu verzichten, hat seinen primären Grund in der Ökonomie und nicht etwa in der Ökologie oder gar in der Waldästhetik. Mit dem Beschluss, auf flächige Hiebe zu verzichten, erklärt der Waldbesit­zer seinen Wald zu Dauerwald. Es gibt also keine Überführung in Dauerwald, sondern "nur" einen wegweisenden, politischen Entscheid.

Und dann folgt die Arbeit im Dauerwald. Sie birgt eine Daueraufgabe auf dem nie endenden Weg zum struktur­reichen Wald. Wichtig an den entstehenden Strukturen ist nicht "das schöne Waldbild", welches sie zweifelsohne zunehmend vermit­teln, sondern eine möglichst grosse Durch­messerspreizung von qualitativ hochwer­tigen Stämmen, die eine andauernde Ernte von Wertholz ermöglichen (Abb. 1). Jeder Baum steht auf dem optimalen Standort, der Kronenschluss ist in der Regel unter­brochen, die Vorräte standortabhängig ungefähr konstant auf mittlerem Niveau und die Stämme zunehmend von hoher Qualität.

Der Plenterwald ist ein Spezialfall des Dauerwaldes. Er setzt sich aus einer oder aus mehreren schattenertragenden Baumarten zusammen. Im Wesentlichen handelt es sich um Tanne, Fichte, Buche und Bergahorn. Über das Erscheinungsbild des Plenterwaldes bestehen auch aus histo­rischen Gründen fixe Vorstellungen. Des­halb empfiehlt es sich, den Begriff "Plenterwald" als eine Teilmenge des Dauerwaldes zu betrachten.

Das Produktionsmittel und das Produkt

Der Baum, solange er steht und lebt, ist ein Produktionsmittel, wie eine Drehbank in einer mechanischen Werkstätte. Erst durch den Fällschnitt wird der Baum zum Produkt. Die Produktionsmittel sind viele Jahrzehnte ungeschützt der Unbill der Witterung, dem Befall durch Schädlinge und dem Vandalismus ausgesetzt. Wird der Baum verletzt, ist das Produktionsmittel für Wertholz zerstört. Es kann kein Wertholz mehr zuwachsen. Der Baum hat seine (Not-)Hiebreife erreicht.

Wird ein Wertholzstamm zu früh geerntet, so wird sein Ertragsvermögen nicht ausgenutzt. Wird er zu spät geerntet, so erleidet er Qualitätsverluste. Der optimale Erntezeitpunkt ist dann erreicht, wenn der Winkel Alpha maximal ist (siehe Abb. 3). Es entstehen Wertverluste, niemand merkt es und ebenso wenig wird sie je jemand beziffern. Man sagt, Holz wächst an Holz. Dies ist in diesem Sinne nicht fertig ge-dacht. Es muss heissen, Wert(-holz) wächst an Wert(-holz). Der Wert des Holzes wächst exponentiell in Funktion der Zeit bezie­hungsweise des Durchmessers. Da Bäume je nach Standort und Baumart unter­schiedliche Qualitäten und Wachstums­dynamiken entwickeln, werden sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten, mit indivi­duellem Alter hiebsreif. Bei der Einschät­zung des optimalen Erntezeitpunktes spielt der Holzmarkt mit hinein.

Die Abgrenzung zum Femelschlag zeigt sich ganz ohrenfällig im Vokabular. Der Dauerwald kennt keine Umtriebszeit, er hat weder Anfang noch Ende. Er kennt keine Schlagfront, keinen Steilrand, keine Hiebsrichtung, keine Lichtung und schon gar keine Räumung. Er kennt weder eine zeitliche noch eine räumliche Ordnung. Im Dauerwald gibt es keine Verjüngung, also auch kein Verjüngungshieb, keinen Verjüngungszeitraum, keine Dickung und keine Stangenhölzer usw. Mit anderen Worten: es gibt keine Entwicklungsstufen beziehungsweise keine Altersklassen. Es gibt im Dauerwald den Waldbestand, aber keine Bestände. Er kennt weder Kronenschluss noch eine kritische Grund­fläche beziehungsweise eine Vollbesto­ckung.

Das Handwerk

Der erste gedankliche und auch reale Schritt hin zum Dauerwald ist der konse­quente Verzicht auf Räumung. Es werden allmählich nur noch qualitativ hochwer­tige Bäume, seltene Baumarten, Samen­bäume, Uraltbäume und Totholz oder Bäume mit anderen Funktionen im Bestand bleiben. Die übrigen Bäume werden all­mählich aus dem Bestand entfernt.

Der Bewirtschafter erscheint in fixen Intervallen in einem Umlauf von fünf, sechs oder zehn Jahren zur Anzeichnung, je nach Wüchsigkeit der Standorte. Jeder Bestand ist gemäss dem Standort, den vorhandenen Baumarten, der (noch) Ent­wicklungsstufe, der Qualität der Bestan­desglieder usw. etwas Eigenes. Die Eingriffe sind gemäss der Zielsetzung struktur­reicher Wälder individuell und situativ festzulegen. Es gibt diesbezüglich nur Regeln, aber keine Planung. Es wird gelenkt und nicht gesteuert.

Nach flächigen Würfen werden im Jung­wuchs Lücken nicht ausgepflanzt. Vollbe­stockung ist nicht das Ziel. Es wird nicht ohne Not gegen Verbiss und Fegen ge-schützt, aber in der Regel nicht gepflanzt. In der Dickungsstufe und im schwachen Baumholz wird nur Mischungsregulierung und negative Auslese betrieben. Die Stärke der Freistellungen hängt von den Stand­orten und Baumarten ab.

Erste Aushiebe durch positive Auslese erfolgen erst im starken Stangenholz. Sie werden ohne Rücksicht auf Endabstände durchgeführt. Höchstens 40 Nachrücker werden begünstigt und wenn nötig geastet. Ab dem Baumholz wird vom dicken "schlechten" Ende her genutzt, mit nega­tiver Auslese entrümpelt und weiterhin mit positiver Auslese gefördert. Schon bald einmal werden gewisse Baumarten den Zieldurchmesser erreichen. Bäume ohne Aufgabe werden allmählich aus dem Bestand entfernt (Entrümpelung).

Veränderungen

Der Kronenschluss wird aufgerissen und die kritische Grundfläche unterschritten. Die Aushiebe in den starken Baumhölzern werden sich von anfänglich wesentlich über 100 m3/ha auf 60–80 m3/ha einpendeln. Die Vorräte werden auf 250–300 m3/ha im Laubholz und auf 350–400 m3/ha im Nadelholz abgesenkt. Eine Qualitäts- und Strukturänderung ist infolge des Hiebes auf die starken, qualitativ schlechteren Bäume sehr rasch sichtbar.

Trotz aufgeris­senem Kronendach wird durch die losge­tretene Dynamik im Wald der Zuwachs stabil bleiben oder sogar ansteigen. Stark ansteigen wird der Wertzuwachs am ver­bleibenden Vorrat. Es verbleiben allmählich nur noch qualitativ hochwertige Bäume, seltene Baumarten, Samenbäume, Uralt­bäume und Totholz oder Bäume mit anderen Funktionen im Waldbestand.

Es wird grün im Wald. Kraut-, Strauch- und Baumschicht sorgen für Windruhe im Wald, was sich positiv auf die Fruchtbar­keit, die natürliche Astung und das Äsungsangebot auswirkt. Die durch die langjährige einzelstammweise Nutzung entstehenden vielfältigen Waldbilder werden als schön empfunden, weil sie funktional stimmig sind.

Voraussetzungen

Freude an der Dynamik der Natur und am Waldbau sowie an der Holzvermarktung sind das A und O eines Waldbauern. Eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung (Standortkenntnisse, dynamisches Kon­kurrenzverhalten der Baumarten in Abhängigkeit der Standorte usw.), langjährige waldbauliche und holztechnologische Erfahrung sowie eine rechte Prise Intuition sind die notwendigen Gaben, welche ein guter Waldbauer mitbringen muss. Im Dauerwald taugen die meisten herkömm­lichen waldbaulichen Begriffe nichts mehr. Im Gegenteil: Das Gelernte ist oft hinder­lich. Das Denken in Beständen muss der Waldbauer ablegen und sich auf den Einzelstamm fokussieren können, ohne das Ganze aus den Augen zu verlieren.

Die Widersacher

Mit Ausnahme des persönlichen inneren Widerstandes, sich von den einmal erwor­benen waldbaulichen Begriffen und Sche­men lösen zu können, ist das Schalenwild der grösste Widersacher im Dauerwald. Bedingt durch die Halbschattenwirtschaft wird mit Naturverjüngung und mit ver­gleichsweise geringen Stammzahlen gearbeitet. Das Jugendwachstum der Bäume ist langsam, aber stetig. Die Verweildauer im Äser kann mehrere Jahre betragen. Auf nährstoffarmen Böden und in hohen Lagen verlaufen die Ansamung und der Aufwuchs von jungen Bäumen noch trä­ger und mit weniger Heistern.

Hier kann jedes Reh, Rot- oder Gamswild zu viel sein. Was nicht gefressen wird, wird spä­ter gefegt. Auf basenreichen Standorten verläuft das Jugendwachstum stürmisch und üppiger. Trotzdem kann auch da eine Entmischung der Baumarten stattfinden. Wenn auf solchen Standorten die Tanne, die Esche und der Bergahorn nicht auf­kommen, so ist der Wilddruck zu hoch. Aus naheliegenden Gründen kommt eine Zäunung nicht in Frage. Einzelschütze sollten auf arme, verjüngungsträge Stand­orte beschränkt bleiben können. Der Vor­teil im Dauerwald ist der grosse, aber nicht beliebig grosse Zeitraum, welcher für Jungbäume zur Verfügung steht. Im Dauerwald fällt die Äsung weniger punk­tuell als vielmehr in der Fläche an. Das grosse Nahrungsangebot ist aber keine Legitimation für überhöhte Schalenwild­bestände.

Je nach Standort und Entwick­lungsstadium ist der Dauerwald weniger gut überblickbar als die Altersklassen-Hallenwälder. Die Bejagung im Ansitz ist deshalb schwieriger. Die Rückegassen in 50-m-Abständen werden in kurzen Inter­vallen benutzt. Sie sind deshalb immer offen und sichtbar. Einzelne können ver­breitert als Schussschneisen Verwendung finden. Trotz biologisch und physikalisch stabileren Beständen werden immer wie­der Flächenwürfe entstehen, welche der Jagd dienlich sein können. Wenn nötig können auch Freiflächen herausgehauen werden.

Eine standortabhängig hinreichende Bejagung des Schalenwildes ist unab­dingbar. Alle standortheimischen Baumarten müssen, bei hinreichender Ansamung und optimalen Lichtbedingungen, ohne Schutzmassnahmen in genügender Anzahl aus dem Äser wachsen können. Baron von Rotenhan, Grossprivatwald­besitzer in Nordbayern, meint dazu: "Einen schönen Wald schiesst man sich her."