Der Kastanienbaum wurde durch die Römer hierzulande eingeführt und rasch zu einer wesentlichen Quelle der Ernährung, insbesondere bei der Landbevölkerung. Genaugenommen handelt es sich botanisch gesehen bei den Marroni nicht um Früchte, sondern um süsse Samen oder Nüsse. Früher wurden die Kastanien zu Mehl verarbeitet und galten als "Arme-Leute-Essen", heute sind sie sie eine Delikatesse wie z.B. Vermicelles (süsses Kastanienpüree in Spaghettiform), Brot aus Marronimehl mit Walnüssen verfeinert, Wildgerichte werden oft mit Maronen als Beilage serviert, Müesliflocken aus Marroni, Honig, Schweinemast mit Marroni in Spanien, Korsika und Süditalien u.v.m. Marroni enthalten neben Kohlenhydraten Eiweiss, Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphor, Eisen, Vitamin A, B und C, nur 1,9% Fett, keine Gluten, sind kalorienarm und sättigen schnell.

Es existieren mehrere hundert Marroni-Sorten, die meist nur kleinräumig angebaut werden und häufig an das Lokalklima angepasst sind, alle mit jeweils spezifischen Eigenschaften in Grösse, Reifezeitpunkt, Qualität, Geschmack, etc.

Castanea sativa: Esskastanie - Edelkastanie – Marroni – Marone

HeimatKleinasien; Mittelmeerraum; Graubünden, Tessin, Deutschland, Österreich
PflanzenfamilieFagaceae (Buchengewächse)
Wuchsbis zu 30 Meter hoch; mit breit ausladender Krone und drehwüchsigem Stamm, der im Alter oft hohl wird
BlütenMai, Juni, Juli; kätzchenähnliche Blütenstände, Fremdbestäubung (Insekten, Wind)
Samen/NussfrüchteNüsse; stärkehaltig und vitaminreich; Reifezeit von Mitte September bis Anfang November
WurzelnPfahlwurzel mit wenigen, reich verzweigten Seitenwurzeln
Standorttrocken, sonnig, warm; jedoch nicht zu viel direkte Sonneneinstrahlung
Bodenleicht saure, durchlässige Böden
winterhartbedingt
Lebensdauerkönnen normalerweise bis zu 600 Jahre alt werden; als ältestes lebendes Exemplar gilt der "Baum der Hundert Pferde" auf Sizilien, das geschätzte Alter beträgt 2.000 bis 4.000 Jahre
AnbauformenHoch- oder Niederwald, Kastanienselven (Hochstammplantagen)
Vermehrungüberwiegend durch Aufpfropfen
HolzMittelschwer, ringpoorig, deutliche Jahrringe, hoher Tanningehalt, warmer, goldbrauner Holzton, leichte Bearbeitung, weitgehend witterungsbeständig
VerwechslungsgefahrDie Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) ist ein Seifenbaumgewächs (nicht verwandt). Unterschiede lassen sich besonders in der Baumform und bei den Blättern erkennen.
Anpassung an den Klimawandelanpassungsfähig, wärmeliebend, gute Trockenheitsverträglichkeit, wintermilde Standorte mit sauren bzw. nicht zu kalkreichen Böden eignen sich für ein Aufkommen dieser Art. Ihr schneller Wuchs macht sie für Verjüngung von Nutzwald attraktiv.

Befreiung von Konkurrenten im Wald

Castanea sativa ist eine Kastanienart, die unter optimalen Bedingungen an sonnigen Standorten wächst. Sie leidet daher sehr unter der Konkurrenz um die Ressource Licht.

Die Auslichtung der Kastanienkronen von benachbarten Bäumen, die sie unterdrücken, ist demzufolge eine der wichtigsten Massnahmen zur Förderung ihres Wachstums und ihrer Vitalität. Man beobachtet oft, dass die Krone eines Baumes, der sich an einem Ort mit wenig Licht befindet, dazu neigt, sich in Richtung einer Lichtquelle zu orientieren und zu wachsen (das Phänomen des positiven Phototropismus), was manchmal zu einem räumlichen Ungleichgewicht in der Verteilung der Kronenmasse führt. Die Befreiung der Kastanienbäume von ihren Konkurrenten ist daher die Bedingung zur Förderung ihrer Lebenskraft und strukturellen Stabilität und damit auch ihres Überlebens.

Kronenpflege in Selven

Seit 1986 fördert der Forstdienst Projekte zur Wiederherstellung von Kastanienhainen, die in den Jahren zuvor aufgegeben worden waren. Im italienischsprachigen Graubünden gibt es 240 Hektaren (ha) Kastanienselven, von denen derzeit 147 gepflegt sind (72 ha allein im Misox).

Die Pflege der Kastanie in den Selven besteht vor allem im Kronenschnitt, um die Baumstruktur zu stabilisieren. Durch das Beschneiden einiger Äste wird in bestimmten Fällen das Ungleichgewicht der Krone vermieden; ausserdem wird durch die Verringerung der Masse das Gewicht des Baumstamms entlastet.
In der Literatur wird bei jahrhundertealten Bäumen ein leichter Kronenschnitt empfohlen, bei dem jährlich nicht mehr als 25 % der gesamten Äste entfernt werden sollten. Der Schnitt sollte hauptsächlich darin bestehen, trockene, schwache und gefährdete Teile zu eliminieren, wobei auch schwere Teile der Krone (oder des Stammes oder Triebe), die die Struktur des Baumes horizontal aus dem Gleichgewicht bringen, berücksichtigt werden sollten. Der Fachmann schneidet je nach Vitalität des Baumes mehr oder weniger stark.

Früher wurde der Kastanienbaum jährlich zum Zeitpunkt des Fruchtfalls beschnitten, heute erfolgt dies weniger häufig. Da die Kastanienernte an Bedeutung verloren hat, hat auch die Pflege in den Selven abgenommen und wurde in vielen Fällen sogar ganz aufgegeben.

Ein weiterer Eingriff, der häufig an Kastanienbäumen in Selven vorgenommen wird, ist das Abschneiden der Klebäste. Die Bäume investieren viel Energie in diese neuen Äste direkt am Stamm. Durch deren Entfernung wird versucht, die verfügbaren Ressourcen auf die bestehende Baumkrone zu lenken.

Klebast

Aus einer schlafenden Knospe am Stamm entstandener, mehrjähriger Ast. Klebäste entstehen oft als Reaktion auf plötzlichen zusätzlichen Lichtgenuss, auf Verletzungen oder auf starke seitliche Einengung der Baumkrone.

Quelle: Schweizerisches Landesforstinventar LFI

Pflege monumentaler Kastanienbäume

Um monumentale Kastanienbäume zu erhalten, ist es unumgänglich, diese entsprechend zu Pflegen. Ende des 20. Jahrhunderts definierte der WSL-Forscher Patrik Krebs als “Monumentalbäume“ diejenigen Bäume, die in Brusthöhe einen Umfang von 7 m oder mehr haben. Mit dieser Definition konnte Krebs in den Jahren 1999 bis 2004 insgesamt 305 monumentale Kastanienbäume im Tessin und in Moesano inventarisieren und dokumentieren.

Da monumentale Bäume oft eine Stammhöhle haben, die eine dendrochronologische Analyse unmöglich macht, wird ihr Alter auf einer säkularen Skala gemessen, und einige Exemplare überschreiten sogar 600 Jahre. Nach einer Analyse im Rahmen der zweiten Bestandsaufnahme (noch unvollständig: 101 von 305 untersuchten Exemplaren), die etwa zwei Jahrzehnte nach der ersten durchgeführt wurde, starben von 101 erfassten monumentalen Kastanienbäumen 17 (von insgesamt 19 Todesfällen bei 101 Bäumen) aufgrund eines strukturellen Zusammenbruchs. Dies war hauptsächlich auf ein Ungleichgewicht und eine Verschlechterung der Struktur, insbesondere der Krone, zurückzuführen. Wenn sie ungünstigen Umweltbedingungen (z. B. starkem Wind) ausgesetzt ist, bricht sie zusammen und reisst die gesamte Baumstruktur oder einen Teil davon mit sich.

Die Pflege der Kastanie und insbesondere der Krone kann daher das Leben dieser Baumart positiv beeinflussen, indem sie einem riskanten strukturellen Ungleichgewicht entgegenwirken.

Literatur und Quellen unter buendnerwald.ch