Hagelkörner bilden sich in kräftigen Gewitterwolken, die meist weit in die Höhe reichen. Solche Wolken entstehen, wenn die Atmosphäre sehr instabil ist, zugleich viel Feuchte vorhanden ist und starke Aufwinde herrschen (Meteo Schweiz). Hagel kommt in der Schweiz im Sommer häufig vor und richtet dabei Schäden in Millionenhöhe an. Besonders viel Hagel gibt es im südlichen Tessin, am zentralen Alpennordhang sowie im Jura.

Nicht nur menschliche Infrastruktur ist von Hagel betroffen, sondern auch Wildtiere und Pflanzen. Wenn es bei Bäumen durch Hagel zu einer Verletzung der Rinde kommt, entstehen ideale Eintrittspforten für Pilze und andere Mikroorganismen. Auf den Hagel folgen daher oft Erkrankungen, die auf solche Organismen zurückzuführen sind. Bisweilen sind in solchen Wun­den Pilze festzustellen, die ansonsten nur selten aus Schadsymptomen isoliert werden. Das deutet darauf hin, dass bereits vorhandene endophytisch lebende Pilze von der Schwächung profitieren. Ein bekanntes Beispiel ist der Pilz Diplodia sapinea (siehe Box weiter unten).

Auch Verletzungen an Blättern schwächen und schädigen den Baum, Folgeinfektionen sind keine Seltenheit. Die Schirmwirkung eines Bestandes kann verloren gehen, was sich direkt auf das Waldklima und die Verjüngung auswirkt. Allerdings sind solche Verlet­zungen oft weniger folgenschwer als die Verletzung der Rinde. Werden ganze Triebe abgeschlagen, entstehen grössere Wunden und damit grössere Eintrittspforten.

Endophyten und Hagel

Diplodia sapinea (syn. Sphaeropsis sapinea) ist ein bekannter Endophyt von Trieben, Knospen und Nadeln von Föhren, der pathogen wird, wenn der Wirtsbaum abiotischem Stress ausgesetzt ist. Im Holz verursacht der Pilz eine blaue Verfär­bung (vgl. Holzverfärbungen). Als Auslöser des Diplodia-Triebsterbens gelten Hagel, Tro­ckenheit oder beide Faktoren kombiniert.

Für erfolgreiche Triebinfektionen braucht der Pilz eine hohe Feuchtigkeit und Temperaturen über 20°C.  Seit ein paar Jahrzenten und sehr wahrscheinlich infolge des Klimawandels breitet sich das Befallsge­biet des Pilzes weltweit gegen Norden hin aus und die Schwere der Befälle und der Schäden im bishe­rigen Gebiet scheint zuzunehmen.

Welche Mechanismen für den Wechsel einer en­dophytischen, hin zu einer pathogenen Lebenswei­se verursachen, ist noch unklar. In einem Baum gibt es in der Regel verschiedene Endophyten. Um das Zusammenspiel von Stress und Endophyten zu verstehen, ist zusätzliche Forschung nötig. Welche Endophytengemeinschaft in einem Baum vorhanden ist, hängt von den zahlreichen Fak­toren ab – hauptsächlich der Baumart selbst, der benachbarten Baumarten, den Gegebenheiten des Mikrostandortes und dem Genotyp des Baumes.

Gute Regeneration, weil die Wurzeln nicht beschädigt werden

Der Baum versucht, entstandene Wunden zu überwal­len und Blattschäden durch neue Blatt- bzw. Triebbil­dung zu kompensieren. Gerade Laubbäume sind gut in der Lage, geschädigte Blätter durch Adventivtriebe, Johannistriebe bei Eichen, sowie durch die Bildung neuer Knospen für das nächste Jahr auszugleichen. Schwieriger ist die Regeneration der Nadelmasse für Koniferen. Deren Nadeln trocknen aufgrund eines grossen Transpirationssoges eher aus, wenn sie ge­schädigt sind.

Da die Wurzeln bei Hagel intakt bleiben, haben Bäume in der Regel ein gutes Regenerationspotential. Stärkere Folgeschäden erleiden bereits geschwächte Bäume, deren Vitalität durch den Hagel zusätzlich he­rabgesetzt wird.

Lokales Phänomen

Hagelschäden werden selten prominent erwähnt, wenn es um abiotische Störungen im Wald geht. An­ders als Wind- und Schneeschäden tritt Hagel meist nicht grossflächig, sondern lokal auf. Nichtsdestotrotz haben sie bei hoher Intensität das Potential, einen Waldbestand komplett zum Ab­sterben zu bringen.

Waldbauliche Anpassungen an Hagel sind kaum mög­lich. Die Beimischung von Pionierbaumarten kann helfen, Bestände nach einem Hagelschaden schnell wieder zu schliessen.

Hagelschäden im Sommer 2021

Mehrere starke Hagelstürme in den Sommermonaten 2021 haben in Schweizer Wäldern erhebliche Schä­den angerichtet. Zum Teil wurden ganze Bestände na­hezu entlaubt (Abb. 1 und 3). Betroffen waren sowohl Laub- als auch Nadelholzbestände. Besonders Nadel­hölzern wurden ganze Triebe abgeschlagen, welche zum Teil dicke Teppiche auf den Waldböden bildeten.

Bei Laubhölzern konnte beobachtet werden, dass die Hagelkörner die Blätter durchlöchert oder regelrecht zerfetzt haben. Am stärksten betroffen war hier der Bergahorn (Abb. 4). Seine grossen Blätter bieten Ha­gelkörnern viel Angriffsfläche.

An den Trieben, Zweigen und Ästen aller Baumarten zeigten sich klaf­fende Wunden (Abb. 5 und 6). Bei jüngeren Bäumen waren diese zum Teil nahezu stammumgreifend und führten in Einzelfällen zum Absterben von Jungpflan­zen.

In einigen Beständen trafen Hagelkörner die Bäu­me mit solch einer Wucht, dass sogar Baumholz am Stamm geschädigt wurde. Bei Fichten war die schup­pige Borke teils abgespickt. Wie spätere Untersuchun­gen zeigten, reichte in der Folge abgestorbenes Ge­webe bis ins Kambium (Abb. 7). Auch bei der Buche, einer Baumart mit relativ dünner Rinde, zeigten die Stämme ausgewachsener Bäume tiefe rissige Wunden an den Stämmen.

Bereits kurze Zeit nach den Sturmereignissen zeigten erste Baumarten wie die Buche und die Fichte Reakti­onen auf die starken Schäden. Sie bildeten Zweitaus­triebe und das Wundgewebe begann die Verletzungen zu überwallen (Abb. 8, 9 und 10). In Dickungen zeigte sich, dass bei nahezu allen Bau­marten die Krone mit den Endtrieben abgestorben war. Ob und wie solche Kronenverluste kompensiert werden können, ist noch nicht bekannt.

Besonders bei den Nadelbäumen aller Altersklassen, deren Kronen zu 75 % oder mehr verlichtet wurden, ist unsicher, ob diese sich überhaupt erholen können oder ob sie absterben. Die stark geschwächten Bäume sind zudem ein gefundenes Fressen für Borkenkäfer, allen voran dem Buchdrucker (Ips typographus). Dieser hat in den letzten Jahren bereits starken Druck auf Fichtenbe­stände ausgeübt.

Hagel-Beobachtungsflächen

Da bisher wenige Erfahrungen mit den Folgen starker Hagelschäden gemacht wurden, entschlossen sich die Kantone Luzern und Schwyz Beobachtungs­flächen einzurichten. Um die Auswirkun­gen der Unwetter auf diesen Flächen zu dokumentieren, werden die Bäume während mindestens fünf Jahren zweimal pro Jahr begutachtet. Zuwachsbohrungen sollen schliesslich zei­gen, wie sich die Schäden auf das Baumwachstum ausgewirkt haben.

Diese Beobachtungsflächen bieten eine Chance, die Folgen schwerer Hagel­stürme genauer zu untersuchen – vor allem im Hin­blick auf die erwartete Zunahme solcher Ereignisse auf­grund des Klimawandels.

 

(TR)