Ökobilanzielle Analyse von Verbissschutz am Beispiel von Zäunen
Aufgrund der trocken-heißen Jahre seit 2018 stehen Forstbetriebe vor enormen Herausforderungen bei der Wiederbewaldung und im Waldumbau: Nachpflanzungen werden unumgänglich und deren Schutz oder Förderung werden wichtig für die Zukunftsfähigkeit der Wälder sein. Junge Forstpflanzen lassen sich durch verschiedene Maßnahmen schützen. Eine etablierte Variante für den flächigen Schutz sind Zäune, wobei verschiedene Zaunsysteme zum Einsatz kommen können. Die Entscheidung für ein bestimmtes Zaunsystem wird dabei an unterschiedlichen Kriterien festgemacht wie z. B. technischen Eigenschaften und Preisen bzw. Kosten. Aber auch die Umweltfreundlichkeit wird zunehmend ein Entscheidungskriterium für ein Zaunsystem.
Um die Umweltfreundlichkeit von Produkten erfassen und beurteilen zu können, sind transparente und verlässliche Berechnungen und Bewertungen im Hinblick auf mehrere Umweltkompartimente sowie ein abschließender Vergleich notwendig. Diese Anforderungen können durch eine Ökobilanz erfüllt werden. Im Folgenden werden daher die Umweltwirkungen verschiedener Zaunsysteme umweltmedien-übergreifend, d. h. über Luft-, Wasser- und Bodenemissionen hinweg, in einer ökobilanziellen Analyse umfassend verglichen.
Die Ökobilanz als Werkzeug
Eine Ökobilanz untersucht die potenziellen Wirkungen auf das Ökosystem der Erde durch Produkte und Dienstleistungen über deren gesamten Lebensweg, d. h. sie betrachtet Produktion, Nutzung und Entsorgung. Eine Ökobilanz ist eine nach ISO 14040 und ISO 14044 genormte, wissenschaftlich etablierte Methode. Das zentrale Grundprinzip ist dabei der Vergleich verschiedener Produkte, die die gleiche Funktion erfüllen und die gleichen Systemgrenzen haben. Beides wird vorab festgelegt bzw. sichergestellt. Es soll das Produkt mit den geringsten Umweltwirkungen ermittelt werden. Dabei sind nicht absolute Werte entscheidend, sondern stets der Vergleich mit den anderen Produkten innerhalb der jeweiligen Untersuchung. Hierfür werden für jeden Abschnitt des Lebensweges bzw. für jeden Prozessschritt die spezifischen Umweltwirkungen wie z. B. die Aufnahme von CO2 oder die Freisetzung von Methan erfasst, Summen ermittelt (auch „Life Cycle Inventory“) und diese potenziellen Schädigungen am Ökosystem Erde zugeordnet (auch „Life Cycle Impact Assessment“). Eine Ökobilanz ermittelt so eine Rangfolge der Umweltfreundlichkeit verschiedener nutzengleicher Produkte.
Untersuchte Wildschutzzäune
Ziel der vorliegenden Analyse ist der Vergleich verschiedener flächiger Schutzsysteme bei Aufforstungsmaßnahmen in Deutschland. Untersuchungsgegenstand sind Wildschutzzäune verschiedener Bauformen. Die Systemgrenzen werden folgendermaßen definiert: Der Nutzen aller eingesetzten Produkte ist der flächige Schutz von 1 ha Forstfläche, bestockt mit 5.000 Pflanzen. Zielbestand der Aufforstung ist ein Traubeneichen-Mischwald. Das untersuchte Produktsystem (Abb. 1) umfasst also 1 ha Waldfläche. Die Zaunlänge beträgt entsprechend des Idealfalls 400 lfm. Der Betrachtungszeitraum ist 5 Jahre mit der Pflanzung in Jahr 1 und vier Jahren Pflege im Anschluss. Es wird von drei Pflegeeingriffen in diesem Zeitraum ausgegangen. Die Herstellungsphase umfasst u. a. die Forstpflanzenerzeugung, die Gewinnung von Holz in verschiedenen Varianten und die Herstellung von Zaunmaterial und Z-Profilen.
Die zu vergleichenden Untersuchungsobjekte sind die Zaunsysteme:
- Knotengeflecht mit kesseldruckimprägnierten Weichholzpfosten,
- Knotengeflecht mit Laubholzpfosten (Eichen-Spältlingen),
- Knotengeflecht mit Z-Profil-Pfosten
- und Hordengatter.
Alle produktbezogenen Prozesse von der Gewinnung der Rohstoffe über die Herstellungsprozesse und Nutzung bis hin zur Abfallbehandlung, d. h. über den gesamten Lebensweg, werden der einen Pflanzung bzw. Fläche zugerechnet.
Die Prozessketten von Produktion, Nutzung und End-of-Life (Lebensende) werden auf Basis von Informationen von Unternehmen sowie Literaturdaten erfasst und in einem iterativen Verfahren durch Expertengespräche überprüft.
Umsetzung der Ökobilanz
Die Berechnungen erfolgten in der Software GaBi unter Nutzung der GaBi-Datenbank. Datengrundlage waren spezifische Informationen aus Fachliteratur, Messungen und Freilandbeobachtungen sowie aus Expertengesprächen. Berechnet wurde der stoffliche wie energetische Ressourceneinsatz, d. h. bspw. von Holz, Stahl und Treibstoffen. Die hier betrachteten Umweltwirkungskategorien sind:
- Ressourcenbeanspruchung: erfasst den Input von Energie- und Primärressourcen; unterschieden in erneuerbare und nicht erneuerbare Ressourcen; angegeben in Masse
- Treibhausgaspotenzial: erfasst die Masse der klimawirksamen, luftgetragenen Emissionen (Outputs); berechnet und angegeben in Masse der CO2-Äquivalente
Frischwasser-Ökotoxizität: erfasst die Masse der in Frischwasser ankommenden, toxisch wirkenden Stoffe (Outputs); berechnet und angegeben in Masse der 1,4-Dichlorbenzol-Äquivalente
Ergebnisse der Auswertung
Die Untersuchung kommt zu folgenden Ergebnissen (Abb. 2) für die Ressourcenbeanspruchung:
- Das Hordengatter benötigt die wenigsten Energieressourcen über den Lebensweg. Ursachen: Weder Knotengeflecht noch Demontage sind notwendig.
- Auch bei den nicht erneuerbaren Ressourcen schneidet das Hordengatter besser ab als die alternativen Zaunsysteme, da durchweg weniger Ressourcen beansprucht werden.
- Allein bei den erneuerbaren Ressourcen zeigt sich das Hordengatter nachteiliger als zwei der Knotengeflecht-Zäune (Laubholzpfosten und Z-Profile), da für ein Hordengatter mehr Holz eingesetzt wird. Es beansprucht insgesamt mehr natürliche Ressourcen, wie z. B. Luft oder Stickstoff.
Deutlich schlechter schneidet aber der Zaun mit kesseldruckimprägnierten Pfosten ab. Dieser belastet viel Luft bei der Imprägnierung und der thermischen Nutzung der Pfosten (gesetzeskonformes Verbrennen in Verbrennungsanlage).
Auch das Treibhausgaspotenzial muss berücksichtigt werden (Abb. 3): Sofern biogener Kohlenstoff ausgewiesen wird, ist dies angegeben. Die Summe der klimawirksamen Emissionen ist für das Hordengatter mit Abstand am geringsten. Die Klimawirksamkeiten der anderen drei Zäune liegen jeweils auf einem deutlich höheren Niveau und sind für alle drei Systeme vergleichbar.
Beim Blick auf die Frischwasser-Ökotoxizität (Abb. 4) ergibt sich ebenfalls ein deutlicher Vorteil zugunsten des Hordengatters. Es ist über seinen Lebensweg mit der geringsten ökotoxischen Wirkung auf Frischwasser verbunden. Bei den anderen Zäunen wird die deutlich höhere ökotoxische Wirkung auf Wasser durch die Nutzung fossiler Treibstoffe, die Herstellung des Knotengeflechtes und des verwendeten Stahls verursacht.
Das Hordengatter schneidet am besten ab!
Ökobilanzielle Bewertungen gewinnen auch in der Waldbewirtschaftung an Bedeutung. Denn auch dort soll in allen Prozessschritten das Ziel verfolgt werden, so ressourcenschonend und umweltfreundlich wie möglich zu agieren. In der hier vorgelegten Untersuchung ergibt sich mit Blick auf die untersuchten Zaunsysteme ein eindeutiges Bild: Das Hordengatter ist, über alle drei Wirkungskategorien – Ressourcenbeanspruchung, Treibhausgaspotenzial und ökotoxische Wirkungen auf Frischwasser – betrachtet, mit den geringsten Umweltwirkungen verbunden.
Bislang spielt die ökobilanzielle Bewertung bei der Entscheidung für ein Verbissschutzsystem keine wichtige Rolle. Doch mit größerer Sensibilität der Waldbesitzenden wie auch der Waldbesucherinnen und Waldbesucher ist damit zu rechnen, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Forstbetriebe achten aktuell noch mehr auf die technische Einsatzfähigkeit und Eignung eines Zaunes und auf den Preis. Auch forstliche Zertifizierungssysteme wie FSC haben einen Einfluss auf die Auswahl solcher Schutzeinrichtungen.
Um die ökologischen Aspekte von Verbissschutzmaßnahmen vollständig zu analysieren, wird diese Untersuchung im Rahmen des Projekts TheForestCleanup um Varianten des Einzelschutzes wie z. B. Wuchshüllen erweitert (Förderung: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR); FKZ 2219NR425). Eine Herausforderung ist dabei die Definition des Produktsystems, mit denen flächiger Verbissschutz und Einzelschutz in ihren ökologischen Wirkungen umfassend, aber auch aussagekräftig vergleichbar werden.