Blitzschläge sind weltweit die wichtigste natürliche Ursache von Waldbränden. Sie stellen in vielen Waldökosystemen den Haupttreiber der Bestandesdynamik und -sukzession dar. In den borealen Wäldern Nordamerikas zum Beispiel geht die Mehrheit der Brände und der abgebrannten Fläche auf Blitzschläge zurück.
In Europa ist der Anteil der durch Blitzschläge verursachten Waldbrände wegen des stärkeren menschlichen Einflusses kleiner. Im stark brandgefährdeten Mittelmeergebiet machen blitzinduzierte Brände maximal 5% der Gesamtzahl der Waldbrände aus. In den borealen Wäldern Nordeuropas beläuft sich ihr Anteil auf etwa 10%. In der Schweiz betrug der Anteil der Blitzschlagbrände in der Periode 2000 bis 2018 im Jahresdurchschnitt 12.3%, im Hochsommer (Juni, Juli und August) aber 30.5%, was durchaus mit anderen alpinen Gebieten vergleichbar ist.
Blitzschlagbrände und vom Menschen verursachte Waldbrände unterscheiden sich in den Alpen in verschiedener Hinsicht. Anthropogene Brände sind vor allem im Frühling vor dem Beginn der Vegetationsperiode am häufigsten (März bis April), wohingegen Blitzschlagbrände hauptsächlich im Hochsommer auftreten.
Blitzschlagbrände betreffen mehrheitlich Nadelwälder in steileren und höheren Lagen. Diese Brände entfachen meistens als unterirdische Schwelfeuer im Rohhumus, wobei die Verweilphase (die sogenannte Holdover-Zeit) eine bis zwei Wochen betragen kann, bevor das Feuer in die sichtbare, oberirdische Verbrennungsphase übergeht. Aufgrund ihrer Eigenschaften – unterirdische Feuerherde in abgelegenen und steilen Gebieten – ist das Löschen von Blitzschlagbränden für die Feuerwehren eine Herausforderung (Abb. 1).
Das Auftreten von durch Blitzschlag verursachten Waldbränden steht in engem Zusammenhang mit:
- der vorhandenen Vegetation (z.B. Nadelholzanteil),
- der daraus entstehenden toten Biomasse (z.B. kompakte und entzündliche Streuschicht),
- den topografischen Bedingungen (z.B. blitzanziehende Kuppenlagen)
- und insbesondere den herrschenden meteorologischen Verhältnissen (Dürreperioden bzw. fehlende Niederschläge, gefolgt von Gewittern mit Blitzeinschlägen am Boden).
Die Annahme liegt deshalb nahe, dass im Zuge des globalen Wandels und der Klimaveränderung trockenheitsinduzierte Blitzschlagbrände in Zukunft zunehmen. Wissenschaftler der Eidg. Forschungsanstalt WSL haben deshalb das durch Blitzschlag verursachte Waldbrandgeschehen in der Schweiz analysiert.
Datenquellen
In die Untersuchung wurden alle in der Waldbranddatenbank «Swissfire» verzeichneten Brände zwischen 2000 und 2018 einbezogen, die durch einen Blitzschlag verursacht worden waren (Abb. 2).
Die Aufzeichnung von Blitzen in der ganzen Schweiz für den gleichen Zeitraum stammt aus dem Netzwerk «European Cooperation for Lightning Detection » (EUCLID). Für die Studie wurden nur diejenigen Blitze berücksichtigt, die den Boden erreichten (sogenannte Erdblitze). Ihr Einschlagsort kann mittlerweile auf etwa 100 m genau bestimmt werden.
Die meteorologischen Daten stammen von Messstationen von MeteoSchweiz, die aufgrund ihrer Lage, der Blitzschlagaktivität in der Umgebung (Lage und Höhenbereich mit den meisten Blitzschlagbränden in der entsprechenden Region) und der Datenverfügbarkeit für den Untersuchungszeitraum (2000–2018) ausgewählt wurden. Insgesamt handelt es sich um 29 Stationen: 6 für die Südalpen, 10 für die Zentralalpen, 9 für die Nordalpen, 1 für das Mittelland und 3 für den Jura (Abb. 2).
Resultate
Insgesamt sind in der Waldbranddatenbank Swissfire 275 durch Blitzschlag verursachte Brandereignisse für die Periode 2000–2018 registriert. In höchster Anzahl und Dichte traten die Blitzschlagbrände in den Südalpen (Sopraceneri und Misox) auf, gefolgt von den Zentralalpen und den Nordalpen (Abb. 2 und 3). In den Zentralalpen ist dabei eine gewisse Häufung im Oberwallis (Goms) und im Bündner Rheintal um Thusis feststellbar. Ganz selten traten Blitzschlagbrände im Jura und im Mittelland auf.
Zwischen den Regionen existieren zudem kleine Unterschiede in der Verteilung der Blitzschlagbrände innerhalb des Hochsommers. Während in den Süd- und den Zentralalpen die Häufigkeit von Blitzschlagbränden vom Juni zum Juli sprunghaft anstieg, war das in den restlichen Regionen nicht der Fall (Abb. 3).
Bei 170 der 275 Brände (61%) ist der Mischungsgrad des Waldbestands bekannt. Mit einem Anteil von 77% waren reine Nadelwälder mit Abstand am häufigsten von Blitzschlagbränden betroffen. In Mischbeständen waren 7% und in reinen Laubwäldern 16% der Brände zu verzeichnen. Bei den Nadelbäumen waren hauptsächlich die Fichte und die Lärche, bei den Laubbäumen vor allem die Buche und die Edelkastanie betroffen.
Das Auftreten von Blitzschlagbränden variiert von Jahr zu Jahr stark (Abb. 4). Einige Jahre stechen sowohl durch die Anzahl als auch durch die Fläche der Brände hervor (2003, 2006), andere nur hinsichtlich der Anzahl (2015, 2018) oder der Fläche (2013). In einigen dieser Jahre gab es auch im Mittelland (2003, 2015, 2018) und/oder im Jura (2003, 2006, 2015) Blitzschlagbrände.
In all diesen Blitzschlagbrandjahren fielen im Hochsommer (Juni, Juli und August) gewisse meteorologische Parameter auf, die direkt oder indirekt mit Trockenheit verbunden sind. Diese Parameter sind die durchschnittliche maximale Temperatur (Abb. 5a) und das mittlere Dampfdruckdefizit (Abb. 5b), die beide in diesen Jahren stark erhöht waren. Auch die beiden Trockenheitsindizes SPEI und FWI schlugen deutlich aus (Abb. 5c und 5d). Weniger klar war die Beziehung zum Gesamtniederschlag, auch wenn dieser in den Blitzschlagbrandjahren eher tief war (Abb. 5e).
Kein direkter Zusammenhang zeigte sich mit der Blitzschlagdichte: Diese war in gewissen Blitzschlagbrandjahren hoch (z.B. 2003), in anderen dagegen niedrig (z.B. 2013; Abb. 5f). Die Daten über die Blitzschlagdichte in Abb. 5f müssen zudem mit Vorsicht genossen werden, da die Unterscheidung der Blitztypen (Erdblitze oder Wolkenblitze) seit 2011 dank der Inbetriebnahme zusätzlicher Messantennen eindeutig verbessert worden ist. Dies könnte zum Beispiel die seit 2011 generell tiefere Blitzschlagdichte auf der Alpensüdseite begründen.
Abb 5: Ausgewählte Meteoparameter und abgeleitete Indizes im Hochsommer (Juni, Juli, August) der Jahre 2000 bis 2018 in den biogeografischen Regionen. a) mittlere maximale Temperatur, b) Dampfdruckdefizit, c) SPEI-1 Monat (monatlicher Standardized Precipitation- Evapotranspiration Index), d) mittlerer FWI (Canadian Fire Weather Index), e) Gesamtniederschlag und f) Blitzschlagdichte. Die Angaben widerspiegeln den Mittelwert der pro Region genutzten Wetterstationen. In den Abbildungen sind die Blitzschlagbrandjahre 2003, 2006, 2013, 2015 und 2018 mit vertikalen Strichen markiert.
Der Zusammenhang zwischen der Sommertrockenheit und dem durch Blitzschläge verursachten Waldbrandgeschehen wird erst richtig deutlich, wenn man ausgewählte meteorologische Grössen mit der Anzahl Brände oder mit der Brandfläche der jeweiligen Jahre in den verschiedenen Alpenregionen (Nord-, Zentral- und Südalpen; Tab. 1) oder im ganzen Alpenraum (Tab. 1, Abb. 6) korreliert. Die Anzahl Brände zeigt eine sehr starke Korrelation sowohl mit dem Dampfdruckdefizit als auch mit dem Canadian Fire Weather Index (FWI). Die Korrelation mit der Brandfläche ist etwas schwächer, aber auch hoch. Alle vier Kurven steigen dabei exponentiell an und zeigen, dass die Anzahl und vor allem die Fläche der Waldbrände umso stärker zunehmen, je trockener der Sommer ist. Der extreme Sommer 2003 hat eine grosse Hebelwirkung beim Verlauf der Kurven zur Anzahl der Brände.
Fazit
Blitzschlagbrände entstehen fast ausschliesslich in gebirgigem Gelände. In der Schweiz entspricht dies vor allem steilen und kuppierten Gebieten der Süd- und der Zentralalpen, wo die blitzanziehenden und stark zur Austrocknung neigenden Nadelbäume dominieren. Wegen der lokalen thermo-orografischen Luftkonvektion treten in solchen Lagen häufig Hitzegewitter auf. Das Fehlen eines starken orografischen Gradienten könnte die geringe Anzahl Blitzschlagbrände im Mittelland und zum Teil auch im Jura erklären.
Aus der von Jahr zu Jahr stark schwankenden Zahl der Blitzschlagbrände wird ersichtlich, dass anhaltende Sommertrockenheit bei Weitem der wichtigste auslösende Faktor für solche Waldbrände ist. Wie für die borealen Wälder im Westen Nordamerikas kann auch für die Schweizer Alpen mit einfachen dürrebezogenen Parametern wie dem Dampfdruckdefizit ein grosser Teil der jährlichen Variabilität im Blitzschlagbrandgeschehen erklärt werden. Bei zunehmender Trockenheit steigt die Anzahl und vor allem die Fläche von Blitzschlagbränden exponentiell an. Nur bei hoher oder extremer Sommertrockenheit ereignen sich Blitzschlagbrände auch im Jura und im Mittelland.
Trockenperioden mit vielen Blitzschlagbränden sind für die Alpen nichts Neues: Solche gab es im letzten Jahrhundert zum Beispiel:
- im Tessin in den Jahren 1976 und 1990 (Anzahl und Brandfläche) sowie 1991 (nur Anzahl Brände)
- in Graubünden in den Jahren 1983 (eher Brandfläche) und 1984 (Anzahl Brände)
- im Wallis in den Jahren 1976 und 1993 (Anzahl Brände)
Ob eher die Anzahl Brände (z.B. Hochsommer 2003, 2006, 2015 und 2018) oder die Brandfläche (2003, 2006, 2013) in die Höhe schnellt, hängt wahrscheinlich vom Zeitpunkt sowie von der Dauer, der Ausprägung und der räumlichen Ausdehnung (z.B. alpenübergreifend) der Trockenheit ab. Auf jeden Fall tragen die Häufigkeit und die Ausprägung von Sommertrockenheit zur Erklärung des Süd-Nord-Gradienten in der Häufigkeit von Blitzschlagbränden in den Alpen bei.
Aufgrund der dargestellten Resultate darf man annehmen, dass die im Rahmen der Klimaveränderung prognostizierte Häufung von mit hohen Temperaturen gekoppelten Trockenperioden im Sommer die Gefahr von Blitzschlagbränden im Schweizer Alpenraum deutlich erhöht und dass auch der Jura und das Mittelland in solchen Perioden von Blitzschlagbränden betroffen sein können.
(TR)