Ein sehr ungünstiger Zeitpunkt. Montag der 25. Oktober 2021 ist ein Fenstertag. Forstmeister Peter Lepkowicz vom Forstbetrieb der Stadt Wien ist bei sich zu Hause in Nasswald, als ihn aus dem Büro in Hirschwang jemand anruft und sagt: „Am Schneeberg gegenüber brennt es.“ Dann ging es schnell: Rein in das Auto und rüber nach Hirschwang. Eine Rauchsäule steigt im Hang des Mittagstein auf. Die Feuerwehr und die Polizei werden verständigt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forstverwaltung angerufen. Bereits nach wenigen Minuten sind die ersten Einsatzkräfte vor Ort.
Von Hirschwang gibt es einen unmarkierten Wanderweg rauf zum Mittagstein, der Bergrücken ist Teil des Schneebergmassivs. Auf halber Höhe des Steigs auf einem Plateau wurde das Feuer gemacht. Bis dorthin schafften es die ersten Feuertrupps gar nicht mehr, da durch die enorme Hitze Steine, später auch Felsstücke, regelrecht rausgesprengt wurden. Nach den ersten zehn Stunden Einsatz war klar: „Wir müssen größer denken“, erzählt Lepkowicz. Der Wetterbericht für die nächsten sechs Tage lautete Ostwind, verbunden mit Föhn. Lepkowicz: „Das bedeutete für uns, dass das Feuer sich in das Höllental ausbreiten könnte. Dort ist das Gelände überhaupt nicht begehbar und keine Erschließung mit Forststraßen vorhanden.“
Funkenflug auf die Rax verhindern
Ziel in den ersten Tagen war es, dass Überspringen des Feuers auf das Raxgebiet und in das Höllental hinein zu vermeiden. In kürzester Zeit wurden im Tal Zelte aufgebaut, Hubschrauber und Flächenflugzeuge angefordert und die Höllental-Bundesstraße gesperrt. Großtanklöschfahrzeuge pendelten zwischen Mittagstein (Feuchterplateau) und den Wasserentnahmestellen hin und her. Vier Brandschneisen wurden am Rand zum Plateau, westlich und östlich und zum Tal (Siedlungsgebiet) errichtet. Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen versuchten, die Vegetation vor der Feuerfront ausreichend zu durchfeuchten. Der Wind drehte sich unerwartet und das Feuer breitete sich Richtung Osten aus.
Das betroffene Gebiet ist ein Südhang auf Karbonatgestein, bestockt mit einem offenen Kiefernwald mit Grasunterwuchs. Zwei Faktoren verschärften in diesem steilen Gelände die Situation: Starker, hangaufwärts gerichteter Wind führt durch den Düseneffekt und Hitzekonvektion zu einer raschen Brandausbreitung in Richtung Berggipfel. Noch entscheidender war das Hinunterrollen brennender Baumteile oder glimmender Nadelkissen. „Deshalb haben wir auch Querfällungen durchgeführt, damit die brennenden Elemente aufgefangen werden können“, erläutert Peter Lepkowicz. Das Feuer wurde aus der Luft bekämpft, entscheidend mitgeholfen hat nach einer Woche ein Temperatursturz mit Regen und Schneefall.
„Brand aus“ erst Ende November
Nach 13 Einsatztagen, am 6. November 2021, ist vorläufig „Brand aus” gegeben worden, am 30. November 2021 dann das endgültige. Im Brandgebiet gab es vereinzelt Bereiche, in denen Gruppen an Schwarzkiefern verbrannt sind, also Kronenfeuer aufgetreten ist, dies jedoch nur im oberen, an das felsige Steilgelände angrenzende Gebiet. Weiter herunten hat es sich um ein Bodenfeuer gehandelt, was bedeutet, dass in erster Linie die trockene Nadelstreu, Laub und Gras verbrannt sind. Speziell die hauptsächlich betroffene Schwarzkiefer kommt mit Bodenfeuern besser zurecht als die Buche.
Brandgeruch und Verkohltes
Abb. 3: Die traurigen Überreste einer verbrannten Kiefer schauen wie ein abstraktes Kunstwerk in der Landschaft aus. Foto: Marianne Schreck (BFW)
Ende April 2022, fünf Monate nach dem Brand, findet eine Begehung mit dem Forstmeister Lepkowicz statt. Bei der Abzweigung von der Forststraße auf den Steig wird mit einer Tafel auf das forstliche Sperrgebiet hingewiesen. Es beginnt der Anstieg, nach zwei Minuten tauchen die ersten verkohlten Baumstämme auf, Brandgeruch liegt in der Luft. „Am meisten tut mir weh, dass auf der Hälfte der betroffenen Waldfläche die Verjüngung verbrannt ist“, sagt Lepkowicz und zeigt auf einzelne kleinere Bergahörner, die verkohlt sind. Das bedeutet in diesem Standortsschutzwald einen Verlust von Jahrzehnten. Der Forstbetrieb der Stadt Wien hat im Herbst 2021 und im Frühjahr 2022 bereits mit Aufforstungen in stark betroffenen Bereichen begonnen, vorwiegend mit Sträuchern, beispielsweise mit Hartriegel, Felsenbirne und Liguster.
Gebiet Mittagstein gesperrt
Aufgrund des Waldbrandes ist das ganze Gebiet großräumig gesperrt. Die durch das Feuer entstandenen Schäden haben den Wegen und auch dem Fels zugesetzt und daher ist das Gebiet für längere Zeit nicht betretbar (forstliches Sperrgebiet bis Ende 2024). Der Fels muss untersucht werden, um die Steinschlaggefahr, die durch das Feuer erhöht wurde, einschätzen zu können. Auch wird der Wald wieder aufgeforstet und die Wege, die teilweise zerstört wurden, müssen wieder instandgesetzt werden.
Beim Weitergehen sieht man Buchen, deren Rinde durch die starke Hitze aufgeplatzt ist, Schwarzkiefern, deren Wurzelansätze verkohlt sind, und quergeschlägerte, abgestorbene Bäume, die eine starke Bodenerosion verhindern sollen. Gräser und einzelne Pflanzen treiben bereits aus, die Zeit wird zeigen, welche Bäume überlebt haben. In den Bereichen mit Kronenbrand stehen verkohlte Kiefernstämme: schwarz glänzend in der Sonne.
Beim Abstieg kommen wir auch an der Stelle vorbei, an der das Feuer seinen Ausgangspunkt hatte. Etwa 85 % aller Brände im Alpenraum werden durch den Menschen ausgelöst. Hauptursachen sind weggeworfene Zigaretten, außer Kontrolle geratene Brände, Funkenflug durch Züge oder bei Arbeiten im Freien, Brandstiftung, heiße Asche sowie gerissene Stromleitungen. Rund 15 % der Waldbrände in den Alpen werden durch Blitzschläge ausgelöst. Als eine Folge des Brandes hat der Forstbetrieb eine Machbarkeitsstudie beauftragt, ob mit Drohnen, die mit einer Wärmebildkamera ausgerüstet sind, illegale Lagerfeuer früher erkannt werden können. Das Ausfinden der Täter*innen gestaltet sich schwierig.
Abb. 4: Auch Drohnen und Wärmebildkamera waren in Verwendung. Foto: Stadt Wien
Eine maßgebliche Erleichterung hierzu – die Handydatenauswertung – wurde vorerst seitens der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Zwei Tage vor Ablauf der sechsmonatigen Frist wurde ihr doch stattgegeben. Die Ermittlungen laufen. Lepkowicz dazu: „Wesentlich in diesem Zusammenhang ist, dass es der Stadt Wien bei der Ausforschung nicht um eine Wiedergutmachung geht, was bei einer Schadenssumme von mehr als 30 Millionen Euro auch schwierig wäre, sondern um eine wesentliche Präventivmaßnahme, damit künftig Waldnutzer*innen von fahrlässiger oder vorsätzlicher Brandstiftung abgehalten werden können. Nicht zu vergessen sind auch 14 verletzte Einsatzkräfte. Ein Blick zurück und Peter Lepkowicz meint: „Wir hatten auch Glück.“
Waldbrand in Zahlen
Seitens der Feuerwehr wurden 186.072 Einsatzstunden geleistet. An Ort und Stelle waren außerdem 1355 Fahrzeuge. 33 Katastrophenhilfsdienst-Züge brachten es mit knapp 3000 Leuten auf 71.928 Einsatzstunden. Italien entsandte zwei Canadair-Maschinen des Typs CL-415. Aus Deutschland kamen zwei Spezialhubschrauber und aus der Slowakei eine Maschine vom Fabrikat Mil Mi-17. Die über dem Rax-Schneeberg-Gebiet abgeworfene Wassermenge belief sich auf etwa fünf Millionen Liter.