Kurzer Überblick
Bei ausreichender Vitalität der Hainbuche bleibt ein Risiko für Infektionen und Schäden durch diese Pilze gering
Beide Pathogene treten in Baden-Württemberg momentan nur lokal und nicht epidemisch in Erscheinung
Bestandessituationen, die aufgrund des Klimawandels verstärkten Stress durch Hitze und Trockenheit erfahren, lassen ein erhöhtes Befallsrisiko erwarten
Sanitärhiebe zur Senkung des Infektionsdrucks im Bestand erscheinen bisher aus phytosanitärer Sicht nicht angebracht
- Hiebe zur Verkehrssicherung können nötig sein, sobald sich Hinweise auf Bruchgefahr und verminderte Standsicherheit ergeben
Die Hainbuche – stressbedingt auch mal krank!
Aufgrund ihrer Toleranz gegenüber Wärme, Trockenheit und Frost findet die Hainbuche oft Verwendung als Baumart an Waldrändern, als Nebenbaumart in Waldbeständen sowie als genügsame Spezies im urbanen Bereich (Türk, 1996). Im Kontext des Klimawandels wird sie als alternative Baumart auf schlecht wasserversorgten und hitzegeprägten Standorten diskutiert. Sie kann aufgrund ihrer breiten ökologischen Amplitude zur Diversität und Stabilität des Waldes beitragen. Sie besitzt eine gewisse Toleranz gegenüber Schäden durch Sturm, Trockenheit und Insektenbefall. Letzterer erfolgt lediglich in geringem Maße (Redaktion FVA, 2021). Dennoch mehren sich jüngst Schadensmeldungen für die Hainbuche im Zusammenhang mit Pilzerkrankungen.
Nach den überdurchschnittlich trockenen und warmen Jahren in Folge seit spätestens 2018, wird in jüngster Zeit ein vermehrtes Absterben von Hainbuchen ab einem Stammdurchmesser von etwa 20 cm beobachtet. In den meisten Fällen handelt es sich um exponierte Bäume an Waldrändern oder im Siedlungsbereich (Cech 2019; Muser & Burgdorf, 2022). Jedoch sind auch im Bestandesinneren einzelne Befallsherde zu verzeichnen. Ein Zusammenhang von Trocken- und Hitzestress mit eingehender Vorschwächung des Baumes und dem Auftreten neuartiger Pilzschäden im Rindenbereich scheint wahrscheinlich.
In Folge von schadauslösendem abiotischen Stress durch Hitze und Dürre treten schadverstärkend neben saprophtischen Pilzen, die abgestorbenes Pflanzengewebe besiedeln, insbesondere zwei Schwächeparasiten an Hainbuche auffällig in Erscheinung: Im Folgenden werden die beiden auffälligsten Rindenpathogene, die häufig auch gemeinsam an erkrankten Bäumen auftreten, Anthostoma decipiens (Hainbuchensterben) und Cryphonectria carpinicola (Rindenkrebs der Hainbuche), vorgestellt.
Hainbuchensterben
Erreger: Anthostoma decipiens
Nebenfruchtform: Cytospora decipiens
Der Erreger Anthostoma decipiens ist schon seit über 100 Jahren als Totholzzersetzer bekannt und trat als Krankheitserreger im Zusammenhang mit dem Hainbuchensterben erstmals Mitte der 1980er Jahren in Norditalien auf (Cech, 2019; Muser & Burgdorf, 2022). Inzwischen konnte das Rindenpathogen mit lokalen Schwerpunkten auch im ganzen deutschsprachigen Raum nachgewiesen werden (Express-PRA, 2019). Die Erkrankung wird in der Literatur auch unter den Begriffen “Hainbuchenrindensterben”, “Rindennekrosen-Krankheit” bzw. “Cryptospora-Krebs” beschrieben. Im Rahmen von Infektionsversuchen an Laubbaumarten mit taxonomischen oder ökologischen Bezügen zur Hainbuche (Hänge-Birke, Esskastanie, Haselnuss, Rotbuche, Hopfenbuche, Schwarz-Erle, Stieleiche) wurde festgestellt, dass A. decipiens an diesen getesteten Baumarten Rindenläsionen verursachen kann (Saracchi et al., 2015). Dies lässt den Schluss zu, dass dieser Pilz ein potenziell gefährliches Pathogen ist, welches auch Baumarten befallen kann, die sich mit der Hainbuche das gleiche Ökosystem teilen.
In der Hauptfruchtform tritt der Pilz in Form schwarzer Sporenlager an nekrotischen Rindenbereichen auf. Von diesem Entwicklungsstadium lehnt sich der deutsche Namen “Geschnäbelter Kugelpilz” ab. Die wesentlich auffälligere Nebenfruchtform (Cytospora decipiens) fällt bereits früh an Rindenläsionen mit roten bis rot-orangefarbenen Sporenmassen auf (Abb. 1). Im frischen Zustand sind diese klumpig-gallertartig bis pastös; später eingetrocknet, dann hart und glasig erscheinend.
Das Vorkommen von A. decipiens scheint begünstigt auf gesonderten Standorten wie sonnige, warme Waldränder und exponierte Lagen, entlang von Wegen und im städtischen Bereich. Schadauslösende Faktoren sind zumeist Hitze- und Trockenstress in der Vegetationsperiode (Abb. 2). Es ist anzunehmen, dass anthropogen bedingte Einflüsse wie Baumaßnahmen an Wegstandorten, einhergehend mit Wurzelverletzungen oder drastische Veränderungen in der Wasserversorgung zudem einen Einfluss auf die Disposition gegenüber der Krankheit haben können.
Rindenkrebs der Hainbuche
Erreger: Cryphonectria carpinicola
Nebenfruchtform: Endothiella carpinicola
Die auf die Baumgattung Carpinus spezialisierte 2021 neu beschriebene Cryphonectria-Art Cryphonectria carpinicola stammt mutmaßlich aus Japan, da bisher nur dort die Hauptfruchtform nachgewiesen wurde (Cornejo et al., 2021; EPPO Alert List, 2024). Es ist unsicher, wann dieser Pilz in Deutschland angekommen ist, denn die Krankheit ist aufgrund der durch abiotische Stressfaktoren erhöhten Krankheitsanfälligkeit der Hainbuche erst seit wenigen Jahren augenfällig. C. carpinicola hat ein vergleichsweise engeres Wirtsspektrum als Anthostoma decipiens und wird als weniger aggressiv eingestuft. Der Erreger des Kastanienrindenkrebses (Cryphonectria parasitica) und die mediterrane Art C. radicalis sind mit C. carpinicola verwandt und Pathogene ihrer jeweiligen Wirtsbaumarten Kastanie, Eiche und Hainbuche. Auf Standorten, an denen A. decipiens und C. carpinicola an Hainbuche vorkommen, tritt an Ahorn oftmals auch die Rußrindenkrankheit (Cryptostroma corticale) in Erscheinung. Diese Erkrankung wird ebenfalls durch schadauslösende Faktoren wie Hitze in Verbindung mit Trockenheit gefördert.
Der Erreger tritt in Europa bisher nur in seiner Nebenfruchtform Endothiellacarpinicola an Rinde in Erscheinung (Abb. 3). Die Symptome ähneln den Krankheitserscheinungen von A. decipiens. Beide Erreger können zeitgleich am selben Baum gemeinsam vorkommen. Die intensiv orangefarbenen Sporenranken von E. carpinicola werden von in der Rinde eingelassenen Fruchtkörpern gebildet, welche oft in längs mäandrierenden bänderartigen Gruppen ausgebildet sind. Diesem Pilz wird eine geringere Virulenz im Vergleich zu A. decipiens bescheinigt, so dass er vermutlich in einem geringeren Maße Rindennekrosen auslösen wird.
Infektion und Krankheitsverlauf
Beide Pilze unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, eine Krankheit zu verursachen. Eine herabgesetzte Abwehrkraft von Bäumen wird als entscheidender Faktor für die Entstehung einer Krankheit durch diese Pilze erachtet.
Beide Pathogene lassen sich sowohl als Wund- als auch Schwächeparasiten einordnen. Anfangs dienen den Pilzen Risse und offene Verletzungen des Rindengewebes als Eintrittsstellen. Das Krankheitsbild zeigt sich mit schütterer Belaubung, Absterben von Zweigen, Ästen, Kronenteilen und Rindenverletzungen am Stamm und stärkeren Ästen, die meist in Längsrichtung spindelförmig bis großflächig verlaufen. Befallene Rindenbereiche zeigen einen scharfen Übergang zum gesunden Gewebe (Cech, 2019). Ein Befall kann zum Absterben betroffener Baumpartien bis hin zum Baumtod führen. Dabei hängt die Geschwindigkeit des Krankheitsverlaufes und ein Fortschreiten der Schädigung auch von der Schwere des Befalles, der Prädisposition des Baumes und dem Ausmaß an Infektionen durch weitere Pathogene ab (Abb. 4). Der Krankheitsverlauf entwickelt sich in Abhängigkeit von den Wachstumsbedingungen für die Pilze meist schleppend, eher schleichend über mehrere Jahre hinweg oder, in Kombination mit weiteren Faktoren wie bspw. sich wiederholende Dürreperioden, auch rasanter.
Im Zusammenhang mit den Rindenläsionen treten an befallenen Hainbuchen auch Brutbilder des Hainbuchensplintkäfers (Scolytus carpini) und des Kleinen Holzbohrers (Xyleborus saxeseni) auf. Die Frage, ob diese Borkenkäfer, Bockkäfer (Leiopus sp.) oder Prachtkäfer (Agrilus olivicolor) als Wegbereiter für diese Pilze fungieren, indem sie mittels Ein- und Ausbohrlöcher Eintrittspforten schaffen oder mit Sporen behaftet als Vektoren für eine erfolgreiche Infektion sorgen können, bleibt hier offen. Außerdem ist für Anthostoma decipiens eine Weißfäule dokumentiert, welche von der Rinde aus keilförmig Richtung Kern vordringen kann (Muser & Burgdorf, 2022), wohingegen Cryphonectria carpinicola als klassisches Rindenpathogen im Gewebe verbleibt, ohne nenneswert selbst auf das Holzgewebe überzugreifen.