Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) im Wald ist grundsätzlich verboten, aber es gibt Ausnahmen: vor allem Stämme, die in Holzpoltern und an Waldwegen lagern, werden behandelt, um sie vor Insektenfrass zu schützen. Das sensible Ökosystem Wald soll aber nicht unnötig belastet werden. Hier dient ein vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) erstellter Leitfaden der Praxis als Nachschlagewerk und hilft, richtige Entscheidungen zu treffen. Ausserdem kommt er in der Ausbildung als Lehrmaterial zum Einsatz.
Grundsätzlich dürfen im Schweizer Wald keine umweltgefährdenden Stoffe eingesetzt werden. Hierunter fallen auch die Pflanzenschutzmittel.
Vor dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gilt es, die Alternativen dazu zu prüfen. Das BAFU hat hierzu eine Studie in Auftrag gegeben, die verschiedene Alternativen darstellt und bewertet (Studie der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften: "Prüfung von Alternativen zu Pflanzenschutzmitteln im Wald", siehe unter "weiterführende Informationen -> Dokumente"). Möglichkeiten wären die zügige Abfuhr aus dem Wald zur Weiterverarbeitung im Sägewerk, das Entrinden oder die Lagerung ausserhalb des Waldes.
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald nur ausnahmsweise
Wenn nichts anderes mehr funktioniert und keine Massnahmen mehr greifen, die die Umwelt weniger belasten, dann können in gewissen Situationen Ausnahmebewilligungen von diesem grundsätzlichen Verbot erteilt werden. Diese Ausnahmen werden in der Regel von den kantonalen Waldschutzbeauftragten genehmigt. Die Ausnahmen sind in der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV, Anhang 2.5) genau geregelt. Dazu gehören:
- zur Behandlung von Holz, von dem nach Naturereignissen Waldschäden ausgehen könnten und gegen Erreger von Waldschäden
- für die Behandlung von geschlagenem Holz mit Insektiziden
- in forstlichen Pflanzgärten
- zur Prävention von Wildschäden
Ausserdem noch wichtig zu wissen: Im Wald dürfen nur solche Pflanzenschutzmittel verwendet werden, die für den jeweiligen Einsatzzweck und für den Wald zugelassen sind (Liste mit den für den Wald zugelassenen PSM). Diese Zulassung erteilt nach ausführlicher Überprüfung der Bund. Die wichtigsten PSM im Wald sind die Insektizide, vor allem gegen holzschädigende Käfer, und Wildabhaltemittel. Als Fungizid darf nur ein Mittel zur Behandlung von Fichtenstrünken eingesetzt werden. Wundverschlussmittel und Herbizide sind gänzlich tabu im Wald.
Die Anwendung muss fachgerecht erfolgen, damit die Umwelt so wenig wie möglich belastet wird. Hierzu muss die richtige Dosierung verwendet werden, aber auch das Wetter und die Ausbringungsmethode sind wichtige Bausteine. Wesentlich ist ausserdem ein ausreichender Abstand zwischen dem behandelten Polter und den Oberflächengewässern. Für Grundwasserschutzzonen gelten nochmal besonders strenge Vorschriften.
Fachliches Wissen ist ein Muss: Ausbildung und Leitfaden
Um das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln fachgerecht durchführen zu können, muss vorgängig eine Ausbildung absolviert werden. Dies schreibt das Gesetz vor. Vermittelt werden neben praktischen Know-Hows auch die nötigen Grundlagen in Ökologie, Toxikologie und den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Nur mit der dann erlangten Fachbewilligung Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Wald (VFB-W) darf man Pflanzenschutzmittel im Wald anwenden.
Die Krankheitsbilder an Bäumen sind vielfältig, alternative Bekämpfungen von wirtschaftlichen Schädlingen nicht immer einfach zu beurteilen. Hier hat das BAFU mit dem vorliegenden Leitfaden eine Lücke geschlossen: neben ökologischen Grundkenntnissen sowie Grundsätzen zur Schadensvorbeugung und Schadensbekämpfung werden die wichtigsten wirtschaftlichen Schädlinge (Pilze, Insekten) im Wald beschrieben. Die vermittelten Sachkenntnisse und praktischen Handlungsanweisungen richten sich an die Anwärter*innen für die Fachbewilligung PSM im Wald als Vorbereitung für ihre Prüfung. Darüber hinaus aber soll der Leitfaden auch als Nachschlagewerk für Praktiker*innen und Anwender*innen dienen, um die Arbeit bei einem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald sicher und umweltgerecht durchzuführen. Der Leitfaden soll zu einem zeitgemässen und umweltverträglichen Pflanzenschutz im Wald beitragen und helfen, die Gefährdung von Umwelt und Gesundheit möglichst gering zu halten.
Die wichtigsten Pflanzenschutzmittel
1. Insektizide
Insektizide bewirken den Tod von Insekten, indem sie irgendein Organ oder eine Stoffwechselfunktion im Körper stören. Die Wirkung von insektenvernichtenden, gefährlichen Stoffen ist aber nicht auf wirtschaftsschädliche Insekten beschränkt. So sind die Wirkstoffe für alle Insekten, die mit dem Mittel in Kontakt kommen schädlich. Deshalb sollten Insektizide dann ausgebracht werden, wenn z.B. Bienen und Nutzinsekten nicht fliegen. Viele der zugelassenen Mittel sind sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung. Hier ist es wichtig, dass genügend Abstand vom Spritzort zu Oberflächengewässern eingehalten wird.
Das Ausmass der Gefährdung ist von Produkt zu Produkt unterschiedlich. Einige Wirkstoffe haben ihre Zulassung verloren, weil sie zu umweltgefährlich waren, andere sind in Überprüfung. Insektizide, vor allem gegen holzbewohnende Käfer, die den Wert des Holzes vermindern, sind die hauptsächlich im Wald verwendeten PSM. Wenn von PSM im Wald die Rede ist, so geht es also meist um die Anwendung von Insektiziden auf liegendes Rundholz am Waldrand oder auf dafür vorgesehenen Lagerplätzen.
2. Fungizide (Pilzgifte)
Derzeit sind keinerlei Fungizide für den Wald zugelassen. Nur in den wenigen noch existierenden forstlichen Pflanzgärten im Wald dürfen einige Fungizide verwendet werden und haben bei der Bekämpfung von Krankheiten eine gewisse Bedeutung.
3. Herbizide (Unkrautbekämpfungsmittel)
Die Herbizide sollen störende Pflanzen abtöten und wirken über die Blätter und / oder über die Wurzeln. Viele der Herbizid-Wirkstoffe sind ausserordentlich giftig und schwer abbaubar (-> Gefährdung von Grundwasser, Oberflächengewässer und Böden).
Ein grosses Problem der chemischen Unkrautbekämpfung ist das Verschwinden jeglicher Bodenbedeckung. Ohne Krautschicht sind die Lebensgrundlagen von vielen Nützlingen nicht vorhanden, was nachgewiesenermassen in vielen Kulturen zu einer Verschärfung der übrigen Schädlingsprobleme führt.
Viele gute Gründe also, weshalb heute keine Herbizide für den Wald zugelassen sind. Einzige Ausnahme sind Pflanzgärten, die im Wald liegen, welche aber in der Realität kaum noch existieren.
4. Wildabhaltemittel
Die Wildschadenverhütungsmittel enthalten keine abtötenden oder direkt giftigen Wirkstoffe. Die Wirkung beruht auf penetrantem Geruch, der Wild und Nagetiere abstossen soll.
Über die Umweltverträglichkeit von Wildabhaltemitteln und ihre Wirkstoffe ist wenig bekannt. Eine vernünftige Regulierung der Wildbestände macht den oftmals aufwendigen und teuren Einsatz von Wildhaltemitteln überflüssig.
5. Wundverschlussmittel
Die Wirkung von Wundverschlussmitteln (Schutz vor Pilzbefall) ist heute sehr umstritten. In der Regel ist eine sofortige und sorgfältige Behandlung der Wunde nicht möglich, sodass eine Pilzinfektion nicht mehr zu verhindern ist. Grössere Wunden (über ca. 10 cm Durchmesser) führen sehr häufig zu Fäulen und erheblichen Wertverlusten. Verletzungen an Bäumen sollte man deshalb möglichst vermeiden. Derzeit ist nur ein Mittel zugelassen für die Behandlung von Fichtenstrünken gegen die Ausbreitung der Rotfäule.
Lockstoffe (Pheromone)
Die Borkenkäfer-Lockstoffe sind künstlich hergestellte Substanzen, die in ihrem Aufbau den natürlichen Lockstoffen der Borkenkäfer entsprechen. Die Käfer senden diese Lockstoffe (= Versammlungslockstoffe) aus, wenn sie einen geschwächten Baum gefunden haben. Damit lenken sie ihre Artgenossen auf den günstigen Brutplatz hin. Es handelt sich nicht um Sexuallockstoffe. Da die käuflichen Lockstoffe Imitationen der natürlichen sind, dürften sie bezüglich Umweltverträglichkeit keine Probleme stellen.
Bedenklich ist der Einsatz von Pheromonen lediglich dann, wenn die Falle nicht am richtigen Ort aufgestellt ist und damit kontraproduktiv wirkt (Anlocken der Käfer aus weiter Distanz, zu geringer Abstand zwischen Falle und Fangbäumen). Auch spezialisierte Feinde von Borkenkäfern gehen oft in Lockstofffallen.
Neu müssen Pheromone nicht mehr als Pflanzenschutzmittelzugelassen werden, sondern gelten als Zubereitungen. Eine Anmeldung bei der Chemikalien-Anmeldestelle ist aber dennoch unabdingbar. Diese Regelung gilt aber nur für den Fall, dass die Pheromone zu Monitoringzwecken eingesetzt werden. Anders wäre es, wenn Pheromone zur Bekämpfung eingesetzt würden. Dies wird aber in der Schweiz nicht empfohlen und im Wald auch nicht angewendet.
Aktelles zu Pflanzenschutzmitteln im Wald
Durch den vom Bundesrat im Jahr 2017 verabschiedeten Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist einiges in Bewegung geraten. So werden u.a. die Verordnungen der Landwirtschaft und des Gartenbaus (VFB-L), der Waldwirtschaft (VFB-W) und der Speziellen Bereiche (VFB-SB) angepasst.
Hervorzuheben hierbei ist die geplante Einführung einer Weiterbildungspflicht für alle Anwender*innen für Pflanzenschutzmittel. Die bisher geltende Regel, dass gewisse Ausbildungen automatisch eine Fachbewilligung bewirkten, weil die entsprechenden nötigen Kenntnisse im Laufe der Ausbildungszeit vermittelt und geprüft wurden, wird ausser Kraft gesetzt. Neu muss jeder und jede eine separate Prüfung ablegen, die sowohl einen theoretischen als auch neu einen praktischen Teil vorsieht. Inhaltlich wird ein Schwerpunkt auf die Minimierung von Umweltgefahren und die nachhaltigen Alternativen zu Pflanzenschutzmitteln gesetzt. Noch dauert es, bis die Verordnungen in trockenen Tüchern sind.
Doch unabhängig davon ist in vielen Kantonen schon einiges gelaufen zum Thema Pflanzenschutzmittel: Sensibilisierung, bessere Zulassungsverfahren, Förderung von Alternativen, bis hin zum Verbot von Pflanzenschutzmitteln im Wald. Das ist eine erfreuliche Entwicklung.