Das bis zu 2,5 Meter große Indische Springkraut (Impatiens glandulifera) schleudert seine schwimmfähigen Samen explosionsartig über eine Entfernung von bis zu sieben Metern. Kinder freuen sich, wenn sie diese Reaktion auslösen können. Imker wissen die Pollen- und Nektarproduktion zu schätzen. Die dekorativen rosafarbenen Blüten haben bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Import und Anbau in europäischen Gärten geführt und der Pflanze den Namen "Orchidee des armen Mannes" eingebracht.
Die Schöne ist ein Biest
Ganz anders stehen Naturschützer und Waldbauer dieser Art gegenüber: das Indische Springkraut zählt zu den 100 invasivsten, nichtheimischen Arten Europas. Eine wesentliche Sorge bereitet dabei die Entstehung von Naturhybriden in der heimischen Flora. Besonders entlang von Fließgewässern verdrängt das Springkraut die standortgerechte heimische Ufervegetation, die die Böschungen besser stabilisiert als der Einwanderer mit seinem nur faustgroßen Wurzelballen. Zudem bieten die zahlreichen angestammten Arten den Tieren mehr Lebensraum. Daher wird die Pflanze vielerorts von "Bach-Patenschaften" mechanisch bekämpft.
Neben den Uferhabitaten fühlt sich die "Orchidee des armen Mannes" aber auch in aufgelockerten Waldstrukturen wohl. Hier wird eine verdämmende Wirkung auf das Ankommen und die weitere Entwicklung der Waldbäume befürchtet.
"Wohlfühlbereich" des Springkrautes
Das Springkraut ist eine einjährige Pflanze, die als Samen im Boden überwintert, und dort auch länger als ein Jahr überdauern kann. Sie kann sogar in üppiger Konkurrenzvegetation (z.B. Brennnessel) keimen. Seine Heimat liegt im westlichen Himalaya, wo es in Höhenlagen von 1.800 bis 3.000 Metern wächst. Dort ist es auf lichten, nur schwach beschatteten Standorten zu finden. Es bevorzugt feuchte bis nasse, nährstoffreiche, saure bis alkalische Böden mit hoch anstehendem Grundwasser bzw. Plätze mit einer hohen Luftfeuchtigkeit. Offensichtlich sagen ihm Auenstandorte besonders zu. Für Insekten ist es sehr attraktiv. Die Samen werden vom Menschen und vom Wasser über größere Distanzen verfrachtet.
Der erste Frost bringt die Pflanze zum Absterben. Aber auch Wassermangel kann ihre Konkurrenzkraft deutlich schwächen. Das Indische Springkraut wird derzeit nur mechanisch bekämpft. Biotische Gegenspieler und Herbizide werden nicht eingesetzt.
Wachsen lassen? Abmähen? Ausreißen?
Aus forstlicher Sicht stehen zwei Fragen im Vordergrund:
- Schränkt das Indische Springkraut das Wachstum der zu verjüngenden Bäume ein?
- Lassen sich die Überlebensraten bzw. die Entwicklung der Verjüngungspflanzen mit mechanischen Bekämpfungsmaßnahmen positiv beeinflussen?
Tab. 1: Eckdaten der angelegten Versuchsflächen | ||
Irschenberg (Birke) | Wasserburg (Fichte, Weißtanne) | |
Jahresdurchschnittstemperatur | 7,4 °C | 8,4 °C |
Niederschlag in der Vegetationszeit | 880 mm | 703 mm |
Mitteltemperatur im Juli | 16,7 °C | 17,6 °C |
Mitteltemperatur im Januar | - 1,3 °C | - 1,1 °C |
Anzahl der Vegetationstage (Tagesmitteltemperatur > 5,0 °C) | 218 | 228 |
Standortseinheiten | mäßig frischer bis frischer Lehm | mäßig frischer bis frischer, steinig sandiger Lehm |
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, wurden zwei Versuchsflächen angelegt (vgl. Tab.1), die in den Jahren 2005, 2006, 2007 und 2008 an beiden Standorten mit jeweils drei Varianten behandelt wurden:
- Mahd mit Sichel auf Kniehöhe (Juli)
- Ausreißen der gesamten Pflanze (Juli)
- Kontrolle (keine Maßnahmen)
Zu Versuchsbeginn hatte sich das Springkraut auf beiden Standorten etabliert. Am Irschenberg steht die Reaktion der Birkennaturverjüngung in Wasserburg die gepflanzter Fichten und Weißtannen im Fokus. Jährlich wurden die Baumarten, die Baumhöhen, der Durchmesser am Wurzelhals der zehn höchsten Bäumchen und die Konkurrenz der Brombeere erfasst.
Antworten
Zu Frage 1 lässt sich sagen: Unter den aufgezeigten Rahmenbedingungen schränkt das Indische Springkraut das Wachstum der zu verjüngenden Bäume – und das ist statistisch nachgewiesen – nicht ein. Dies gilt für das Durchmesser- und Höhenwachstum der natürlich verjüngten Birken am Irschenberg sowie der künstlich verjüngten Fichten und Weißtannen in Wasserburg. Lediglich die Tanne zeigte im Jahr 2007 Einbußen beim Durchmesser- und Höhenzuwachs.
Die knappe Antwort auf Frage 2 lautet: Sowohl die Überlebenswahrscheinlichkeit als auch die Entwicklung der Verjüngungspflanzen lassen sich mit mechanischen Bekämpfungsmaßnahmen nur sehr eingeschränkt beeinflussen. Anhand der aggregierten Wachstumsgrößen Durchmesser und Höhe lassen sich keine statistisch gesicherten Behandlungseffekte nachweisen. Bei den Überlebensraten ergibt sich ein differenzierteres Bild.
Auf den Flächen, auf denen das Springkraut ausgerissen wurde, verringerte sich der Birkenanteil von 2005 bis 2007 auf unter 60 Prozent. Auch die Ausfallquote bei Fichte und Tanne nahm im Beobachtungszeitraum zu. Allerdings weist hier die Kontrollvariante im Jahr 2008 mit nur 40 Prozent der Ausgangspflanzenzahl den geringsten Wert auf. Auf der gemähten Fläche liegen die Überlebensraten signifikant über der unbehandelten Kontrollfläche.
Was lässt sich über den Einfluss der Brombeere sagen? Die Präsenz der Brombeere nimmt im Zeitraum 2005 bis 2007 über alle Varianten hinweg um das 3- bis 7-fache zu. Dabei geht das Höhenwachstum der Birke mit steigendem Deckungsgrad der Brombeere zurück. Das lässt sich auch beim Durchmesserwachstum von Fichte und Tanne beobachten.
Wie lassen sich diese Befunde interpretieren?
Die Ergebnisse des Experimentes bestätigen nicht, dass das Indische Springkraut ein starker Konkurrent für etablierte Baumsämlinge ist. Es kann die Bodeneigenschaften nicht ändern, bildet keine Rhizome aus und kann daher unterirdische Bodenkompartimente nicht dauerhaft besetzen. Außerdem reagiert es sehr empfindlich auf Wassermangel und Frost. Zwar steigen nach der Mahd die Überlebensraten bei Fichte und Tanne, was aber wahrscheinlich auf die einhergehende Bekämpfung der Brombeere zurückzuführen ist. Das Ausreißen der Pflanzen hat bedauerlicherweise dazu geführt, dass die Stammzahl der natürlich verjüngten Birken mit abgesenkt wurde.
Hinzu kommen die ungleichen Wuchsrhythmen der Arten. Birke, Fichte und Tanne beginnen ihr Höhenwachstum im April/Mai und schließen es im Juni/Juli bereits wieder ab. Das Springkraut beginnt als einjährige Pflanze alljährlich bei Null und erreicht seine Endhöhe in der Regel erst im August. Tatsächlich hat sich das Springkraut nach drei Jahren aus dem ursprünglich überlappenden Wuchsraum beider Arten fast gänzlich verabschiedet.
Nachfolgend sei noch auf drei bedeutsame Einschränkungen hingewiesen:
- Einige Autoren stufen Deckungsgrade des Springkrautes von mindestens 80 Prozent als besonders schädlich ein. In diesem Experiment lagen diese vermutlich deutlich darunter.
- Inwieweit das Springkraut auf auebegleitenden Standorten eine verdämmende Wirkung entfalten kann, ist anhand der Versuchsstandorte ebenfalls nicht zu beantworten.
- Die bisherigen Ergebnisse beziehen sich auf bereits etablierte Bäumchen. Es wurde nicht ermittelt, ob das Springkraut die Ansamung von Verjüngungspflanzen beeinträchtigt.
Zum Abschluss sei noch eine wissenschaftlich nicht fundierte, aber naheliegende und erfreuliche Auswirkung des Indischen Springkrautes angedeutet: Das Vorhandensein und die Entwicklung der Verjüngung blieben wohl nicht nur dem Beratungskunden im Springkraut-Dickicht vor Ort verborgen, sondern offensichtlich auch dem Rehwild.