Die Robinie (Robinia pseudoacacia) ist in den südöstlichen Vereinigten Staaten beheimatet. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde sie in verschiedene Länder Europas eingeführt. Hier stiess sie zuerst als Zierbaum, später auch als Nutzbaum auf Anklang und wurde entsprechend rasch in zahlreichen Ländern angebaut.
Anfänglich hatte die Robinie als eingebürgerte Baumart keine grosse negative Auswirkungen auf die Ökosysteme Mitteleuropas. Erst nach dem 2. Weltkrieg begann die Robinie ihr starkes Ausbreitungspotenzial zu zeigen, indem sie die Ruinen der bombardierten Städte eroberte. Später kolonisierte sie auch zahlreiche landwirtschaftliche Randflächen, die im Rahmen der sozioökonomischen Wende in der Nachkriegszeit brach gelegt worden waren. Ab den 1950er-Jahren erschienen dann erste Artikel mit detaillierten Empfehlungen zur Bekämpfung der Robinie.
Die Fachliteratur ist heute zwiespältig und taxiert die Robinie gleichzeitig als sehr nützliche wie auch als hochgradig invasive und damit unerwünschte Baumart. Die Eigenschaften, welche die Robinie forstwirtschaftlich so attraktiv machen – breites Habitatspektrum, schnelles Wachstum, Ausschlagfähigkeit, Stickstofffixierung – sind genau diejenigen, die problematisch für den Naturschutz sind und Konflikte verursachen.
Wo die Robinie stark verbreitet ist, lässt sie sich nicht mehr ausrotten. In diesen Gebieten geht es vielmehr darum, eine Bewirtschaftung zu finden, die die positiven Eigenschaften der Robinie nutzt und die negativen Auswirkungen minimiert.
Ökologische Auswirkungen der Robinie
Die Robinie fruktifiziert bereits ab sechs Jahren und produziert in Reinbeständen bis zu 12‘000 Samen pro Quadratmeter. Die Samen bleiben mehr als zehn Jahre lang keimfähig; die Keimungsrate ist allerdings eher gering. Die Robiniensamen sind schwer, weshalb ihre Ausbreitungsdistanz verhältnismässig kurz ist. Eine Verbreitung über grosse Distanz erfolgt vor allem durch den Menschen, sei es durch Pflanzung, unbeabsichtigten Transport von Samen und Wurzeln oder durch Erdumlagerung.
Die grösste Gefahr von Invasionen geht bei der Robinie von der vegetativen Vermehrung nach mechanischer Verletzung von Wurzeln oder Stämmen aus. Zusammen mit ihrer ökologischen Toleranz und ihrer Fähigkeit, Stickstoff zu binden, verleiht dies der Robinie eine grosse Kraft, um angrenzende Brachflächen, Störungsflächen, Trockenrasen, Heiden, Felsflühe und Ufer zu besiedeln. Wegen des späten Blattaustriebs und der vergleichsweise spärlichen und durchsichtigen Belaubung sind Robinienreinbestände lichter als die natürlicherweise vorkommenden Wälder, was zur Entstehung von sehr dichten Krautschichten und zum Schwund von seltenen, standorttypischen Pflanzenarten führt. Auf trockenen Standorten bildet sich häufig eine dichte Grasschicht mit variierendem Anteil an Ruderal-Arten, auf mittelfeuchten Standorten nehmen stickstoffliebende Arten überhand. Am stärksten beeinflusst die Robinie durch Beschattung und Stickstofffixierung die Umweltbedingungen in den Trockenrasen, was zur Benachteiligung von bedrohten lichtliebenden Pflanzen und Wirbellosen führt.
Abb. 2 - Typische Robinienbestände in Tschechien. Oben: zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Verminderung von Winderosion gepflanzte Robinienreinbestände in der Elbe-Ebene in Zentral-Tschechien. Heute werden diese Bestände als Niederwälder genutzt. Unten: wärmeliebende Trockenrasen in Südost-Tschechien, die von der Robinie – ausgehend von angrenzenden alten Kulturen – durch Wurzelbrut kolonisiert werden. Fotos: Michaela Vítková
Die Entfernung der Robinie aus wertvollen Habitaten ist mit viel Aufwand verbunden. Die Wiederherstellung der ursprünglichen Pflanzengesellschaft ist wegen der irreversiblen Änderungen im Ökosystem auf Stufe Bodeneigenschaften, Mikroklima und Lichtverhältnisse zudem selten erfolgreich. Entgegen der verbreiteten Meinung, dass die Robinie die Biodiversität reduziert, zeigen neue Ergebnisse, dass zumindest bei den Vögeln die Artenzahl in Robinienbeständen höher sein kann als in Eichenbeständen. Positiv gewertet werden darf zudem, dass die Robinie durch die Besiedlung von struktur- und artenarmen Industrie- und Landwirtschaftsflächen dort "Inseln" mit steigender Biodiversität und Trittsteine für die Vernetzung von wertvollen und bedrohten Arten bildet.
Abb. 3 - Typische Robinienbestände im Kanton Tessin (Schweiz). Oben: spontan kolonisierte ehemalige Rebgebiete (Cugnasco). Mitte: zur Böschungssicherung im Rahmen des Gotthardbahnbaus künstlich begründete Bestände (San Antonino). Unten: durch Pflanzung im Rahmen der grossen Flusskorrektionen entstandene Robinien-Auenwälder (Bellinzona). Fotos: Marco Conedera (WSL)
Ökonomisches Potenzial der Robinie
Aus wirtschaftlicher Sicht ist vor allem das Holz der Robinie interessant. In kurzumtriebigen Energieplantagen lassen sich in Abhängigkeit vom Standort alle 15 Jahre 50 bis 135 t Trockenmasse pro Hektare produzieren. Für die Nutzholzproduktion werden die Robinien in einem Alter von 30 bis 40 Jahren eingeschlagen. Sie haben dann einen Zieldurchmesser um 30 cm und Derbholzvorräte von bis zu 300 m3/ha erreicht. Sind die Voraussetzungen günstig, kann die Robinie einen durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 11 bis 13 m3/ha erzielen, was 8 bis 9.5 t Trockenmasse pro ha entspricht.
Die Qualitäts- und Nutzholzproduktion ist auf nicht gut wasserversorgten und auf schlecht durchlüfteten Böden schwieriger, da die Robinie dann zur Bildung von gekrümmten Stämmen mit einem kurzen astfreien Schaftteil neigt. Zudem können Spätfröste die jungen Sprosse beschädigen und auch zu verkrümmten Stämmen führen. Zur Verbesserung der Stammholzqualität wurden in einigen europäischen Ländern wie Ungarn, Frankreich und Deutschland Zuchtprogramme eingerichtet.
Standortspezifisches Management
Bei kontroversen Baumarten wie der Robinie ist es sehr wichtig, klare Bewirtschaftungsprinzipien zu definieren, damit die Potenziale ausgeschöpft, gleichzeitg aber auch die Risiken minimiert werden können. Tschechische Wissenschaftler haben Empfehlungen für den Umgang mit der Robinie in Europa erstellt, die nicht nur die ökologischen und ökonomischen Aspekte berücksichtigen, sondern auch die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen (z.B. Förster, Naturschützer, Bienenzüchter, Öffentlichkeit) einbeziehen. Dabei soll standortspezifisch gehandelt und jeweils entschieden werden, ob die Robinie gefördert, toleriert, reduziert oder eliminiert werden soll.
a) Robinien in Wäldern
Die traditionelle Niederwaldbewirtschaftung begünstigt die Ausbreitung der Robinie stark. Das ist eine wichtige Erkenntnis, denn dort, wo die Robinie in Mischung vorkommt und ihre weitere Ausbreitung unerwünscht ist, ist es entscheidend, den Bestand geschlossen zu halten, um ihre unkontrollierte Vermehrung (Samenanflug und Wurzelbrut) zu vermeiden. In Robinienreinbeständen ist ein Wechsel zu einheimischen Baumarten sehr aufwendig. Stehen keine übergeordneten Biodiversitätsziele im Weg, bietet sich eine Bewirtschaftung der Robinie mit auf die zu erbringenden Waldfunktionen (Produktion, Erholung, Schutz) und die angestrebten Produkte (z.B. Pfähle, Honig) ausgerichteten Umtriebszeiten und Eingriffen an.
Abb. 4 - In Robinienreinbeständen ist ein Wechsel zu einheimischen Baumarten sehr aufwendig. Foto:Michaela Vítková
Wird ein Baumartenwechsel angestrebt, empfiehlt sich in Abhängigkeit von der Ausgangssituation ein unterschiedliches Vorgehen: Wenn die erwünschten einheimischen Baumarten bereits vorhanden sind oder wenn sie gute Anflugchancen haben, sollte man möglichst keine Eingriffe vornehmen, weil das den Stockausschlag bei den Robinien stimulieren würde. Stattdessen solle man die Robinien zu ihrem natürlichen Abgang begleiten. Fehlen die einheimischen Baumarten oder ist Nichtstun aus Sicherheitsgründen (Schutzwald, Wald auf Bahnböschungen usw.) nicht möglich, sollten nach einem Niederwaldschlag einzelne Robinienindividuen gezielt gefördert werden, damit sie als Vorbau für die Naturverjüngung oder die Unterpflanzung von einheimischen Halbschattenbaumarten genutzt werden können.
b) Robinien auf landwirtschaftlichen Flächen und in Trockenrasen
Im Offenland sind Robinien meistens auf sehr warmen und trockenen Standorten mit geringer Bodenqualität anzutreffen (z.B. Feldfluren, Schluchten, felsige Hügel), die von landwirtschaftlichen Flächen umgeben sind. Häufig sind es aufgegebene Plantagen, die jetzt alte und offene Bestände, oft mit verdrehten und krummwüchsigen Stämmen bis etwa 10 m Höhe, ausbilden. In einigen europäischen Ländern wie der Slowakei, Slowenien und Italien gibt es eine lange Tradition von Robinienanbauten zur Produktion von Rebpfählen und Weinfässern, die mindestens bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht.
Umliegende Kulturen, die regelmässig bewirtschaftet werden (z.B. Felder, Reben und Obstgärten), schaffen eine Pufferzone, welche die vegetative Ausbreitung der Robinie verhindert. Probleme treten auf, wenn Robinienbestände an Trockenrasen – die am stärksten durch die Robinie bedrohten Ökosysteme – angrenzen (Abb. 5). Die Robinie kann mit ihren Wurzelbruten rasch in diese Trockenrasen vordringen.
Abb. 5 - Trockenrasen wie hier in Zentral-Tschechien sind die am stärksten durch die Robinie bedrohten Ökosysteme. Wo die Robinie stark verbreitet ist, lässt sie sich nicht mehr ausrotten. Foto: Michaela Vítková
Hat die Robinie einmal Fuss gefasst, ist ihre Kontrolle und Tilgung schwierig, da sie unterirdische Kontaktzonen zwischen den Einzelbäumen bildet. Einzelne Stämme zu entfernen, bringt daher nichts. Es gibt im Moment kein generell zu empfehlendes Tilgungsverfahren. Bewährt hat sich die Kombination von mechanischen und chemischen Verfahren, wobei in der Schweiz der Einsatz von chemischen Mitteln in Wassernähe, im Wald wie auch in Naturschutzgebieten untersagt ist. Wo der Einsatz von chemischen Mitteln erlaubt ist, stellen das Fällen/Ringeln und die unmittelbar daran anschliessende Behandlung der Schnittstellen mit Herbiziden die effizienteste Methode dar.
c) Robinien in Siedlungen
Soweit Robinien im Siedlungsgebiet nicht in der Nähe von lichten Wäldern, Naturreservaten oder anderen besonderen Biotopen wachsen, sind sie in der Regel kein Problem. In potenziellen Problemgebieten sollte man aber auf eine Pflanzung der Robinie verzichten und bestehende Vorkommen vorsorglich entfernen.
Schlussfolgerungen
Dank ihrem langjährigen Anbau, ihrer späteren Verwilderung in verschiedenen Ökosystemen Europas und daraus resultierend ihrer Stellung als gleichzeitig nützlicher und gefährlicher Neophyt stellt die Robinie ein ideales Fallbeispiel für die Entwicklung von differenzierten Konzepten im Umgang mit invasiven Baumarten dar. Weil die Robinie zu irreversiblen Ökosystemveränderungen führen kann, sollten die wirtschaftlichen Erträge hinter die Interessen des Naturschutzes gestellt werden.
In intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen und in städtischen Räumen ist das Risiko einer unkontrollierten Ausbreitung der Robinie minim. Dort trägt sie zur Vielfalt der Landschaftsstrukturen und des Landschaftsmosaiks bei und stellt ein günstiges Habitat für viele Organismen dar. In diesen Gebieten spricht unter bestimmten Bedingungen auch nichts gegen ihre wirtschaftliche Nutzung. Wo die Robinie aber spontan im Wald Fuss zu fassen beginnt, muss ihre weitere Ausbreitung mittels Lichtregulierung möglichst unter Kontrolle gehalten werden.
Ein hohes Invasionspotenzial besteht in Sturm-, Brand-, Schlag- und anderen Störungsflächen. Sensible Ökosysteme wie Trockenrasen, Magerwiesen, Felsflühe sowie lichte und trockene Waldstandorte (z.B. trockene Föhrenwälder oder wärmeliebende und bodensaure Eichenbestände) sind am stärksten unter Druck. Dort ist die einzige Lösung die grossräumige Tilgung der Robinie.
(TR)