Lebensweise und Schadbild
Der Große Braune Rüsselkäfer (Hylobius abietis) ist ein in Nadelwäldern häufiger Käfer. Er ist bis zu 14 mm groß, kräftig gebaut, dunkelbraun und glanzlos. Auf den Flügeldecken sind 2 bis 3 unregelmäßige gelbe Querbinden und Flecken. Der Kopf ist vorne zu einem starken, mäßig langen und leicht gekrümmten Rüssel verlängert. Der Große Braune Rüsselkäfer ist ein nachtaktiver, langlebiger (2 – 3 Jahre) und sehr flugaktiver Käfer. Die Eiablage erfolgt über die gesamte Vegetationszeit an absterbenden, flachstreichenden Wurzeln und Stöcken von Nadelhölzern. Die Larven sind elfenbeinfarben, haben einen braunen Kopf und sind bauchwärts gekrümmt. Käfer und Larven sind über die ganze Vegetationszeit hinweg aktiv. Die Entwicklungsdauer vom Ei bis zum fertigen Käfer dauert meist zwei Jahre. Bei günstiger Witterung ist sie noch im selben Jahr möglich.
Der Große Braune Rüsselkäfer frisst an allen Nadelholzarten. Bei hoher Population können vereinzelt auch Schäden an jungen Ebereschen, Erlen und Birken auftreten. Besonders gefährdet sind Kulturen in den ersten ca. 5 Jahren. Da sich die Larven in den Wurzeln absterbender Nadelholzstöcke entwickeln, sind Kulturen auf oder in naher Umgebung vorjähriger Kahlschlagflächen besonders gefährdet. Fallen aufgrund von z. B. andauerndem Borkenkäferbefall wiederholt frische Wurzelstöcke an, ist fortlaufend brutfähiges Material für den Rüsselkäfer vorhanden.
Stöcke bleiben etwa drei Jahre bruttauglich. Die Fraßzeit der Käfer erstreckt sich über die gesamte Vegetationsperiode. Schwerpunkte liegen im Frühjahr ((April) / Mai / Juni), wenn die Altkäfer ihre Winterquartiere verlassen (Regenerationsfraß) und im Spätsommer ab August (Reifungsfraß der Jungkäfer).
Bei hohen Dichten, vor allem nach Borkenkäferkalamitäten und Windwurfereignissen, können die Käfer große Schäden in Nadelholzkulturen anrichten. In solchen Gefahrensituationen kann es notwendig sein, die Käfer mit geeigneten Maßnahmen, u. a. auch mit chemischen Pflanzenschutzmitteln, zu bekämpfen.
Überwachung und Prognose
Um die tatsächliche Gefährdung vor Ort abschätzen und daraus eine Behandlung ableiten zu können, bieten sich zwei Prognosevarianten an:
Fraßkontrolle an Jungpflanzen
Gefährdete Kulturen sollten ab einer Lufttemperatur von 8 °C im Frühjahr auf Fraßspuren kontrolliert werden. An zehn Stellen pro Hektar werden jeweils zehn Pflanzen im Abstand von einer Woche kontrolliert. Wenn 10 % der Kontrollpflanzen starke Fraßschäden (Ringelung oder mehrere sich überlappende Fraßstellen) aufweisen, sind Pflanzenschutzmaßnahmen sinnvoll.
Auslegen von Fangrinden / Fangknüppeln
Mit dem traditionellen Verfahren, der Auslage von Fangknüppeln bzw. Fangrinden, kann man die lokale Überwachung ergänzen. Als Richtwert gilt eine Anzahl von 6 – 10 Fangrinden pro Hektar Bekämpfungsfläche. Unter 3 Käfern pro Fangrinde und wöchentlichem Kontrolltermin wird der Populationsdruck als gering angesehen. Werden je Nacht mehr als 10 Käfer unter den Fangrinden gefunden, ist eine erhebliche Gefährdung gegeben und Gegenmaßnahmen sind angezeigt. (Die Angaben sind Schwellenwerte und können regional abweichen.)
Behandlung von Rüsselkäferbefall in Kulturen
Bei der Rüsselkäferbekämpfung stehen sowohl mechanische als auch chemische Maßnahmen zur Verfügung. Präventiv kann mit waldbaulichen Mitteln vorgebeugt werden.
Pflanzenschutzmittelfreie Maßnahmen
Die Maßgaben des integrierten Pflanzenschutzes im Wald sehen eine Minimierung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) vor. Deshalb ist bei einer festgestellten Gefährdung durch den Großen Braunen Rüsselkäfer der Einsatz von waldbaulichen und mechanischen Maßnahmen zu prüfen. Folgende Möglichkeiten stehen dem Waldbesitzer zur Verfügung (vgl. Merkblatt 44, Tabelle S. 4):
Waldbaulich (Vorsorge)
Waldumbau: Setzten Sie auf Laubholz! Der große braune Rüsselkäfer frisst nur an Nadelholz.
Pflanzgut / Pflanzung: Verwenden Sie gesunde, kräftige Pflanzen und achten Sie auf eine sorgfältige Pflanzung. Pflanzen mit guter Vitalität können sich auch von stärkeren Fraßschäden regenerieren.
Schlagruhe: Warten Sie mit der Aufforstung mindestens drei Jahre, bis keine bruttauglichen Stöcke mehr vorhanden sind. Dadurch entstehen keine Bekämpfungskosten. Allerdings sollte man die Kosten durch Produktionsausfall einplanen und es werden ggf. Maßnahmen gegen Verunkrautung erforderlich. Zudem besteht die Gefahr, dass durch Sturm und Borkenkäfer über mehrere Jahre hinweg frische Stöcke und damit potentielles Brutmaterial auf der Fläche anfallen.
Vorwald: Auf der Freifläche treten höhere Fraßschäden auf als unter einem Vorwald. Daher Kulturen möglichst unter Schirm bzw. mit einem Vorwald begründen.
Mechanisch (bei Befall)
Fangrinde und Fangknüppel: Das mechanische Verfahren durch Fangrinde und Fangknüppel beruht darauf, dass frische Nadelholzrindenstücke eine stärkere Anlockwirkung haben als Jungpflanzen. Bei einer Anzahl von mindestens 50 Rindenplätzen bzw. Fangknüppeln/ha kann die Käferpopulation deutlich reduziert werden. Die Käfer werden an den Fangplätzen mindestens einmal, besser mehrmals pro Woche abgesammelt.
In Abhängigkeit von der Witterung sind Fangrinden bzw. -knüppel etwa zwei bis vier Wochen fängisch, danach müssen sie durch frische ersetzt werden. Bei hohen Käferzahlen sollten die Rindenstücke sofort durch frische ersetzt werden. Tipp: alte Rinde zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen auf das frische Material legen.
Im April / Mai werden voll im Saft stehende Rindenstücke (ca. 30 x 40 cm) geworben. Diese werden paarweise mit der Bastseite aufeinander und auf den grasfreien Boden gelegt. Zum Schutz vor Austrocknung werden sie mit Grasplaggen abgedeckt. Frische Nadelholzzweige steigern die Lockwirkung deutlich. Je nach Populationsdichte sind 30 bis 100 Fangplätze/ha nötig.
Fangknüppel sind 1 m lange dünnrindige 5 bis 10 cm dicke Ast- oder Zopfstücke. Zur Erhöhung des Harzgeruchs wird auf einer Seite die Rinde entfernt und der Fangknüppel mit dieser Seite in eine entsprechend große im Boden angelegte Rinne gelegt.
Schutzkragen: Der aus Biopolymer oder Polypropylen bestehende, ca. 10 cm hohe Plastikkragen wird am Stammfuß der Jungpflanze angebracht. Er verhindert, dass die Rüsselkäfer am Stammfuß fressen bzw. am Stamm hochkrabbeln können. Bei der Verwendung des Schutzkragens ist darauf zu achten, dass die Bäumchen frei von Bodenvegetation gehalten werden. Andernfalls überwindet der Käfer den Schutzkragen, indem er an überhängenden Gräsern und Sträuchern auf die Jungpfanzen klettert.
Wachsbeschichtung: Eine dünne Wachsschicht (ca. 0,6 mm) wird 10 – 20 cm hoch vom Wurzelhals aufwärts aufgetragen. Das Wachs ist für den Rüsselkäfer unattraktiv und kann die Kulturpflanze für bis zu 2 Jahre vor Fraß schützen.
Pflanzenschutzmittelanwendung bei der Rüsselkäferbekämpfung
Als letztes Mittel der Wahl, nach Ausschöpfung aller nichtchemischen Maßnahmen, auf Basis einer Prognose und nur, wenn Gefahr in Verzug besteht, kann eine auf das Minimum beschränkte Pflanzenschutzmittel-Anwendung nach guter fachlicher Praxis in Erwägung gezogen werden.
Ein Insektizideinsatz leistet nur dann einen wirksamen Schutz vor oder bei fest gestelltem Rüsselkäferbefall, wenn die Maßnahme zeitlich gut geplant (Wirkungsdauer Pflanzenschutzmittel), die Anwendung sachgemäß erfolgt (auf vollständige Benetzung achten) und die Wirkung kontrolliert wird!
Die jeweils aktuell zugelassenen Pflanzenschutzmittel zur Rüsselkäferbekämpfung im Forst finden Sie monatsaktuell abrufbar in der Online-Datenbank "Pflanzenschutzmittel" des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (www.bvl.bund.de ).
Tauchverfahren – bei bestehender Gefährdung vor der Pflanzung
Bei der Tauchbehandlung werden alle oberirdischen Pflanzenteile, meist ein ganzes, lockeres Pflanzenbündel, in eine Wanne mit der vorbereiteten Pflanzenschutzmittel-Lösung getaucht und dann auf einem Abtropfgitter bis zur vollständigen Antrocknung gelagert. Die Wanne muss ausreichend hoch sein und zur Vermeidung von Erdkontamination auf einer Folie stehen. Nach dem Tauchen werden die Wurzeln durch feuchten Einschlag vor dem Austrocknen geschützt.
Nur bei hoher Wahrscheinlichkeit eines Fraßschadens (örtliche Erfahrung aus Vorjahr oder aktuelle Prognose) bietet sich eine Tauchbehandlung direkt vor der Pflanzung an. Eine präventive Pflanzenschutzmittel-Anwendung ohne konkrete Gefährdung der Pflanzengesundheit ist nicht zulässig! Die Wirkungsdauer des Pflanzenschutzmittels ist unbedingt mit der Fraßzeit des Käfers im Mai / Juni und August / September abzustimmen! Andernfalls ist der chemische Schutz unwirksam und die behandelten Pflanzen werden genauso befressen wie unbehandelte. Bayerische Baumschulbetriebe bieten die Tauchbehandlung vor der Auslieferung der Pflanzen seit Jahren aufgrund des Anwenderschutzes nicht mehr an.
Spritzverfahren – bei Befall nach der Pflanzung
Beim Spritzverfahren wird der gepflanzte Einzelbaum mittels Niederdruck-Rückenspritze und Gabel- oder Zangendüsen mit dem Pflanzenschutzmittel vom Wurzelhals aufwärts auf ca. 30 cm besprüht. Dieses Verfahren kommt bei festgestelltem stärkerem Fraß in Frage. Regelmäßige Kontrollen der Pflanzung zur Fraßzeit des Rüsselkäfers sind unabdingbar.
Sachkunde im Pflanzenschutz: Jeder, der eine chemische Rüsselkäferbekämpfung vornimmt, muss sachkundig im Pflanzenschutz sein und eine gültige Fortbildung nachweisen. Dies gilt auch für Waldbesitzer, die nur kleinere Flächen besitzen und für forstliche Zusammenschlüsse, die im Auftrag Dritter die chemische Rüsselkäferbekämpfung durchführen. Personen, die für Dritte mit Pflanzenschutzmittel behandeln, müssen bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) registriert sein.