Im Gegensatz zu Teilen Nord- und Mitteldeutschlands sind großflächige Windwurf- und Schneebruchschäden in Südwestdeutschland im vergangenen Winter 2021/22 glücklicherweise weitestgehend ausgeblieben. Lediglich vereinzelt und kleinräumig kam es hierzulande zu Würfen und Brüchen. Nichtsdestotrotz zählen auch im Südwesten Wind- und Schneeschäden an Fichte zu den häufigsten Schadursachen und sind – wie beispielsweise 2018 – oft entscheidende Ausgangspunkte von Borkenkäfer-Massenvermehrungen.

Während der Kenntnisstand bei der Risikobewertung von Windwürfen hinsichtlich Borkenkäfern sowie deren Aufarbeitung allgemein recht hoch ist (siehe z.B. Burger et al., 2020), gab es über Kronenbrüche bislang wenig wissenschaftlich-basierte Quellen. Wichtige Fragen wurden aus diesem Grund weitgehend mit Erfahrungswissen beantwortet: Erhöht sich das Befallsrisiko durch Borkenkäfer nach Kronenbruch an Fichten? Wenn ja, gibt es einen Schwellenwert beim Restkronenanteil, ab welchem das Befallsrisiko überproportional ansteigt? Wie wichtig ist das Unschädlichmachen der gebrochenen, am Boden liegenden Kronen im Sinne des Borkenkäfer-Managements?

Kronenbruch-Studie

Diesen und weiteren Fragen wurde in einer Untersuchung in Fichtenbeständen direkt nach einem Schneebruchereignis nachgegangen (Kautz & Delb, 2022). Die Studie fand über die gesamte Vegetationsperiode 2021 im Nationalpark Hunsrück-Hochwald (Rheinland-Pfalz) statt. Dabei wurden insgesamt 271 Bruchbäume in verschiedenen Beständen sowohl mit als auch ohne Kronenräumung beobachtet, und Folgebefall durch Borkenkäfer (Buchdrucker, Kupferstecher) dokumentiert (Abb. 1). Gleichzeitig wurden baumspezifische Kennwerte wie Restkrone, Bruch-Durchmesser, Kraft´´ sche Klasse usw. aufgenommen. Zudem wurde der Befall an den belassenen, gebrochenen Kronen und an 300 ausgewählten Nachbarbäumen registriert.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie hier zusammengefasst:

  • Nahezu die Gesamtheit der gebrochenen, nicht beräumten Fichtenkronen (98%) wurde im Frühjahr bereits von den überwinterten Parentalkäfern befallen. Die wenigen nicht bis Mitte Juli befallenen Kronen wurden (aufgrund der fortgeschrittenen Austrocknung) von der Folgegeneration auch nicht mehr befallen.
  • Der Bruch-Durchmesser differenzierte sehr deutlich zwischen den besiedelnden Borkenkäfer-Arten: Kupferstecher hatten keine Präferenz, Buchdrucker hingegen bevorzugten stärkere Kronen mit >15 cm Durchmesser (an der Bruchstelle) und mieden konsequent Kronen mit <10 cm Bruch-Durchmesser.
  • Abgebrochene Kronen sind deutlich befallsanfälliger als deren stehende Stümpfe. Inwieweit die Stümpfe ein erhöhtes Befallsrisiko im Vergleich zu benachbarten ungebrochenen Fichten aufwiesen, konnte jedoch nicht direkt ermittelt werden.
  • Je geringer die grüne Restkrone am Stumpf, desto höher tendenziell das Befallsrisiko. Bei sehr geringem Restkronenanteil (<20%) ergab sich ein stark erhöhtes Risiko.
  • Je besser der soziale Status der Fichte im Bestand, desto geringer tendenziell sein Befallsrisiko. Dieser Effekt war allerdings im Vergleich zum Restkronen-Effekt abgeschwächt. Das höchste Befallsrisiko trugen Fichten der Kraft´schen Klasse 3.
  • Management der gebrochenen Kronen lohnt sich! Ohne die rechtzeitige Beräumung der gebrochenen Kronen erhöhte sich das Befallsrisiko für die Stümpfe signifikant (+9,5%), und jenes für die ungebrochenen Nachbarfichten immerhin leicht (+4%).

Was tun nach Kronenbruch?

Die genannten Ergebnisse unserer Kronenbruch-Studie unterstützen – in Verbindung mit bisherigen Erfahrungswerten – die Ableitung von Handlungsempfehlungen für ein effizientes Borkenkäfer-Management nach einem Kronenbruchereignis (Abb. 2).

Prinzipiell bestätigt sich die Erkenntnis, dass Kronenbruch in Fichtenbeständen ein ernst zu nehmendes Risiko hinsichtlich Borkenkäferbefall darstellt. Diese Gefahr ist aber im Vergleich zu Windwürfen als insgesamt weniger hoch einzuschätzen, da windgeworfene Fichten in der Regel ein Vielfaches an über eine längere Zeit bruttauglichem Material (insbesondere für den Buchdrucker) bereitstellen (Wurzelkontakt). Im Analogschluss zu Windwürfen ist auch bei belassenen Kronenbrüchen davon auszugehen, dass mit steigendem Bruchanteil das Stehendbefallsrisiko ansteigt. Das Management ist demnach umso wirksamer, je höher der Bruchanteil in einem Bestand ist. Im Gegensatz zu Windwürfen (klein vor groß) empfiehlt sich bei Kronenbruchflächen aufgrund der schnelleren Austrocknung jedoch eine andere Aufarbeitungsreihenfolge: Hier sollten große Flächen bzw. solche mit hohem Bruchanteil vor kleineren bzw. wenig betroffenen Flächen priorisiert werden.

Kronenbruch-Management ist insbesondere während Latenzphasen mit niedrigen Käferdichten wichtig, um eine mögliche Massenvermehrung der Käfer bereits im Keim zu ersticken. Hier ist schnelles Handeln gefragt, denn bereits die sich in den Brüchen entwickelten Käfer werden zu Stehendbefall führen. Als effektivste Managementmaßnahme empfiehlt sich die Abfuhr der gebrochenen Kronen nach Käferbesiedlung, jedoch unbedingt noch vor dem Ausflug der Brut (Fangeffekt). Kann die rechtzeitige Abfuhr befallener Kronen, z.B. aufgrund großer Mengen, im betrieblichen Ablauf nicht von vornherein garantiert werden, ist die prophylaktische Abfuhr (vor Besiedlung) das Mittel der Wahl. Das Material kann in beiden Fällen thermisch verwertet werden. Prophylaktische, mechanische Maßnahmen, wie z.B. Trennschnitte oder Streifen, können das Befallsrisiko der Kronen gegenüber Borkenkäfern im Bestand zwar auch herabsetzen – allerdings vor allem gegenüber Kupferstechern und nur bei möglichst früher Durchführung während der Wintermonate. Das Hacken von Kronenmaterial mit Verbleib im Bestand ist aufgrund der geringen Wirksamkeit gegenüber Kupferstechern sowie der Lockwirkung der Hackschnitzel ebenfalls nur sehr bedingt empfehlenswert (Wonsack, 2021).

Ist es nicht möglich, gebrochenes Kronenmaterial rechtzeitig unschädlich zu machen, sind besonders in trocken-warmen Jahren intensivere Stehendbefallskontrollen unbedingt ratsam, um dem erhöhten Befallsrisiko für den verbleibenden Bestand Rechnung zu tragen. Stümpfe mit geringen Restkronen sollten während der Befallskontrollen besonders fokussiert bzw. können auch präventiv entnommen werden (Abb. 2). Die Studien-Ergebnisse zeigen erst ab <20% Restkrone ein stark erhöhtes Risiko an, während bisherige Erfahrungswerte mit 50-60% deutlich höher lagen (z.B. Zeitler, 2011; Steyrer et al., 2014; John & Delb, 2019). Da die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein gebrochener Baum wieder erholt und eine Sekundärkrone ausbildet, jedoch nicht nur vom Grad der Schädigung, sondern auch von weiteren Faktoren wie Alter, Vitalität und standörtlichen Voraussetzungen abhängt, ist eine scharfe Definition eines Schwellenwertes wenig sinnvoll. Vielmehr sollten neben der Waldschutz-Perspektive auch wirtschaftliche und waldbauliche Aspekte bei der Entscheidung für oder gegen eine präventive Entnahme von Stümpfen einbezogen werden.

Sind gebrochene Kronen bereits mehrere Monate während des Sommers liegen geblieben, stellen sie in aller Regel kein geeignetes Brutmaterial für Buchdrucker und Kupferstecher mehr dar und können im Sinne der Nährstoffbilanz sowie zur Förderung von holzbewohnenden Insekten und Borkenkäferantagonisten im Bestand belassen werden. Dasselbe gilt für im Herbst (September-November) entstandenes schwächeres Kronenmaterial, welches bis zur kommenden Schwärmsaison weitgehend austrocknet.