Wechselwirkungen biotischer und abiotischer Faktoren steuern den Massenwechsel forstschädlicher Insekten. In dem Wirkungsgeflecht von Witterung, Verfügbarkeit und Qualität der Nahrung, Auftreten von Konkurrenzarten sowie Fressfeinden, Parasiten und Krankheiten können veränderte Klimabedingungen sowohl direkt als auch indirekt auf das Schadinsekt einwirken (Abb. 1). In einem Projekt werden die möglichen Wirkungen des Klimawandels auf Populationsdichte und Verbreitung wärmeliebender, frostschädlicher Insekten untersucht. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Einfluss der Bestandsstruktur, da diese durch waldbauliches Handeln zielführend beeinflusst werden kann.
Eine Baumart – viele Schädlinge – viele Fragen
Seit etwa 30 Jahren treten in den von Eichen dominierten Mischwäldern Unterfrankens zusätzlich zu der traditionellen Eichenfraßgesellschaft aus Eichenwickler (Tortrix viridana), Spannern (Operophtera brumata, O. fagata, Erannis defoliaria) und diversen Eulenarten zunehmend wärmeliebende Arten in Erscheinung. Gegen den Schwammspinner (Lymantria dispar) werden regelmäßig Bekämpfungsaktionen durchgeführt. Seit den 1990er Jahren tritt zudem der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) in auffälligen Dichten auf. Diese Beobachtungen lassen erwarten, dass wärmeliebende Arten in Zukunft von einem erhöhten Wärmeangebot profitieren und ihr Verbreitungsgebiet vergrößern werden. Dadurch könnte es zu Waldschäden in bisher unbekanntem Ausmaß kommen. Um das Gefährdungspotential für Eichenbestände unterschiedlicher Bestandsstruktur zu beurteilen, ist es erforderlich, die populationsdynamisch relevanten Umweltfaktoren zu analysieren und Einblick in ihre Wirkung zu gewinnen. Im Rahmen der Untersuchungen werden folgende Fragestellungen bearbeitet:
- Welchen Einfluss übt die Witterung auf die Populationsentwicklung der Arten aus?
- Welche Auswirkungen bestehen hinsichtlich Vitalität und Regenerationsfähigkeit der Eichen?
- Gibt es praxistaugliche Überwachungs- und Prognoseverfahren für die Schädlingsarten?
Klima der Untersuchungsbestände
Sowohl im Kerngebiet des Eichenprozessionsspinners (Abb. 2) als auch in den Randbereichen wurden in zwölf Eichenbeständen unterschiedlicher Struktur 30 Probekreise mit insgesamt 960 Bäumen angelegt. Seit Herbst 2008 erfolgen kontinuierliche Messungen der für die Insektenentwicklung relevanten Faktoren. Gemessen werden
- die Lufttemperaturen im mittleren Kronenraum und
- die Lufttemperaturen in 1,30 Metern Höhe,
- die Bodentemperaturen sowie
- Bodenfeuchten in zwei Bodentiefen.
Damit lässt sich die klimatische Prägung der Bestände charakterisieren. Die Differenz der monatlichen Durchschnittstemperaturen zwischen dem wärmsten und dem kühlsten Untersuchungsstandort betrug für die einzelnen Monate meist etwa zwei Grad.
Einfluss der Witterung auf die Populationsentwicklung
Abb. 3: Gelege des Eichenprozessionsspinners mit schlüpfenden Eiraupen; wenn die Jungraupen weit vor dem Laubaustrieb schlüpfen, haben sie geringe Überlebenschancen (Foto: G. Lobinger).
Die Populationsdynamik des Eichenprozessionsspinners wird maßgeblich durch den Witterungsverlauf in sensiblen Entwicklungsphasen bestimmt. Die ausbleibende Koinzidenz von Raupenschlupf und Blattaustrieb im Frühjahr 2009 sowie klimatische Extremereignisse in den Untersuchungsjahren 2009-2011 haben das Schädlingsvorkommen stark reduziert. Das unterstreicht die Bedeutung besonderer Witterungsereignisse auf die Dichteentwicklung des Schädlings.
Aufgrund des warmen Aprils 2009 sind die Eiraupen vor dem Blattaustrieb der Eichen geschlüpft. Sie verharrten ohne Nahrungsaufnahme auf den Gelegen und starben teilweise ab. Erst Mitte Mai konnten die Räupchen mit dem einsetzenden Laubaustrieb erste Nahrung aufnehmen.
2010 folgte dem nasskalten Mai eine heiß-trockene Witterungsperiode. Nach der Verpuppung war die Witterung im August von heftigen Regengüssen mit starken Winden geprägt. Ein Großteil der Verpuppungsnester wurde abgerissen und zahlreiche Puppen verfaulten anschließend am Boden. In Beständen mit mehr als einem Verpuppungsnest pro Baum waren im Spätsommer 2010 nur noch 0,1 Verpuppungsnester pro Baum zu finden.
Der Frühling 2011 war der sonnenreichste und zweitwärmste in Bayern seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Allerdings fielen dem starken Spätfrost Anfang Mai zahlreiche blattfressende Raupen zum Opfer. Daher war der Blattverlust durch Raupenfraß gegenüber den Vorjahren weiter rückläufig. Aufgrund der Niederschläge im Juni kam es nicht zu Trockenschäden an der Eiche.
Problematik der Prognoseverfahren
Langjährige Beobachtungsreihen zum Auftreten des Eichenprozessionsspinners fehlen bisher. Prognosen über die zu erwartenden Dichten im Folgejahr werden bislang getroffen anhand der Verpuppungsgespinste an dem Bäumen im Spätsommer und im Winter durch die Zählung frischer Gelege an Probezweigen aus den Kronen gefällter Eichen. Beide Methoden sind aber mit großen Ungenauigkeiten behaftet. Der Eichenprozessionsspinner sucht abhängig von der Bestandsstruktur unterschiedliche Verpuppungsorte auf. In offenen, sehr lichten, einschichtigen Beständen werden die Verpuppungsnester meist im Stammbereich (ca. 60 %) und daher gut einsehbar angelegt (Abb. 4). In geschlossenen Beständen mit Unter- und Zwischenschicht befindet sich der Großteil (ca. 60 %) der Verpuppungsgespinste hingegen in den Kronen, wo sie schlecht erkennbar sind (Abb. 5). Das macht die Dichtebestimmung unsicher.
Zudem muss die reduzierende Wirkung durch natürliche Feinde unberücksichtigt bleiben. Die Parasitierung der Puppen kann beträchtlich sein, zur Kontrolle müssten aber stichprobenartig Gespinste geöffnet werden. Das ist wegen des hohen Gesundheitsrisikos und des erheblichen Aufwands aber nicht praktikabel. Die Aufnahme der Gelegezahlen ist für eine Prognose auf größerer Fläche nicht geeignet.
Ein erprobtes Verfahren für verschiedene forstliche Großschädlinge ist die Pheromonprognose. In Untersuchungen mit Lockstoffen unterschiedlicher Hersteller und Fallentypen ließen sich für den Eichenprozessionsspinner keine Korrelationen zwischen der Populationsdichte und Falteranflügen aufzeigen. Das war auf die unzureichende Pheromonqualität seit 2009 zurückzuführen. Die Versuche werden jedoch mit neuen Lockstoffchargen fortgesetzt.
Fazit
Insekten sind einer Vielzahl von sich wechselseitig beeinflussenden Faktoren unterworfen. Grundlagen ihrer Biologie können zwar im Labor erarbeitet, aber nicht 1:1 in die Natur übertragen werden. Im Zuge des Klimawandels ist es für ein erfolgreiches Schädlingsmanagement besonders wichtig, umfangreiche Kenntnisse über die Ansprüche bekannter wie neu etablierter Forstinsekten an ihren natürlichen Lebensraum zu erarbeiten. Das erfordert kontinuierliche Beobachtungen über längere Zeiträume, die alle Gradationsphasen umfassen.