Der Buchdrucker ist einer der bedeutendsten Forstschädlinge in den Wirtschaftswäldern Mitteleuropas. Um besser einschätzen zu können, welche Bestände besonders gefährdet sind, wurde im Nationalpark das Ausbreitungsverhalten der Käfer erforscht.

Reallabor-Projekt "Borkenkäfer"

Der Wissensdialog Nordschwarzwald ist eines von sieben Reallaboren des Landes Baden-Württemberg und wurde von Januar 2015 bis Dezember 2017 vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördert. Reallabore sind eine neue Kooperationsform in der Forschung, bei der die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Vordergrund steht.

Ziel dieses Ansatzes ist, wissenschaftliche Erkenntnisse besser in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu integrieren. Die Forschungsthemen des Wissensdialogs Nordschwarzwald wurden zum Auftakt in einer "Wissensmesse" gemeinsam mit Akteuren aus der lokalen Bevölkerung erarbeitet. Im Zentrum der Forschung steht dabei die nachhaltige Entwicklung der Region. Das Thema "Borkenkäfer" wurde insbesondere aufgrund seiner Brisanz im Kontext mit dem Nationalpark Schwarzwald von der Bevölkerung ausgewählt.

Im Fokus: die Habitatpräferenzen des Buchdruckers

Der auch "Buchdrucker" genannte Große achtzähnige Fichtenborkenkäfer (Ips typographus L.) ist einer der bedeutendsten Forstschädlinge in den Wirtschaftswäldern Mitteleuropas. Aufgrund seiner hohen forstwirtschaftlichen Relevanz wird er intensiv beforscht. Schwerpunktthemen sind hierbei die Dispersion und die Wirtsfindung des Käfers. Durch die Kenntnis der Ausbreitungsfaktoren ist eine bessere Gefährdungseinschätzung von Beständen möglich. Dies ermöglicht ein zeitlich und räumlich präzisiertes und effektives Management dieses Schadorganismus, wodurch wertvolle Ressourcen gespart und Lebensräume vor vermeidbaren Eingriffen und Störungen geschützt werden können.

Ziel der Forschung ist, die vom Buchdrucker präferierten und damit besonders gefährdeten Konstellationen zu identifizieren. Dazu werden die Landeorte dispergierender Käfer hinsichtlich ihrer spezifischen Charakteristika analysiert und untersucht, ob sich Gelände- oder Bestandesstrukturen erkennen lassen, die der Buchdrucker während der Dispersion präferiert.

Die Methode

In den Jahren 2015 bis 2017 wurden Stammstücke von heimischen Fichten im Versuchsgebiet im Nationalpark Schwarzwald als Brutbäume ausgelegt und eine Besiedlung mit Buchdruckern über Lockstoffe verstärkt. Daraufhin wurde die Rindenoberfläche aller Stämme vor dem Ausfliegen der Jungkäfer mit fluoreszierendem Farbpulver eingefärbt (Abb. 1). Beim Ausbohren aus der Rinde markierten sich die Käfer mit den aufgetragenen Farbpigmenten passiv und waren daraufhin in den rund sechzig weiträumig verteilten Lockstofffallen, mit denen sie gefangen wurden, wieder zu identifizieren (Abb. 2).

Um räumliche oder strukturelle Präferenzen des Buchdruckers erkennen zu können, wurden bei jeder dieser Fallen entsprechende Daten über Gelände- und Bestandesstrukturen erhoben. Anhand dieser Parameter und den täglichen Fängen lassen sich Rückschlüsse auf die Ausbreitungsdynamik, Flugdistanzen und die räumlichen Präferenzen der Käfer ziehen. In einer nachfolgenden Einzelkäferanalyse im Labor wurden Geschlecht und Alter (Jung- oder Altkäfer) der Tiere bestimmt, um Unterschiede im Ausbreitungsverhalten feststellen zu können.

Ergebnisse

2015 wurden über 6.000 markierte Buchdrucker in den Lockstofffallen gefangen. Anhand dieser Käfer konnte festgestellt werden, dass weder das Alter noch das Geschlecht einen signifikanten Einfluss auf das Ausbreitungsverhalten der Buchdrucker hatten. 2016 wurde das Versuchsdesign optimiert, um die Strukturpräferenzen der Buchdrucker während der Dispersion in den Fokus zu stellen. Die Anflughäufigkeit auf die Lockstofffallen variierte bei den markierten Buchdruckern 2016 im gesamten Versuchszeitraum stark (Abb. 3). Statistische Analysen von über 30 räumlichen Parametern auf den Fangerfolg der Fallen ergaben, dass sich fünf Parameter gut zur Prognose der bevorzugten Anflugorte des Buchdruckers eignen:

  1. In der Nähe zu Käfernestern sind die Fangquoten erheblich höher.
  2. Der "Topographic Wetness Index" (TWI), ein statischer hydrologischer Parameter, der aus einem digitalen Geländemodell berechnet wurde, stellt die Trockenstandorte als für den Buchdrucker anziehende Konstellation heraus.
  3. Schon eine geringe Anzahl von Laubbäumen in der Fallenumgebung lässt die Fänge der Käfer deutlich zurückgehen.
  4. Ein hohes Fichtenholzvolumen im Fallenumkreis wirkt anziehend auf Buchdrucker.
  5. Ebenso hat eine große Kronenfläche gemessen in 20 m Höhe einen deutlichen positiven Effekt auf die Anflughäufigkeiten der Fallen.

Zur Validierung der vorläufigen Ergebnisse von 2016 wurde der Versuch 2017 wiederholt. In diesem Jahr konnten im Untersuchungsgebiet jedoch durch die hohe natürliche Lockwirkung von Käfernestern in der Nähe der Fallen und infolge der ungünstigen Witterung nur wenige markierte Buchdrucker eingefangen werden. Die Fänge aus der Wildpopulation bestätigen allerdings die 2016 gerechneten Modelle und damit die identifizierten präferierten Strukturparameter.

Nutzen für die Region Nordschwarzwald

Im Nordschwarzwald hat der Schutz der um den Nationalpark Schwarzwald liegenden Wälder höchste Priorität. Durch die Kenntnis der eindeutigen Habitatpräferenzen und der Dispersionsdynamik des Buchdruckers können Gefährdungskarten für Bestände erstellt werden (Abb. 4). Daraus lassen sich differenzierte Empfehlungen für gezielte und effiziente Befallskontrollen ableiten. Solche Gefährdungskarten können das Borkenkäfer-Management sowohl in den Wirtschaftswäldern als auch im Pufferstreifen zum Nationalpark Schwarzwald präzisieren. Dies schützt die dem Nationalpark benachbarte Wälder und hilft dabei, das typische Landschaftsbild des Nordschwarzwaldes im gesamten Raum zu erhalten.