Als "Quarantäneschaderreger" muss der Asiatische Moschusbockkäfer (Abb. 1) von den EU-Mitgliedsländern jährlich überwacht werden. Er befällt in Europa nur Bäume der Gattung Prunus. Wer den Käfer finden und bekämpfen will, muss also wissen, wo seine Nahrungsbäume vorkommen. Hierbei leistet die Fernerkundung wertvolle Hilfe.

Der Asiatische Moschusbockkäfer (Aromia bungii) kommt ursprünglich aus China. Im Jahr 2011 wurde er erstmals für Deutschland im oberbayerischen Kolbermoor (Lkr. Rosenheim) nachgewiesen. Das seit 2012 laufende Monitoring im Kolbermoor, später auch in Rosenheim, hat immer wieder zum Fund neuer Befallsbäume geführt. Dies führte dazu, dass 2019 eine Quarantänezone (Abb. 3) mit einem Radius von 4 km ausgewiesen wurde. Seitdem ist die jährliche Überwachung aller im Gebiet vorkommenden Wirtsbaumarten vorgeschrieben.

Wirtsbaumarten

Der Asiatische Moschusbockkäfer besitzt ein sehr eingeschränktes Wirtsbaumspektrum und kommt in Europa ausschließlich an Prunus-Arten wie Kirsche, Pflaume, Zwetschge, Aprikose und Pfirsich vor. Im Wald der Quarantänezone um Rosenheim und Kolbermoor kommen als Wirtspflanzen Vogelkirsche, Traubenkirsche und Schlehe in Frage. Das Monitoring in der 113 km² großen Quarantänezone ist für das hierzu zuständige Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) Rosenheim eine große Herausforderung. Um das AELF Rosenheim bei dieser Aufgabe zu unterstützen, wurde ein Fernerkundungsprojekt iniziiert, um mit Hilfe von Luftbildern eine Karte aller im Wald vorkommenden Prunus-Arten zu erstellen, damit alle Nahrungsbäume schnell und zuverlässig aufgefunden und auf einen Befall hin kontrolliert werden können.

Luftbildbefliegung zur Blütezeit

Ziel war hierbei eine Befliegung der Quarantänezone ohne Wolkenbedeckung zur Hauptblütezeit der Prunus-Arten. Am 15. April 2020 wurde der Bildflug von der Firma ILV-Fernerkundung GmbH durchgeführt. An diesem Tag konnten die blühenden Kronen von Vogelkirsche (Abb. 4), Traubenkirsche und Schlehe fotografisch festgehalten werden. Zur Erfassung der gesamten Quarantänezone wurden insgesamt 593 Bilder mit einer Bodenauflösung von 15 cm aufgenommen und an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft stereoskopisch ausgewertet. Damit die Luftbilddaten in einem Geoinformationssystem (GIS) verarbeitet werden können, wurden aus den Luftbildern sogenannte True-Orthophotos berechnet, die im Vergleich zu klassischen Orthophotos eine deutlich bessere Lagegenauigkeit aufweisen.

Kartierung mittels Stereo-Luftbildinterpretation

Für das Monitoring des Schaderregers wurde gemeinsam mit der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) eine Quarantäne-App basierend auf Produkten der Firma ESRI verwendet. Als Grundlage für das Monitoring mit der Quarantäne-App wurden über eine Stereo-Luftbildinterpretation folgende Informationen zu Baumart und Gehölzkategorie mit den Luftbilddaten erfasst:

Baumarten:

  • Schlehe (Prunus spinosa)
  • Gewöhnl. Traubenkirsche (P. padus)
  • Vogelkirsche (P. avium)

Gehölzkategorie:

  • Baum (Höhe >6 m)
  • Strauch (Höhe <6 m)
  • Hecke/Gruppe (mind. 3 Bäume oder Sträucher derselben Prunus-Art)
  • Trupp (Auftreten einer größeren Anzahl an Bäumen oder Sträuchern derselben Prunus-Art)

Erstellung eines Interpretationsschlüssels

Damit die Prunus-Arten mittels einer Stereo-Luftbildinterpretation richtig erkannt werden können, ist die Erstellung eines Interpretationsschlüssel im Vorfeld notwendig. Für diesen Zweck wurden zunächst an ausgewählten Positionen blühende Bäume im digitalen Stereo-Luftbild auf Verdacht kartiert. Zur Überprüfung dieser Interpretationsergebnisse wurde im Mai 2020 eine Geländebegehung durchgeführt. Am zuverlässigsten konnten Vogelkirschen in den Luftbildern identifiziert werden, die sich aufgrund ihrer markanten weißen Blüte sehr deutlich von den umliegenden Baumarten abgrenzen (Abb. 5, blau markiert). Die Traubenkirsche stach im Luftbild aufgrund der Ausbildung von Blättern zur Blütezeit mit einem lindgrünen Farbton heraus. Dieser charakteristische Farbton der Traubenkirsche lässt sich visuell in den vorliegenden Bilddaten sehr gut von anderen belaubten Laubholzkronen trennen (Abb. 5, rot markiert). Im Feld wurden auch Schlehen aufgesucht, die im Luftbild leicht gräulich-weiß erscheinen (Abb. 5, gelb markiert). Weitere Gehölze wurden mittels GPS-Gerät aufgenommen und zusätzlich in ausgedruckten Luftbildern markiert. Diese Felddaten wurden anschließend dazu verwendet, einen Interpretationsschlüssel nach der VDI-Richtlinie 3793 (VDI 1993) zu erstellen.

Kartiergrundlage für das Monitoring

Die ausgewiesene Quarantänezone, in welcher das Monitoring durchgeführt werden muss, besitzt eine Waldfläche von 2.329 ha. Um die Lokalisierung der Bäume im Wald zu erleichtern, wurden mit Hilfe der Stereo-Luftbildinterpretation die Baumkoordinaten zusammen mit den oben aufgeführten Kenngrößen erfasst. Die Anzahl der interpretierten Prunus-Arten in Bezug auf die Gehölzkategorien ist in Abbildung 6 zusammengefasst. Am häufigsten trat die Traubenkirsche auf, die speziell den Flußauen entlang der Mangfall und des Inns sowie in moorigen Gebieten vorkommt. Die Vogelkirsche konnte vorwiegend als Kategorie "Baum" interpretiert werden und trat am häufigsten in der Nähe von Siedlungsbereichen, aber auch auf der Innflußterrasse und entlang von Waldrändern auf. Da die Schlehe vorwiegend an Waldrändern im Unterstand oder entlang kleinerer Bäche auftritt, konnten vorwiegend "Hecken/Gruppen" und "Trupps" interpretiert werden.

Verifizierung im Gelände

Um die im Luftbild erhobenen Daten auf ihre Plausibilität zu überprüfen, wurde im August 2020 eine Geländebegehung durchgeführt. Mittels GPS-Gerät und ausgedruckten Übersichtskarten wurden vorher festgelegte Flächen aufgesucht. Hierbei zeigte sich eine hohe Übereinstimmung der in den Luftbildern aufgenommenen Bäume und Sträucher mit dem tatsächlichen Vorkommen im Wald. Auch Traubenkirschen im luftbildsichtbaren Unterstand wurden richtig erkannt.

Es zeigten sich aber auch die Grenzen der Stereo-Luftbildinterpretation für die ausgewählten Prunus-Arten. Beispielsweise konnte eine einzeln stehende Vogelkirsche nicht korrekt erkannt werden. Grund dafür war, dass der Einzelbaum auf einem hellen Boden ohne Unterwuchs stand und der Kontrast zwischen dem weiß blühenden Baum und dem hellen Untergrund nicht ausreichend war, um die Vogelkirsche im Luftbild als solche zu erkennen. Bäume, die zum Zeitpunkt der Befliegung nicht geblüht haben, wurden ebenfalls nicht identifiziert. Dies trifft aber nur auf sehr wenige Vogelkirschen zu. Traubenkirsche und Schlehe konnten auch nicht immer fehlerfrei interpretiert werden, da je nach topografischer und lokalklimatischer Lage die Bäume bereits verblüht waren oder im Unterstand teilweise nicht erfasst werden konnten.

Trotz dieser Einschränkungen konnte das Ziel einer Erstinventur der Prunus-Arten in der Quarantänezone erfolgreich umgesetzt werden, da nun erstmals belastbare Anhaltswerte für die Gehölzzahlen – gerade bei Trauben- und Vogelkirsche – mit Lagekoordinaten zur Verfügung stehen.

Rückmeldung aus der Praxis

Die erhobenen Daten werden in der Quarantänezone von den Beschäftigen der Bayerischen Forstverwaltung für das Monitoring verwendet, die die Prunus-Gehölze auf einen Befall durch den Moschusbockkäfer hin untersuchen müssen. Bisher zeigte sich, dass die drei aufgenommenen Baumarten (Schlehe, Traubenkirsche und Vogelkirsche) mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit richtig interpretiert wurden. Die Lagegenauigkeit beträgt dabei ungefähr zwei Meter und wurde als ausreichend genau bewertet. Allgemein ist die Genauigkeit der Standortbestimmung im Gelände vom Empfang des verwendeten GPS-Geräts abhängig und beträgt bei gutem Empfang zwischen ein bis drei Metern. Darüber hinaus zeigte sich, dass in sehr wenigen Fällen auch Prunus-Gehölze im Gelände gefunden wurden, die durch die Luftbildinterpretation nicht erfasst werden konnten. Die nun zur Verfügung stehenden Inventurdaten zu den drei ausgewerteten Prunus-Arten bedeuten eine große Arbeitserleichterung für alle im Moschusbock-Monitoring Beschäftigten des AELF Rosenheim.

Aromia bungii – ein Quarantäneschädling

Der aus China stammende Bockkäfer "Aromia bungii " wurde 2011 im Kolbermoor erstmals für Deutschland nachgewiesen. Die Käfer werden häufig als Larven über Verpackungsholz und Pflanzen oder als Käfer in Form eines "blinden Passagiers" mit LKWs eingeschleppt. Der Asiatische Moschusbockkäfer besitzt ein sehr eingeschränktes Wirtsbaumspektrum und kommt in Europa ausschließlich an Prunus-Arten vor. In der Quarantänezone um Rosenheim und Kolbermoor kommen als Wirtspflanzen nur Vogelkirsche, Traubenkirsche und Schlehe in Frage. Der Schaden wird durch die im Stamm und in Starkästen lebenden Larven verursacht. Nach mehrmaligem und langjährigem Befall kommt es zum Absterben des Baumes (Abb. 7).

Die Larven, die sich erst unter der Rinde und dann im Holz entwickeln, benötigen meist drei Jahre, bis schließlich der Käfer im Sommer ausfliegt. In der frühen Phase des Befalls ist es sehr schwer, den befallenen Baum zu erkennen, weil nur wenige und sehr feine Holzspäne aus den Larvengängen ausgeworfen werden. Erst wenn der Baum erneut von einem Moschusbockkäfer befallen wird bzw. die Larven groß genug sind und letztlich der Käfer ausfliegt, können größere Mengen gröberer Späne entdeckt werden. Dann hat man den größten Erfolg, befallene Kirschen mit Fernglas oder/und Baumsteigern ausfindig zu machen.

Da der Asiatische Moschusbockkäfer in der EU-Liste der "Prioritären Quarantäneschaderreger" aufgeführt ist, muss dieser von den Mitgliedsländern jährlich überwacht werden. Dieses verpflichtende Monitoring läuft bereits seit 2012 und wird vom AELF Rosenheim durchgeführt. Um das AELF Rosenheim bei dem aufwendigen Monitoring zu unterstützen, wurde die Idee geboren, eine Karte aller im Wald vorkommenden Prunus-Arten zu erstellen. So wurde über dem Quarantänegebiet zur Zeit der Kirschblüte ein Bildflug durchgeführt, um aus dem Luftbild heraus die Wirtsbaumarten des Moschusbockkäfers und damit auch den Moschusbockkäfer selbst aufzufinden.

Zusammenfassung

Im Juli 2011 wurde der Asiatische Moschusbockkäfer in einem Garten in Kolbermoor erstmals in Deutschland entdeckt. Als immer neue Befallsbäume gefunden wurden, wurde 2019 eine Quarantänezone eingerichtet, mit dem Ziel diese Art wieder auszurotten bzw. die weitere Ausbreitung des EU-Quarantäneschädlings zu verhindern. Dafür ist es wichtig, Kenntnis über die Vorkommen der für den Schaderreger spezifischen Wirtsbäume zu haben.
Im vorliegenden Fall konnte die Verbreitung der Wirtsbaum-Gattung "Prunus" durch Erfassung aus Luftbildern zum Blühzeitpunkt ermittelt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die mit dem Monitoring betrauten Personen mit der Information aus der Luftbildinterpretation eine gute Grundlage für das Auffinden der Prunus-Arten haben.