Das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) und die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) starteten im Sommer 2015 mit "Esche in Not" eine in Mitteleuropa einzigartige Erhaltungsinitiative für die Baumart Esche. Aktive Generhaltungs- und Züchtungsmaßnahmen sollen den natürlichen Vorgang der Resistenzbildung gegenüber dem Eschentriebsterben unterstützen und beschleunigen.
Seit über 20 Jahren setzt der Schlauchpilz Hymenoscyphus fraxineus (das Eschen-Stengelbecherchen) der Gemeinen Esche (Fraxinus excelsior) in Europa schwer zu. Aufgrund fehlender Koevolution und Abwehrmechanismen sind die meisten Eschen dem Erreger ausgeliefert. Das Eschentriebsterben schädigt befallene Bäume massiv und verläuft häufig tödlich. Eine nachhaltige Waldwirtschaft mit Esche ist durch die flächige Schädigung der Baumart unmöglich geworden und in den nächsten Jahren ist ein deutlicher Rückgang des Eschenanteils in Österreichs Wäldern zu erwarten.
Krankheitsresistente Eschen
Abb. 1: Trotz hohem Infektionsdruck gering geschädigte Esche mit wahrscheinlich hoher Resistenz gegenüber dem Eschentriebsterben (im Bild links). Solche gering geschädigten Eschen sind für das Projekt "Esche in Not" von großem Interesse und sollen dem BFW unbedingt gemeldet werden.
Rund zehn Jahre nach dem Ausbruch der Krankheit in Österreich und somit zehn Jahren an natürlicher Selektion können noch immer einzelne gesunde oder nur leicht befallene Bäume (Abb. 1) in schwer vom Eschentriebsterben erkrankten Waldbeständen beobachtet werden.
Untersuchungen in österreichischen Eschen-Samenplantagen (Freinschlag, 2013) zeigten ebenfalls eine hohe Variation in der Schädigung von Eschen-Klonen durch das Eschentriebsterben (Abb. 2) und einen Zusammenhang zwischen der Krankheitsintensität von Mutterklonen und ihren Nachkommen aus Einzelbaumabsaaten. Gleichlautende Ergebnisse liegen aus anderen europäischen Ländern vor. Diese Befunde geben Hoffnung und bilden den Grundstein für die Initiative zum Erhalt der ökologisch und ökonomisch wichtigen Baumart Esche.
Abb. 2: Große Variation in der Anfälligkeit von Genotypen gegenüber dem Eschentriebsterben in der Samenplantage Feldkirchen an der Donau (Oberösterreich), dargestellt durch die mittlere Triebsterbensintensität (+ Standardabweichung) in Prozent geschädigter Krone an den 51 Eschen-Klonen (2 - 4 Bäume pro Klon, insgesamt 184 Bäume; Erhebung: 3. und 4. Juni 2015).
Es ist anzunehmen, dass Eschen, welche trotz jahrelangen hohen Infektionsdrucks nur gering vom Eschentriebsterben geschädigt werden, effektive Abwehrmechanismen und eine hohe Resistenz gegenüber H. fraxineus besitzen. Langfristig gesehen könnte es, ausgehend von Genotypen mit dauerhaft hoher Krankheitsresistenz, zu einer natürlichen Anpassung der Eschenpopulationen an den Krankheitserreger kommen.
Über natürliche Selektion könnte sich ein Gleichgewicht von Virulenz des Erregers und Resistenz der Wirtsbaumart einstellen, allerdings, falls überhaupt, erst nach vielen Baumgenerationen und womöglich erst in Hunderten bis Tausenden von Jahren. Durch Resistenzzüchtung kann dieser Zeitraum wesentlich verkürzt werden, und dies erscheint mangels anderer effektiver Waldschutzmaßnahmen die einzige Chance zu sein, die Baumart Esche zu erhalten.
Lösungsansatz
Im Rahmen des Projektes "Esche in Not" sollen Bäume mit hoher Widerstandskraft gezielt gefördert und der natürliche Anpassungsvorgang an den Krankheitserreger beschleunigt werden. Durch ein gezieltes Zusammenbringen von vereinzelt vorkommenden, in der Natur weit voneinander entfernt stehenden feldresistenten Eschen in Samenplantagen wird die Weitergabe der genetischen Resistenz an Folgegenerationen sichergestellt.
Seit 2015 wird österreichweit versucht, gesunde Eschen in stark befallenen Beständen aufzuspüren, zu erfassen und zu beernten. Gesunde oder nur gering geschädigte, samentragende Eschen mit einem guten allgemeinen Gesundheitszustand, einem arttypischen Kronenaufbau, einer dichten und gleichmäßigen Belaubung und idealerweise einem Durchmesser in Brusthöhe von 20 bis 30 cm werden zur Beerntung ausgewählt. Je jünger eine gering oder gar nicht erkrankte Esche ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie hoch resistent ist.
Abb. 3: Anzucht der im Jahr 2016 gekeimten Eschen für den Resistenztest im Versuchsgarten des BFW in Tulln, Niederösterreich (Bild: BFW)
Das gewonnene grüne Saatgut wird im Versuchsgarten des BFW bei Tulln (Niederösterreich) ausgesät und nach erfolgter Keimung zu Jungpflanzen herangezogen. Zu Beginn der zweiten Vegetationsperiode wird dort ein Feldversuch angelegt, bei dem die Pflanzen natürlichen Infektionen durch H. fraxineus ausgesetzt werden. Die Nachkommen werden auf ihre Anfälligkeit für das Eschentriebsterben geprüft, daraus kann das Resistenzniveau des jeweiligen Mutterbaumes und die Heritabilität (Vererbbarkeit) dieses Merkmals eingeschätzt werden.
In einem weiteren Schritt ist geplant, gering geschädigte, resistente männliche Eschen im Umkreis von besonders resistenten Mutterbäumen aufzusuchen und mittels genetischer Elternschaftsanalyse als mögliche Pollenspender der getesteten Nachkommen zu identifizieren. Nach Schätzung des Zuchtwertes der weiblichen und männlichen Eschen sollen die besten Mutter- und Vaterbäume sowie ausgewählte Nachkommen mittels Pfropfung vermehrt und in einer Samenplantage zusammengebracht werden.
Mit den dort produzierten Samen werden Eschen mit hoher Krankheitsresistenz angezogen, welche die Erhaltung der Baumart sicherstellen sollen. Bis zur ersten Saatguternte, mit der frühestens in rund 15 bis 20 Jahren zu rechnen ist, soll der forstlichen Praxis ein durch Stecklinge vermehrtes Klongemisch von Eschen mit hoher Resistenz zur Verfügung gestellt werden.
Waldbesitzer melden gesunde, samentragende Eschen
Im Juli 2015 erfolgte ein Aufruf zur Beteiligung an der Suche nach gesunden, samentragenden Eschen in vom Eschentriebsterben stark geschädigten Beständen. Dank der Mithilfe der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sowie am Wald Interessierte konnten 566 Standorte (Abb. 4) aufgesucht und von 580 Einzelbäumen Saatgut gewonnen werden. Dieses wurde noch im Herbst 2015 im Versuchsgarten des BFW ausgesät. Bereits im ersten Jahr nach der Aussaat konnten 6.388 Eschen angezogen werden. Die für die Resistenzprüfung geplante Anzahl von 60 Nachkommen pro Mutterbaum wird 2017 nach der Keimung des überliegenden Saatgutes aus dem Jahr 2015 erreicht. Im Spätwinter oder Frühjahr 2017 wird mit der Anlage des Feldversuches zur Testung der Resistenz der Einzelbaumnachkommenschaften begonnen, der später sukzessive erweitert werden wird.
Abb. 4: Österreichweite Meldungen potenziell resistenter Eschen seit Projektbeginn 2015
In dem 25-minütigen Film “Die Esche - Eine Baumart in Not” werden der Forschungsansatz von BFW und BOKU zur Erhaltung der Esche, ihre ökologische und wirtschaftliche Bedeutung sowie deren Bedrohung durch das Eschentriebsterben präsentiert.
Danksagung
Das Eschenerhaltungsprojekt "Bedrohtes Erbgut Esche" / "Esche in Not" (2015–2019) wird durch die Landwirtschaftskammer Österreich, das Ministerium für ein lebenswertes Österreich (BMLFUW Forschungsprojekt Nr. 101113), den Österreichischen Forstverein, die Landesforstdirektionen der Bundesländer Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg, die Naturschutzabteilungen der Länder Salzburg und Oberösterreich sowie durch das Forstamt der Stadt Wien (MA 49) finanziell unterstützt.
Literatur
- Freinschlag, C. (2013): Untersuchungen zum Eschentriebsterben in Eschen-Samenplantagen in Österreich. Masterarbeit - Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz (IFFF), Universität für Bodenkulturv Wien (BOKU), 140 Seiten