Wer innovativ ist, vergrössert seine Chancen, im Markt zu bestehen. Und weil der Wald und seine Ressourcen in der Gesellschaft grundsätzlich auf sehr viel Wohlwollen und Interesse stossen, macht es Sinn, sich über Innovationen in der Forstwirtschaft ausführlicher Gedanken zu machen.
Aus diesem Grund kamen am 18. November 2010 an einer von der Fortbildung Wald und Landschaft, der Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL und der Aktion Zündholz organisierten Praxiswerkstatt über 30 Fachleute in Hirschthal/AG zusammen. An der Veranstaltung wurden einige innovative Produkte und Dienstleistungen aus dem Wald vorgestellt. Und das Kreativunternehmen Brainstore ("Entwicklung neuer Produkte") gab Tipps, wie man trotz Stolpersteinen zu innovativen Zielen kommt und diese im Forstbetrieb verankert, pflegt sowie Folgeprodukte entwickelt. Starke Ideen sind die Grundlage starker Innovationen.
Spielplätze aus Kastanienholz
Kastanienwälder prägen das Landschaftsbild des Tessins und der Bündner Südtäler. An vielen Orten leisten die Wälder Schutz vor Naturgefahren und sind ein wesentliches Landschaftselement. Sie zu sichern, schützen und verwerten ist eine zentrale, regional- und entwicklungspolitische Aufgabe.
Kastanienholz ist sehr dauerhaft, bleibt über 30-40 Jahre widerstandsfähig, muss nicht imprägniert werden, ist einfach zu verarbeiten und vielseitig verwendbar (Beeteinfassungen, Bodenbeläge, Weinreben, Dachschindeln oder Hangsicherungseinrichtungen, Lärmschutzwände etc.). Nur etwa 10 % des geernteten Holzes sind Nutzholz, etwa 70 % Energieholz. Doch was macht man mit den verbleibenden 23 % Holz minderwertiger Qualität?
Anfang der 1990er Jahre hatten Fulvio Giudici (Federlegno Ticino) und einige Tessiner Kollegen die Idee, aus Kastanienholz Spielplätze zu gestalten. Diese sind gleichzeitig ein gutes Beispiel für eine nachhaltige, kaskadenartige Holznutzung, denn die Nutzungsdauer potenziellen Brennholzes wird verlängert. Federlegno Ticino, Dachverband für Waldbesitzer, Forstunternehmen und Holzindustrie, ermöglichte den Erfahrungsaustausch unter allen Beteiligten, organisierte das Netzwerk und trug zur technischen Sicherheit und Qualitätsverbesserung bei.
Abb. 2 - Der 40 cm dicke Bodenbelag unter der "Arche Noah" in Gudo ist ebenfalls aus Kastanienholz und erfüllt alle Sicherheitsaspekte. Foto: Fulvio Giudici
Abb. 3 - Ein Spielplatz wie er Kindern ganz offensichtlich viel Spass macht. Foto: Fulvio Giudici
Erfolgsfaktoren dieses Projektes
- die Exklusivität - jeder Spielplatz ist einzigartig und den lokalen Gegebenheiten und Wünschen der Auftraggeber angepasst (Rollbahn mit Kugeln, Labyrinthe, Parcours für Mountainbiker, Arche Noah, spezieller Boden und Schaukeln);
- Ausrichtung auf lokale Bedürfnisse;
- hohe Wertschätzung durch soziale und emotionale Komponenten, denn Gemeinden, Schulen oder lokale Betriebe sind eingebunden;
- ästhetische und künstlerische Aspekte werden berücksichtigt (u.a. hat der Neffe von Alberto Giaccometti an diesem Projekt mitgearbeitet).
Zu diesem Projekt gibt es eine CD-Rom mit umfangreichen Informationen sowie Entscheidungshilfen für alle Phasen eines Spielplatzprojektes, wie z.B. Geldbeschaffung, Realisierung, Materialliste und -kosten, Konstruktionszeichnungen oder Unterhalt, die in Zusammenarbeit mit dem Sezione forestale cantonale erstellt wurde. Unterdessen sind 60 verschiedene Spielplätze entstanden.
Die Schulkinder lernen in einem Spielplatzprojekt den Weg vom Holz als lebendem Baum im Wald über die Verarbeitung in einem örtlichen Betrieb bis hin zum fertigen Spielplatz in ihrer Gemeinde kennen. Nachdem die Menschen zuerst im Wald waren, kommt der Wald dann in die Stadt, z.B. auf eine Gemeindefläche, in ein Einkaufszentrum oder auf ein Schulgelände. Dies sorgt für ein positives Image der Forstbetriebe, der Gemeinden und der involvierten Projektbetriebe. Der Forstbetrieb bietet seinen Kunden den Rohstoff, die Konzipierung und gegebenenfalls auch den Bau eines Holzspielplatzes an. Die Einwohner der auftraggebenden Gemeinden und örtliche Verarbeitungsbetriebe werden in die Arbeiten mit einbezogen. Nach Fertigstellung sorgen die Forstbetriebe für den Unterhalt der Spielplätze. Das Beispiel aus dem Tessin ist ein Musterbeispiel einer kurzen Wald-Holz-Kette.
Lohnender Trüffelanbau
Eine andere innovative Idee für Forstbetriebe oder Waldbesitzer ist der Anbau von Edeltrüffeln, wie Jean-Marie Dumaine, Präsident Ahrtrüffel e.V. eindrücklich schilderte. Voraussetzungen dafür ist neben kalkhaltigen Böden mit einem ph-Wert über 7,5 das Vorhandensein entsprechender Baumsetzlinge aus der Region, die mit dem Pilz (hier Burgundertrüffel) geimpft werden. Trüffel sind Schlauchpilze, die in Symbiose mit verschiedenen Baumarten wie Eichen-, Buchen- und Haselarten, aber auch Linden, Kirschen oder Wildäpfeln leben.
Was macht Trüffelanbau für Forstwirte und Waldbesitzer interessant?
- die natürlichen Funde in Europa nehmen ab
- die Nachfrage ist konstant hoch
- die Verkaufspreise sind äusserst attraktiv
- der Anbau ist bereits erprobt und Erfolg versprechend
- die Anbaukosten sind überschaubar
- der Klimawandel erschliesst neue Anbauregionen
Was sind die Risiken und Mühen?
- Wildverbiss der Setzlinge
- Wasserversorgung (ca. alle 10 Tage)
- Pflegeaufwand (u.a. Mulchen)
- Schutz vor "Trüffelwilderei"
- Ausbleiben der Produktion z.B. durch Baumkrankheiten oder klimatische Bedingungen; normalerweise erste Ernte nach 3-5 Jahren; jährliche Schwankungen in der Produktion möglich
Forstbetriebe, in denen die Produktionsvoraussetzungen gegeben sind, können den innovativen Trüffelanbau schnell gewinnbringend vermarkten. Neben dem Verkauf von Setzlingen besteht ein grosses Interesse an (bezahlten) Exkursionen, die sich in Zusammenarbeit mit örtlicher Gastronomie oder mit der Demonstration von Trüffelhunden durchführen lassen. Brachflächen oder auch Waldränder, also relativ unproduktive und schmale Flächen, lassen sich durch die Trüffelzucht in Wert setzen. Nach einem Einschlag können auch Aufforstungen mit geimpften Setzlingen erfolgen, wobei die Nutzholzverwertung langfristig erhalten bleibt. Denn der Trüffelanbau lässt sich als normale forstliche Nutzung betreiben; er erweitert die bestehenden Nutzungsarten lediglich.
"Fertige" Truffièren müssen zweimal im Jahr gepflegt und bearbeitet werden. Die notwendigen Geräte sind im Forstbetrieb in der Regel vorhanden. Eventuell muss gelegentlich Wasser zugeführt werden, falls es längere Zeit nicht regnet. Ein Forstbetrieb, der selbst keinen Trüffel anbauen will oder kann, könnte sich auf die Setzlingsproduktion der lokalen Baumarten spezialisieren und somit als Zulieferer fungieren.
Abb. 4 - Eine lichte Waldwiese als möglicher Standort für eine Trüffelzucht. Foto: Beat Wermelinger (WSL)
Abb. 5 - Der Übergangsbereich von Wald zu landwirtschaft-
licher Fläche kann mit einem breiteren Waldrand aufgewertet und zudem zur Trüffelzucht genutzt werden. Foto: Ulrich Wasem (WSL)
Die Arve – ein Multitalent
Abb. 6 - Tamangur in Graubünden, der höchstgelegene Arvenwald Europas. Foto: Thomas Reich (WSL)
Die Arve vereint mehrere positive Eigenschaften und ist für Forstbetriebe und Waldbesitzer im Gebirge eine interessante Baumart. Josef Heim, Obmann des Waldverbands Tirol, zeigte, dass in Tirol Ende der 1990er Jahre etwa 36'000 Kubikmeter Arvenholz pro Jahr produziert, jedoch nur 3'000 Kubikmeter Arvenholz genutzt wurden. Unter dem Strich ergab dies einen Verlust von 3,6 Mio. Euro an Wertschöpfung pro Jahr für alle Waldbesitzer, die über Arvenwälder verfügen.
1999 fand dann eine Vier-Länderkonferenz in Tirol zum Thema Arve statt. Diese wollte Erfahrungswissen bündeln und die positiven Eigenschaften des Arvenholzes und seiner Verwendung bekannter machen. Allerdings gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch keine wissenschaftliche Untermauerung dieser Erfahrungswerte. Im INTERRG-Projekt "ARGE" mit Partnern aus Südtirol, Italien, und Österreich sowie dem Bündner Waldwirtschaftsverband SELVA wurde die Auswirkung von Arvenholz auf den Menschen untersucht. Es zeigt sich, dass ein Arvenholzbett u.a. die Tiefe des Schlafes verbessert und die mittlere Herzschlagfrequenz herabsetzt. Die gewonnenen Ergebnisse wurden auf www.zirbe.info einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die Arve entwickelte sich nun vom Traditionsholz zu einer trendigen Baumart. Holzpreis und Nachfrage sind inzwischen stark gestiegen und viele Schreinereien spezialisierten sich auf Produkte aus Arvenholz. Unterdessen verwendet man diese Holzart in Arvenkissen und -decken, Möbeln, im Gastronomie- und Wellnessbereich, als Terrassenholz und Skulpturen. In Österreich wurden sogar Arven - und Designerwettbewerbe ausgeschrieben, um neue Impulse zu geben.
Die Arve erlangte durch die wissenschaftlich untermauerten Studienergebnisse öffentliche Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse passten zum allgemeinen Gesundheits- und Wellnesstrend. Verarbeitende Betriebe sprangen auf diesen Zug auf und nutzten ihre Chance. Hilfreich war, dass eine firmenneutrale, etablierte Organisation (proHolz Tirol) kontinuierlich dieses Thema betreute und das öffentliche Interesse wach hielt.
Die Biberburg in Hirschthal
Abb. 7 - Biberburg in Hirschthal / AG. Foto: Brigitte Lüscher
Abb. 8 - Öffentlicher Anlass in der Biberburg. Foto: Brigitte Lüscher
Die Grossveranstaltung "400 Jahre Wald Hirschthal" war die Inspiration, etwas Neues und gleichzeitig Nachhaltiges zu schaffen. Natur, Kultur und Geselligkeit sind die Hauptmotive des Vereins Wald Hirschthal "Biberburg", um Menschen näher zur Natur zu bringen. Das Kulturprogramm will Besucher jeden Alters sensibilisieren, die Umwelt aktiv und nachhaltig zu beeinflussen. Dabei wird mit 5 % der Konsumation in der Biberburg ein dem Wald nahe stehendes Umweltprojekt unterstützt. Die Biberburg selbst ist ein Nonprofit-Betrieb, dessen Gewinn dem Verein gehört und für Waldprojekte im Bereich Umwelt-, Naturschutz oder Kultur verwendet wird. Obwohl diese Einrichtung unabhängig vom örtlichen Forstbetrieb ist, gibt es doch eine Symbiose, denn Vereine und Firmen, die die Biberburg für Anlässe mieten, buchen meist gleichzeitig beim Forstbetrieb noch eine Waldführung.
Die Biberburg wurde mit einheimischen und wieder verwertbaren Rohstoffen gebaut, vor allem mit Holz. Die Vereinsmitglieder setzten mit Hilfe von Sponsoren und Gönnern gemeinsam dieses Projekt um. Alle Sitzungen oder Anlässe im Vorfeld fanden im Wald statt, um die Initiatoren und Wegbegleiter das Thema spüren zu lassen. Bezüglich Kosten wurde kein Korsett geschnürt, dem Brainstorming wurde freier Lauf gelassen: "Unmögliches gibt es nicht - gute Vorschläge finden auch spezielle Sponsoren", war die Devise. "Nur so werden innovative Ideen geboren", sagt Urs Gsell, Präsident Verein Wald Hirschthal "Biberburg".