Wie gut ist unser Wissen über die im Jahre 2100 gesuchten Holzeigenschaften? Wird dann vor allem mit Schwachholz, mit Zierreisig oder mit Starkholz Geld verdient? Ist dann Holz mit dicken Ästen genauso viel Wert wie solches mit dünnen Ästen oder soll es astrein sein? Leben Waldbesitzer dann von der Entschädigung der Betreiber von Trinkwasserbrunnen oder vom Obolus der Erholung suchenden Menschen?
Ein Rückblick in die Vergangenheit zeigt die Problematik einer Vorhersage. Die heute als Furniereichen geernteten Bäume wurden vor 200 bis 350 Jahren zum Zwecke der Viehmast, für Gerbholz, Brennholz oder Bauholz angebaut und gefördert. Ganz sicher nicht zu Furnierholzzwecken.
Der Preis für das Farbholz oder Gerbholz war um 1910 hoch. Je m³ wurde dafür mehr bezahlt als für Fichtenstammholz. Im wärmeren Vorbergland des Schwarzwaldes wuchs die dafür gut geeignete Esskastanie (Tanningehalt in der Rinde bis zu 12 %). Dort wurde damals ausgerechnet, dass man mit dem Anbau der relativ schnell wachsenden Esskastanie reich wird, zumal sie nach der Ernte wieder aus dem Stock ausschlägt. Die Betriebswirtschafter rechneten den Waldbesitzern vor, welch unschlagbar hohen Renditen die Kapitalverzinsung eines Esskastanienwaldes sichert. Die Einfuhr von billigen Gerbstoffen aus den Tropen und die Entwicklung chemischer Gerbstoffe ließ den Markt zusammenbrechen, bevor eine erste Ernte nach rund 20 Jahren möglich gewesen wäre. Heute wird aus solchen Beständen Bauholz geerntet, wenn die Qualität es zulässt.
Die heute so sehr geschätzte Rotbuche erlebte 1958 einen Rückgang der Nachfrage und damit einen Verfall des Holzpreises. Etwa 1968 hatte dieser Preisrückgang die Talsohle erreicht. Das Holz der Rotbuche war 1960 bis 1965 so wenig Wert, dass vom Altholzberg an Buchenholz gesprochen wurde und die Überlegungen dahin gingen, dass am Ende alles Buchenholz zerspant werden wird. Erst um 1980 lag der Preis für Buchenholz wieder nominal auf dem Niveau von 1956. Nach dem Jahr 2000 schwärmten viele von weißem, spannungsfreiem Buchenstammholz, dafür wurde über starkes Nadelholz resümiert.
20 Jahre schlechter oder guter Preise für ein bestimmtes Sortiment sind für den einzelnen Wirtschafter die Hälfte seines beruflichen Lebens. Für einen Waldbestand wiederum sind 20 Jahre allerdings kaum 20 % seines Lebens. Was ist die Nutzanwendung aus den Beispielen? Zum Zeitpunkt der Begründung eines Waldes oder der Pflege-Lenkung ist niemals abzusehen, wozu die Bäume nach weiteren 50 bis 200 Jahren verwendet werden. Folglich: Wer mit heutigen Preisen die langfristige naturale Planung rechtfertigt, der kann zwar zeigen, ob er die Zinseszins-Rechnung beherrscht. Aber die Rechnung kann noch so genau sein, mit ungewissen Daten werden keine sicheren Voraussagen erzielt.
Eine Orientierung an aktuellen Bewertungen führt bei länger als 20 Jahre dauernden Entwicklungen wahrscheinlich zu Ergebnissen, welche im Zeitpunkt der Realisierung zeigen, dass die Erwartungen nicht zutrafen. Dies ist für die Finanzwirtschaftslehre eine deprimierende Feststellung, weil ihr hiermit die Kompetenz für die naturale forstliche Planung entzogen wird.
Was ist daraus zu folgern? Es muss in der Waldwirtschaft eine Strategie gefahren werden, die den Nachkommen alle Optionen einer Holz-Verwendung offen lässt.
Zwischen den Jahren 1820 und 1850 wurde in den deutschen Ländern heftig darüber diskutiert, ob die Lehren von Adam SMITH (1723-1790) auch in der Forstwirtschaft umzusetzen sind und ob, als eine Folgerung daraus, die forstliche Wirtschaft privatisiert werden sollte. Damals kamen kluge Mächtige meistens zum Ergebnis, dass in der Forstwirtschaft ein Handeln auf der Grundlage langfristiger Konzepte unabdingbar ist und dieses langfristige Wirtschaften von staatlichen Forstleuten zuverlässiger geleistet wird, als von einer Privatperson. Zumindest sollten staatliche Forstleute als Kontrolleur die Forstaufsicht ausüben.
Während unstrittig das langfristige Denken und das Wissen um die fehlende Planbarkeit des Marktes über 100 und mehr Jahre eine elementare Grundlage für forstliches Handeln ist, so dürfte die Frage nach dem besten Wirt heute weniger sicher ausfallen. Damals gab es im öffentlichen Bereich das Denken in Dynastien und nicht in vierjährigen Wahlperioden.
An einem besonders strittigen Beispiel soll die Forderung nach einer Strategie, welche den Nachkommen alle Optionen einer Verwendung offen lässt, behandelt werden.
Fichtenstammholz: Massenware oder Wertholz?
Foto: FVA
Fichten sind tote Äste lang haltende Bäume: "Totast-Erhalter" im Gegensatz zu den "Totast-Verlierern", deren tote Äste innerhalb von einem Jahrzehnt vermorschen und abfallen. Wenn heute alte Fichten mit dünnen und wenigen toten Ästen geerntet werden, liegt der Grund dafür in der damaligen Jugenderziehung von Fichtenbeständen: Sie wuchsen sehr dicht auf (um 10.000 Bäumchen je Hektar). Deshalb starben im unteren Teil des Schaftes die Äste dünn ab. Bei den Jungbestandspflegen und frühen Durchforstungen wurden die dünnen toten Äste abgeschlagen: Die Bäume wurden von den Kronen der fallenden Bäume geästet.
Weil heute schwaches Holz bezogen auf den hohen Ernteaufwand je m³ schlecht bezahlt wird, erziehen wir inzwischen die jungen Fichten auf mehr als vierfach größeren Standräumen. Dies führt zu dickeren Ästen. Die Zahl der zu entnehmenden Bäume sinkt entsprechend auf ein Viertel. Die zukünftig zu erntenden Bäume werden somit einen Kern mit stärkeren Ästen aufweisen und – wenn sie nicht geästet sind – wird mehr stärkeres Holz mit dicken toten und lebenden Ästen anfallen.
Damit öffnen wir unseren Erben nicht alle Optionen. Zu einer alle Optionen bietenden Wirtschaft gehört auch ein Anteil astreinen Holzes. Wenn 20 % des in ferner Zukunft anfallenden Holzes astrein sein soll, dann müssen alle in der Endnutzung zu erntenden reifen Fichten einen rund 10 m langen geästeten Erdstamm aufweisen: Die Hälfte der Gesamtnutzung fällt in der Endnutzung an und die Hälfte der Endnutzung steckt in den untersten 10 m des Erntebaumes. Somit stellen die 10 m Erdstämme der Endnutzung rund ein Viertel der Gesamtnutzung. Weil in diesem Viertel innen eine astige Walze steckt, bleiben rund ein Fünftel astreines Stammholz bezogen auf die gesamte Nutzung.
Die Frage, ob sich eine heutige Wertästung zum Zeitpunkt der Ernte des geästeten Baumes als lohnend zeigt, kann niemand beantworten, weil niemand den Wert in 70 bis 150 Jahren vom Erdstamm in geästeter Form im Vergleich zur ungeästeten Form kennt. Dieses Stochern im Nebel der Zukunft führt nie zu einer Gewissheit. Jede gewählte Rechtfertigung ist graue Spekulation.
Wird der geästete Fichtenbaum überhaupt so alt wie geplant? Fällt er früher im Sturm um? Wird er rotfaul? Wird er dank der Klimaerwärmung dürr? Wenn diese Misserfolge als wahrscheinlich angesehen werden, dann ist der Fichtenanbau überhaupt unvernünftig. Dort jedoch, wo Fichten als standortsgeeignet angesehen werden, muss auch bei Fichten den nachfolgenden Generationen jede Option offen gehalten werden.
Zwei Regeln beschreiben eine Grundlage der Gedanken:
- Substitutions-Regel (Ersatzregel): Holz starker Dimension kann (zersägt) zu demselben Zweck verwendet werden, wie Holz schwacher Dimension. Holz schwacher Dimension kann jedoch starkes Holz nicht gleichermaßen ersetzen. Aus Schwachholz kann kein dickes Massivholzbrett angefertigt werden. Holz hoher Güte kann - wie D-Holz - verheizt oder zerspant werden, eine umgekehrte Substitution ist aber nicht möglich. Astreines Holz kann zum selben Zweck verwendet werden, wie astiges Holz. Astiges Holz kann aber astreines nicht ersetzen. Ausnahme: Lebhaft gemasertes Holz mit gesunden Ästen wird gesucht. Da ein starker langkroniger Baum immer auch ein langes grünastiges (dünneres) Schaftstück liefert, dürfte es daran nicht mangeln.
- Sukzessions-Regel (Nachfolgeregel): Astreines Holz kann sich immer erst nach astigem Holz bilden, weil sich zuerst die Sprossachse mit ihren grünen Ästen entwickeln muss. Ist der Kronenbereich über dem angestrebten Erdstammstück angekommen und sind die abgestorbenen Äste abgefallen oder abgesägt, kann sich auf der astigen Kernwalze das astreine Holz anlagern. Je dicker das Stammstück wird, umso mehr astreines Holz enthält der Stammmantel. D. h es ist ein dickes Erdstammstück notwendig, da im Stamminneren ein asthaltiger Kern steckt, der an sich ja noch kein Wertholz darstellt. Wertholz bedeutet daher zumeist auch stärkere Stammdimensionen, weil im dicken Holz auch ein astiger Kern enthalten ist. Schon immer und auch heutzutage konnte vor allem ein über Bäume mit starken, astreinen Stämmen verfügender Forstbetrieb Überschüsse erzielen.
Im Forst ernten stets spätere Generationen die Früchte der Leistung ihrer Vorgänger. Erst der Nachfolger kann über das wirtschaftliche Ergebnis der heute wirkenden Forstleute zutreffend urteilen. Die Antwort auf die Frage, ob die heutige Zielsetzung und Pflege lohnend ist, wird sich unumstößlich und verbindlich erst in einem Jahrhundert im Rückblick geben lassen, aber dann lässt sich eine heutige Entscheidung nicht mehr korrigieren.
Sollte im 22. Jahrhundert tatsächlich die Erholung im Wald die entscheidende Rolle spielen, werden mächtige Bäume diese Nutzung nicht mindern. Sollte Holz dann nur noch chemisch (als Zucker) oder in kleinen Spänen verwendet werden, dann lassen sich mächtige Stämme auch dafür zerkleinern.
Versicherungs-Strategie: Von allem etwas für die Nachkommen in ferner Zukunft
Foto: FVA/Gössl
Aus den Überlegungen folgt als handwerkliche Festlegung: Es ist ein an Baumarten (und damit holzarten) reicher Wald anzustreben, dessen Bäume für den Standort geeignet sind und die gut gepflegt und somit stabil aufwachsen:
"Setze auf stabile, dicke Bäume mit astreinen und gesunden Erdstämmen."
Die Erziehung von Bäumen mit großer langer Krone und starken Erdstämmen hat einen weiteren Vorteil: Bei ihrer Erziehung fällt über lange Zeitspannen hinweg viel Licht auf den Waldboden, weshalb eine natürliche Verjüngung erfolgreich eintreten wird, wenn die Rehwilddichten klein genug gehalten werden. Es wird zwangsläufig ein Dauerwald entstehen. Außerdem wandern auch Waldbesucher lieber in Wäldern mit mächtigen, starken Bäumen als in Schwachholzplantagen.
Ein Waldbesitzer, der kein Geld hat, um die Erziehung von Endbestandsbäumen mit astreinen Erstammstücken zu gewährleisten, benötigt keine Zinseszins-Rechnung der Pflege- und Ästungs-Kosten. Bestenfalls dient sie zur Beruhigung seines hoffentlich schlechten Gewissens gegenüber seinen Nachkommen. Wer jedoch das Geld heute verfügbar hat, der darf sich nicht mit einer Ausrede von seiner Verpflichtung befreien, den Nachkommen alle Optionen offen zu halten und damit auch Bäume zu übergeben, die dicke astreine Erdstämme bilden.