Nach der Halbzeit des laufenden fünften Landesforstinventars (LFI5, siehe Kasten) stechen zwei Entwicklungen im Schweizer Wald ins Auge.

Erstens sind die Folgen der trockenen und warmen Jahre ab 2018 deutlich zu sehen: Es gibt mehr tote und geschädigte Bäume. Damit ändert sich regional die Baumartenzusammensetzung. Die wirtschaftlich wichtigste und häufigste Baumart der Schweiz, die Fichte, ist im Jura, im Mittelland und in den Voralpen zurückgegangen. Auf der Alpensüdseite erleidet die Edelkastanie Einbussen. Der Bestand der Esche, der dritthäufigsten Laubbaumart, ist wegen einer Pilzerkrankung überall stark rückläufig. Die Trockenheit beeinflusst auch das Wachstum der Bäume. Die jährlich nachwachsende Holzmenge ist tiefer als vor fünf Jahren.  

Zweitens wachsen in immer mehr Wäldern wenig junge Bäume nach. Im Durchschnitt der ganzen Schweiz betrifft das einen Viertel der Wälder; in den Alpen und insbesondere auf der Alpensüdseite deutlich mehr. Diese Entwicklung ist nicht direkt mit Wetterextremen verbunden. Doch wenn die Verjüngung fehlt, erholen sich die Wälder nach Störungen wie Stürmen oder Borkenkäferbefall viel langsamer. Sie können die geforderten Leistungen – zum Beispiel Schutz gegen Naturgefahren – erst viel später wieder erfüllen.

Trends in den Regionen

Die Zwischenergebnisse des Landesforstinventars unterscheiden sich regional stark (Details im Originalartikel). In bestimmten Regionen hat sich das Waldbild in kurzer Zeit stark verändert. Speziell in siedlungsnahen Wäldern, wo die absterbenden Bäume auch eine Gefahr für Erholungssuchende darstellen können, mussten Waldbesitzerinnen und -besitzer stark eingreifen. Auch haben sie vom Borkenkäfer befallene Fichten geräumt, um die weitere Ausbreitung des Käfers einzuschränken. Die Lichtungen in den Wäldern sind daher vielerorts grösser als nach einer regulären Holzernte. In ihnen werden Baumarten gefördert, die besser an das Klima der Zukunft angepasst sind.

Jura

Nach dem Trockensommer 2018 starben im Jura die Buchen in grosser Zahl ab.
  • Die Waldfläche blieb konstant.
  • Die Zahl der toten Bäume nahm stark zu (+48.5 ± 7.9%)1. Die Zahl der geschädigten Bäume nahm ebenfalls zu (+21.3 ± 5.0%). Aktuell ist etwa jeder zehnte Baum ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (11.1 ± 0.6%) und jeder fünfte weist einen Schaden auf (20.7 ± 0.8%).
  • Der Holzvorrat ging erstmals zurück (-4.5 ± 1.7%). Er beträgt aktuell 345.1 ± 8.2 m3/ha. Bei den Baumarten Fichte, Buche und Esche sank der Vorrat durch Sterblichkeit, Zwangsnutzung (ausserplanmässiges Fällen von Bäumen) und vorsorgliche Nutzung (um spätere Verluste zu vermeiden).
  • Die Nutzung der Buche erhöhte sich deutlich (um etwa 40% auf 476'000 ± 64'000 m3/Jahr), wohl als Folge ihres massenhaften Absterbens nach dem Trockensommer 2018 (vgl. Zwangsnutzung).
  • Die Zwangsnutzungen nahmen ausgesprochen stark zu (um 130% auf 421'000 ± 97'000 m3/Jahr). Sie machten knapp 30% der Nutzungen aus. Ursachen für die Zwangsnutzungen waren Borkenkäferbefall, Dürre, Windwurf und Pilzbefall.
  • Das Totholzvolumen, insbesondere das stehende, nahm sehr stark zu (+84 ± 16%). Es beläuft sich mittlerweile auf 29.3 ± 2.6 m3/ha. Totholz ist bedeutsam für die Artenvielfalt.

    Bei den Zahlenwerten ist jeweils der Mittelwert ± der Standardfehler angegeben.
    Foto: Marjo Kunnala (BAFU)

Mittelland

Sturmschaden im Schweizer Mittelland
  • Die Waldfläche blieb konstant.
  • Die Zahl der toten wie auch der geschädigten Bäume nahm zu (+17.3 ± 9.4% bzw. +32.1 ± 6.4%). Aktuell ist etwa jeder vierzehnte Baum ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (7.2 ± 0.5%) und jeder fünfte weist einen Schaden auf (19.1 ± 0.8%).
  • Der Holzvorrat ging weiter zurück (diesmal um -6.0 ± 2.0% auf 363.5 ± 8.8 m3/ha). Das heisst, es kam mehr Holz durch Sterblichkeit und Nutzung abhanden als nachwuchs. Bei Fichte und Esche sanken die Vorräte deutlich stärker (-16.5 ± 3.9% bzw. -16.7 ± 5.7%).
  • Die Nutzung der Esche verdoppelte sich nahezu (+85% auf 249'000 ± 45'000 m3/Jahr), da viele Bäume aufgrund des Eschentriebsterbens, einer Pilzkrankheit, abstarben oder zu einer Gefahr für Waldbesuchende und Infrastruktur wurden.
  • Zwangsnutzungen nahmen ausgesprochen stark zu (um 130% auf 986'000 ± 107'000 m3/Jahr). Sie machten 35% der Nutzungen aus. Ursachen für die Zwangsnutzungen waren Borkenkäferbefall, Windwurf, Pilzbefall und Dürre.
  • Das Totholzvolumen erhöhte sich leicht (+14.3 ± 9.6%) und liegt nun bei 18.5 ± 1.7 m3/ha.

    Foto: Barbara Allgaier Leuch (WSL)

Voralpen

Totholzvolumen in den Voralpen ist am höchsten
  • Die Waldfläche blieb konstant.
  • Die Zahl der toten Bäume wie auch der geschädigten Bäume nahm zu (+21.0 ± 5.4 % bzw. +24.6 ± 5.5%). Aktuell ist jeder siebte Baum ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (14.2 ± 0.8%) und fast jeder vierte weist einen Schaden auf (22.9 ± 0.9%).
  • Der Holzvorrat blieb insgesamt konstant bei 430.6 ± 10.3 m3/ha. Bei Fichte und Esche sank er jedoch durch Mortalität, Zwangsnutzung (ausserplanmässiges Fällen von Bäumen) und vorsorgliche Nutzung (-4.9 ± 2.8% bzw. -8.8 ± 7.4%).
  • Das Totholzvolumen stieg an (+25.5 ± 7.7%) und beläuft sich nun auf 43.9 ± 3.0 m3/ha.

    Foto: Simon Speich (WSL)

Alpen

fehlender Jungwuchs in den Alpen
  • Die Waldfläche nahm weiter leicht zu (+0.4 ± 0.1% pro Jahr).
  • Die Zahl der toten Bäume nahm zu (+22.2 ± 3.9%), ebenso die der geschädigten Bäume (+35.4 ± 3.7%). Aktuell ist mehr als ein Sechstel der Bäume ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (15.1 ± 0.6%) und mehr als ein Viertel weist einen Schaden auf (27.8 ± 0.7%).
  • Der Holzvorrat nahm weiter zu (+5.8 ± 1.4%). Er beträgt aktuell 313.8 ± 6.5 m3/ha.
  • Die Bestände wurden etwas dichter und damit dunkler. Dies zeigt u.a. der sogenannte Stand Density Index (SDI), ein objektives Mass, das die Dichte eines Bestandes abbildet (+2.4 ± 1.1%).
  • Das Ausmass von Wildverbiss blieb unverändert bei 17.1 ± 2.2%, d.h. jedem sechsten Bäumchen von 10 bis 129 cm Höhe wurde im Lauf des letzten Jahres von Wildhuftieren der Gipfeltrieb abgefressen.
  • Der Anteil der Waldfläche, auf dem kaum junge Bäume nachwachsen (Verjüngungsdeckungsgrad <5%), nahm stark zu (+25.4 ± 6.0%) und umfasst nun fast einen Drittel der Waldfläche (31.6 ± 1.4%).
  • Das Totholzvolumen stieg an (+25.4 ± 4.9%) und beläuft sich nun auf 34.9 ± 1.7 m3/ha.

    Foto: Barbara Allgaier Leuch/WSL

Alpensüdseite

geschädigte Kastanie in Tessin
  • Die Waldfläche nahm weiter leicht zu (+0.29 ± 0.09% pro Jahr).
  • Die Zahl der toten Bäume (+35.4 ± 7.1%) wie auch die der geschädigten Bäume (+30.2 ± 6.3%) stieg an. Aktuell ist mehr als ein Sechstel der Bäume ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (15.4 ± 0.9%) und fast ein Drittel weist einen Schaden auf (29.3 ± 1.2%). Besonders stark betroffen ist die Kastanie (tot: 32.6 ± 2.8%, geschädigt: 39.5 ± 3.3%). Im Zuge dessen gibt es bei dieser Baumart nahezu keinen Holzzuwachs mehr.
  • Der Holzvorrat nahm weiter zu (+11.2 ± 3.4%). Aktuell beträgt er 262.2 ± 10.8 m3/ha.
  • Die Bestände wurden dichter und damit dunkler. Dies zeigt u.a. der sogenannte Stand Density Index (SDI), ein objektives Mass, das die Dichte eines Bestandes abbildet (+6.9 ± 2.5%).
  • Das Ausmass von Wildverbiss blieb unverändert auf ausgesprochen hohem Niveau: Jedem dritten Bäumchen von 10 bis 129 cm Höhe (31.2 ± 3.9%) wurde im Laufe des letzten Jahres der Gipfeltrieb von Wildhuftieren abgefressen.
  • Der Anteil der Waldfläche, auf dem kaum junge Bäume nachwachsen (Verjüngungsdeckungsgrad <5%), nahm stark zu (+39.6 ± 10.7%) und beträgt nun 40% (40.1 ± 2.3%).
  • Das Totholzvolumen stieg stark an (+52.4 ± 11.6%) und beträgt nun 28.8 ± 2.4 m3/ha.

    Foto: Pietro Bomio/TI

Ergebnisse des LFI5 im Detail

Das Landesforstinventar (LFI) beobachtet den Zustand und die Entwicklung des Schweizer Waldes. Es ist ein gemeinsames, langfristiges Projekt des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Die WSL ist verantwortlich für Planung, Datenerhebung, Analyse und wissenschaftliche Interpretation, das BAFU für die waldpolitische Auslegung. Die erste Erhebung (LFI1) wurde in den 1980er-Jahren durchgeführt.

Die Zwischenergebnisse der fünften Erhebung (LFI5) liegen im Internet in Form von Tabellen und Karten vor.

Schweizerisches Landesforstinventar LFI