Rutschungen, eine verkannte Gefahr?

In den letzten Jahren haben Extremniederschläge zahlreiche Rutschungen ausgelöst. Siedlungen und Infrastruktur wurden zum Teil massiv geschädigt und Todesopfer waren zu beklagen. Wie kann man rutschungsgefährdete Bereiche erkennen und welche Maßnahmen sind notwendig, um Schäden zu minimieren?

Grundsätzlich sind Erosion und Rutschungen in "jungen Gebirgen" wie den Alpen natürliche Phänomene. Man denke nur an die heute leicht hügelige Landschaft des Waldviertels, wo sich vor rund 300 Millionen Jahren (variszische Gebirgsbildung) noch über 5000 m hohe Gebirgszüge erhoben haben. Probleme sind dann vorprogrammiert, wenn der Mensch diese Bereiche besiedelt oder sie nutzen will.

Rutschungen gefährden den Menschen und sein Hab und Gut. Steht ein Haus in einem Bereich, wo es zu Bewegungen im Boden kommt, so ist es absehbar, dass hier leicht Schäden bis hin zur Zerstörung der Liegenschaft entstehen können. Ablagerungen von Rutschungen können Häuser verschütten, oder wenn das Rutschungsmaterial "in Fahrt kommt" (Hangmuren) sogar zerstören. Während große Hangbewegungen heute oft bereits gut dokumentiert sind, ist dies im Falle flachgründiger, eher kleiner (spontaner) Lockersedimentrutschungen anders. Die Fragen nach dem "wo" und der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens sind hier die Knackpunkte.

Wie kommt es zu Rutschungen?

Erdrutsche sind mit freiem Auge wahrnehmbare Gleitbewegungen von Lockermassen entlang von Gleitflächen. Die Materialverlagerung erfolgt überwiegend aufgrund der Schwerkraft. Der Widerstand, den Böden jeder Bewegung entgegenbringen, setzt sich aus der inneren Reibung (Rf) und der Haftung (N) zusammen. Demgegenüber steht die treibende Kraft (T), die im Wesentlichen aus dem Eigengewicht (Schwerkraft) in Verbindung mit der Hangneigung resultiert.

Für das Auftreten von Erdrutschen ist die Geländeneigung das wichtigste Kriterium, da mit steigender Neigung die durch das Eigengewicht des Bodens bedingte treibende Kraft immer größer wird (Abbildung 1). Auch der Wassergehalt im Untergrund ist eine wichtige Einflussgröße. Einerseits erhöht mehr Wasser im Boden dessen Eigengewicht, andererseits werden innere Reibung und Haftung verringert. Je "mehr Wasser" in einem Hang ist, desto leichter gerät er bei ansonsten gleichen Bedingungen in Bewegung.

Wann wird es wo gefährlich?

Es wäre hilfreich, über die Rutschungsdisposition stärker geneigter Hänge bereits vor dem Eintreten gefährlicher Situationen Bescheid zu wissen, um allfällige Maßnahmen, von (präventiven) Schutzbauwerken bis hin zu Evakuierungen im Katastrophenfall, bestmöglich steuern zu können. Doch selbst für den Experten ist es manchmal schwierig, ohne ausreichende Informationen (zum Beispiel über vorangegangene Ereignisse) die Rutschungsdisposition richtig einzuschätzen.

Prinzipiell wird zwischen Grunddisposition und variabler Disposition eines Gebietes unterschieden (Rutschungsauslösung siehe Abbildung 3). Während die Grunddispositionen über längere Zeiträume weitgehend gleich bleibt (wie etwa Hangneigung), schwankt die variable Disposition (beispielsweise Vegetationseinfluss). Zusammen entscheiden sie, welche Belastungen (meist extreme Niederschlagsmengen) der Hang aufnehmen kann, bevor er ins Rutschen gerät.

Kann man Gefahrenbereiche erkennen?

Rutschungen können erst ab gewissen Hangneigungen auftreten. Zusätzliche relevante Faktoren sind Bodentyp und Vegetation, da sie den Wassergehalt des Bodens beeinflussen. Tiefgründige, dichte Böden geben einmal aufgenommenes nicht mehr so schnell ab, sie weisen daher oft einen höheren Wassergehalt und damit verbunden höheres Eigengewicht und geringere Reibungswiderstände auf. Sie sind dadurch rutschungsanfälliger als lockere, flachgründige Böden.

Standortsgerechte Waldvegetation lockert den Untergrund auf und entnimmt auch mehr Wasser als z.B. Wiesen, wodurch die Rutschungsdisposition verringert wird. Baumwurzeln können in den oberen Bodenbereichen zusätzlich stabilisierend wirken. Auch Geländeformen (Abbildung 4) lassen zum Teil auf ehemalige Rutschungen oder prädestinierte Bereiche schließen.

Warum ist die Dokumentation kleiner Rutschungen so wichtig?

Eine wohl durchdachte Dokumentation von Rutschungsereignissen ist wichtig. Auf ihrer Basis lassen sich mittels Analysen Zusammenhänge zwischen Geländemerkmalen, Einflussgrößen und dem Ort des Auftretens von Rutschungen ermitteln. Die Kombination bekannter Faktoren ermöglicht unter Einsatz moderner Geoinformationssysteme flächendeckend eine erste, zumindest grobe Einschätzung der (oberflächennahen) Rutschungsdisposition. Solche Unterlagen gibt es derzeit aber in Österreich allenfalls lokal. In Zukunft sollten sie flächendeckend zu Verfügung stehen, um bundesweit einheitliche Grundlagen für Entscheidungen zu schaffen, wie zum Beispiel, ob Flächen für Bauvorhaben geeignet sind oder nicht, oder ob eine Beurteilung vor Ort durch Experten zu erfolgen hat.

Wenngleich es noch erhebliche Mängel bei den Datengrundlagen gibt und sowohl methodisch als auch organisatorisch Fragen offen sind, so sollte dieser Weg trotzdem - ähnlich wie bei der Gefahrenzonenplanung für Wildbäche und Lawinen - österreichweit konsequent beschritten werden. Mit flächendeckenden Kartenunterlagen, die die Rutschungsanfälligkeit von Hängen vorab einschätzen, wären wir für möglicherweise immer häufiger auftretende Unwetter und einhergehende Rutschungsereignisse gut gerüstet.

Literatur

Andrecs P., Hagen K., Lang E., Stary U., Gartner K., Herzberger E. und Riedel F., Haiden T. (2007): Dokumentation und Analyse der Katastrophenereignisse - August 2005, in BFW Dokumentationen Nr. 6, Wien, 75 Seiten

Andrecs P., Markart G., Lang E., Hagen K., Kohl B., Bauer W. (2002): Untersuchung der Rutschungsprozesse vom Mai 1999 im Laternsertal (Vorarlberg), In BFW Berichte Nr. 127, Wien, 87 Seiten

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