Großflächige Schlägerungen ganzer Grabeneinhänge (wegen "Hangentlastung" oder "Wildholzpotenzial reduzieren“) entsprechen nicht dem aktuellen Stand des waldbaulichen Wissens. Ziel des Projektes "Grabeneinhangbewirtschaftung" war daher die Entwicklung und Adaptierung eines Ansatzes zur Ausweisung von Flächen mit indirekter Objektschutzfunktion (gerinnerelevanter Schutzwald) als Grundlage einer gefahrenpräventiven Waldbewirtschaftung. Auftraggeber war das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW).
Schutzwaldkulisse für steile Grabeneinhänge
Wald im Gerinnebereich leistet einen bedeutenden Beitrag zum Schutz vor Hochwasser und gravitativen Prozessen. Bäume können armierend auf das Bodenmaterial wirken und so Schutz vor Erosion und Rutschung bieten. Zusätzlich beeinflusst der Wald den Wasserhaushalt positiv und führt zu einer Dämpfung des Abflusses (Abbildung 1, Schwitter und Bucher, 2009).
Diese Wälder bieten eine indirekte Objektschutzfunktion. Um diese bestmöglich zu erfüllen, bedarf es einer gefahrenorientierten Waldbewirtschaftung. Grundlagen für die Planung- und Evaluierung der gerinnerelevanten Schutzwälder fehlen derzeit jedoch.
Neben der Ausweisung von Flächen mit erhöhten Wildholzpotenzial anhand von Fernerkundungsmethoden in zwei Testgebieten wurde ein Modell entwickelt, welches anhand einfacher Geländeparameter automatisiert Flächen mit indirekter Schutzfunktion ermittelt und diesen eine Grunddispositionsklasse (hoch, mittel, gering) für Wildholzeintrag zuweist. Durch die Ausweisung dieser Gebietskulisse von Schutzwäldern im Gerinnebereich wird es möglich, Maßnahmen gezielt dort zu setzen, wo sie den größten Nutzen bringen.
GRS-Modellkonzept und Datengrundlagen
Als Grundlage für die Abschätzung von Wildholzpotenzialen in alpinen Einzugsgebieten wurde das GRS-(Gerinne-relevanter-Schutzwald)-Modell für die Bezirksrahmenplanung entwickelt und anhand von Daten des Bezirkes Innsbruck- Land getestet. Aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit flächendeckender Daten wurde ein Ansatz genommen, der sich auf ein digitales Geländemodell (DGM) des Amtes der Tiroler Landesregierung, das Gerinnenetz und die Wildbacheinzugsgebietsgrenzen der Wildbach- und Lawinenverbauung und die Waldflächen der Landesforstdirektion Tirol stützt.
Das DGM stellt die Höhe des Geländes nach rechnerischer Entfernung von Objekten auf der Erdoberfläche (Vegetation, Gebäude, etc.) dar. Durch die künstliche Beleuchtung (Schummerung) des DGM können die Topographie und damit geomorphologische Prozesse gut erkannt werden. Unter Einbeziehung der Schummerung wurde versucht, einen Überblick über das Testgebiet zu gewinnen und das Verständnis für mögliche Massenbewegungsprozesse im Testgebiet zu schärfen. Durch die Schummerung lassen sich Abbruchlinien, Zerr- oder Wulstformen sehr gut erkennen; diese wurden in der Folge identifiziert und kartiert.
Gleicht man die Ergebnisse aus der Analyse der Schummerung mit einem aktuellen Orthofoto ab, lässt sich der Aktualitätsgrad von Bewegungen besser abschätzen, zum Beispiel durch Hinweise auf offene Erosionsherde und Anbrüche, jedoch mit großen Einschränkungen wegen der Abschattung des Bestandes und der Topographie.
Zur Berechnung von Flächen mit Wildholzpotenzialen und der Wildholzmenge dienen meist Informationen zu diversen Eintragsprozessen und deren Intensitäten. Je nach Ansatz werden diese in Form von Simulationen, Felderhebungen, historischen Ereigniskarten oder Gefahrenhinweiskarten gewonnen.
Das in der Software ArcGIS entwickelte GRS-Modell verwendet folgende Angaben:
- Entfernung des Baumes zum Gerinne,
- Hangneigung des Baumstandortes,
- Algorithmen aus den Projekten GRAVIPROFOR und GRAVIPROMOD als Hinweis potenzieller Steinschlagtrajektorien und Lawinenbahnen (Perzl und Huber 2014, Huber et.al 2014) und
- der Transportkapazität des Gerinnes (Stream Power Index nach Moore 1993).
Für die räumliche Ausdehnung der GRS-Schutzwaldkulisse wird der Ansatz nach Mazzorana (2009) in modifizierter Form angewendet. Bäume im unmittelbaren Gerinnebereich (eine Baumlänge), können direkt ins Gerinne stürzen, aber auch weiter entfernte Bäume können Bäume des unmittelbaren Gerinnebereiches schwächen oder mitreißen. Daraus ergibt sich mit einer Breite von zwei Baumlängen und einem Zuschlag, je nach Steilheit des Geländes, die räumliche Ausdehnung des gerinnerelevanten Schutzwaldes.
Für jede Rasterfläche (10 m x 10 m) innerhalb dieser Modellgrenzen wird eine Abfrage bestimmter Indikatoren (Hangneigung, Fläche potenzieller Massenbewegungen, hohe/niedrige Transportkapazität des anschließenden Gerinnes) vorgenommen. Aufgrund dieser Abfrage werden die Rasterflächen in verschiedene Grunddispositionsklassen für Wildholzeintrag eingeteilt (1 - gering, 2 - mittel, 3 – hoch, Abbildung 2).
Somit stellt das GRS-Modell ein Hilfsmittel dar Grabeneinhänge aufgrund der oben angeführten Indikatoren objektiv zu vergleichen.
Erste Ergebnisse für Wildholz-Grunddisposition
Die Modellergebnisse wurden anhand der Ergebnisse der terrestrischen Erhebung und den Erkenntnissen aus der visuellen Interpretation von Schummerung und Orthofoto in zwei Testgebieten und vier weiteren Überprüfungsgebieten, aus denen umfangreiche Gebietsinformationen vorlagen, falsifiziert. Die Modellergebnisse zeigen eine überwiegend realistische Wiedergabe der Wildholz-Grunddisposition.
In extrem steilen seitlichen Einhängen mit anschließender Verflachung werden Bereiche mit hoher Wildholz-Grunddisposition vom Modell unrealistisch weit oder lokal zu wenig weit in die Einhänge hinaufgezogen. Dieser Aspekt soll künftig durch die Implementierung eines Algorithmus, der derartige Gefällsbrüche erkennt, korrigiert werden (Abbildung 3).
Abbildung 3: Weiterentwicklung des GRS-Modells, neue geländekantenangepasste Modellgrenze in rot
Literatur:
Huber, A.; Perzl, F.; Fromm, R. (2014): Verbesserung der Beurteilung der Waldflächen mit direkter Objektschutzwirkung durch Modellierung von Massenbewegungsprozessen (GRAVIPROMOD). Technische Hilfe im Rahmen des österreichischen Programms LE 07-13. Projektbericht im Auftrag des BMLFUW. Bundesforschungszentrum für Wald (BFW), Innsbruck.
Mazzorana, B. (2009): Woody Debris Recruitment Prediction Methods and Transport Analysis. PhD Thesis, Institute of Mountain Risk Engineering, University of Natural Resources and Applied Life Sciences (BOKU), Vienna.
Moore, I.D.; Turner, A.K.; Wilson, J.P.; Jenson, S.K.; Band, L.E. (1993): GIS and land-surface–subsurface modelling M.F. Goodchild, B.O. Parks, L.T. Steyaert (Eds.), Environmental Modelling with GIS, Oxford University Press, New York (1993), pp. 213–230
Perzl, F.; Huber, A. (2014): GRAVIPROFOR. Verbesserung der Erfassung der Schutzwaldkulisse für die forstliche Raumplanung. Synthese und Zusammenfassung: Ziele, Grundlagen und Ergebnisse der Modellierung von Waldflächen mit Lawinen- und Steinschlagschutzfunktion. Technische Hilfe im Rahmen des österreichischen Programms LE 07-13. Projektbericht, Hauptbericht im Auftrag des BMLFUW. Bundesforschungszentrum für Wald (BFW), Innsbruck.
Schwitter, R.; Bucher, H. (2009): Hochwasser: Schützt der Wald oder verstärkt er die Schäden? Waldbauliche Behandlung von gerinnerelevanten Schutzwäldern. Wald und Holz 6/9: 31-34