Neben Kunststoffprodukten gibt es seit vielen Jahren auch Erosionsschutzprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen. Diese Materialien (meist Jute- oder Kokosmatten) werden jedoch nicht in der Schweiz, sondern ausserhalb Europas hergestellt. Aus ökologischer Sicht sind nicht nur die langen Transportwege fragwürdig. Oftmals werden an diesen importierten Produkten standortfremde Pflanzensamen und Tiere (vor allem Insekten) gefunden, welche in die Böschung eingetragen werden. Zudem brauchen Jute- und Kokosnetze immer Trägerfasern aus Kunststoff, welche erst bei näherer Betrachtung erkennbar sind. Mit den Holzwollevliesen gibt es eine Alternative aus einheimischen, nachwachsenden Rohstoffen. Im Zuge eines Forschungsprojektes konnte die Wirksamkeit der Holzwollevliese und die Einsetzbarkeit im Erosionsschutz als gleichwertiger Einsatz bestätigt werden.

Mit dem Klimawandel und damit einhergehenden Trockenperioden und zunehmenden Starkniederschlägen steigt das Risiko für Rutschungen an neu erstellten Böschungen oder Steilhängen. Umso wichtiger ist ihr Schutz. Eine stabile Vegetation mit einem starken Wurzelwerk ist der beste Schutz. Aus diesem Grund werden Böschungen jeweils so rasch als möglich begrünt.

Zur Unterstützung der Begrünung setzt man Erosionsschutzprodukte ein, deren Struktur während der Etablierungsphase der Vegetation einen Schutz der Keimlinge und der Bodenoberfläche vor Erosion durch Wind, Regen und Schnee gewährleistet. Bei den Erosionsschutzprodukten handelt es sich um gewobene oder gestreckte Netze oder Gelege aus Kunst- oder Naturfasern.

Alternative zu herkömmlichen Materialen im Test

In der Schweiz wurden in den letzten 10 bis 15 Jahren vor allem Netze aus importierten Naturfasern (Kokos, Jute, Hanf, Sisal und Baumwolle) verbaut. Seit einigen Jahren gibt es als Erosionsschutz in der Schweiz auch Holzwollevliese. Das einheimische, Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und hat den Vorteil, dass im Gegensatz zu den importierten Materialien keine unerwünschten Organismen eingeschleppt werden können. Holzwollevliese sind zudem im Gegensatz zu anderen Produkten nicht mit Pestiziden oder anderen chemischen Stoffen behandelt, die nach Verlegen der Netze von der Rolle in die Umwelt gelangen können. Zudem weisen Holzwollevliese eine positive Ökobilanz durch kurze Transportwege auf und sind zu 100% biologisch abbaubar und verrotten komplett, nachdem die Vegetation die Stabilisierung des Bodens übernommen hat. Mit unterschiedlichen Holzwolle-Rezepturen kann die Dauer des Verrottungsvorgangs gesteuert werden. Eine zentrale Rolle bei diesen Rezepturen spielt Buchenholz.

In den USA war die Verwendung von Geonetzen aus Holzwolle im Gegensatz zur Schweiz schon seit den 1960er-Jahren weit verbreitet. Neben den genannten Vorteilen fallen auch die physikalischen Eigenschaften der Holzwolle positiv ins Gewicht. Die Holzwollevliese weisen im Vergleich mit anderen Produkten ein besseres Wasserrückhalte- und Wasserspeichervermögen auf. Damit sind die sich entwickelnden Keimlinge nach der Aussaat besser vor Temperaturschwankungen und Trockenphasen geschützt.

Ein fünfjähriges Forschungsprojekt aus Praxis (Lindner Suisse GmbH, Ö+L Ökologie und Landschaft GmbH) und Hochschule (Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur, Fachhochschule Graubünden FH GR, Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana SUPSI) untersuchte die Eignung von Holzwollevliesen in Kombination mit hochwertigen, ebenfalls lokal gewonnenen Saatgutmischungen im Hinblick auf die Erosionsschutzwirkung mit dem Ziel, diese noch weiter zu optimieren.

Vorgehen

Verlegen von Holzwolleflies ab Rolle© Linder Suisse GmbH

Abb. 2. Verlegen des Holzwolleflieses ab der Rolle. Foto: Linder Suisse GmbH

Erosionsschutz aus Holzwolle© Linder Suisse GmbH

Abb. 3. Anbringung des Erosionsschutzes aus Holzwolle. Foto: Linder Suisse GmbH

Anbringung des Erosionsschutzes aus Holzwolle© Linder Suisse GmbH

Abb. 4. Anbringung des Erosionsschutzes aus Holzwolle. Foto: Linder Suisse GmbH

© Linder Suisse GmbH

Abb. 5 - Verlegtes Holzwollevlies an einer Böschung. Foto: Linder Suisse GmbH

In acht Kantonen wurden insgesamt 15 Versuchsflächen - neu angelegte Böschungen mit insgesamt 45'500 Quadratmeter Fläche - ausgewählt. Pro Standort verlegte man nach einem einheitlichen Design je vier verschiedene Typen von Holzwollevliesen. Die Typen unterschieden sich einerseits in den verwendeten Holzarten, andererseits im Netz, in das die Holzwolle eingearbeitet ist.

In Laborversuchen prüfte man zudem die Wasseraufnahmefähigkeit und die Zugfestigkeit dieser Holzwolletypen. Für die Begrünung wurden zwei verschiedene Saatgutmischungen verwendet. Zum einen kam eine Mischung von autochthonem Saatgut zur Anwendung (Projekt-Samenmischung nach Holo-Sem-Standard). Dabei handelt es sich um ein lokal gewonnenes, artenreiches, standörtlich optimal an die Begrünungsfläche angepasstes Saatgut, das im Umkreis von maximal 15 km um den Ansaatstandort in artenreichen Naturwiesen gewonnen wird.

Diese autochthone Saatgutmischung wurde der handelsüblichen Standard-VSS-Saatgutmischung gegenübergestellt, die ebenfalls artenreich zusammengesetzt ist, jedoch teilweise aus Importen aus dem Ausland stammt und zudem in der Arten- und Ökotypenzusammensetzung nicht an den spezifischen Standort angepasst ist. Im Anschluss daran wurde die Entwicklung der einzelnen Standorte überprüft und analysiert.

Lokales Saatgut

Um bei Begrünungen möglichst rasch und kostengünstig einen Pflanzenbewuchs zu erreichen, wurden bisher oft schnell wachsende Pflanzenarten eingesetzt, die in der Region nicht heimisch sind oder am betreffenden Standort gar nicht vorkommen. Bei einigen dieser Arten handelt es sich um Zuchtsorten. Mit solchen Mischungen, die sich meist nur mit viel Dünger entwickeln, entsteht ein Pflanzenbestand, der zwar rasch "begrünt" aber ungenügend an die lokalen Bedingungen angepasst ist und nach einigen Jahren zu einer instabilen Vegetation führen kann. Ein weiteres Problem liegt in den negativen Auswirkungen auf die lokale Artenvielfalt, weil sich die eingeführten Pflanzenarten und -ökotypen mit den lokal vorkommenden Arten und Ökotypen einkreuzen (Florenverfälschung).

Aus diesem Grunde wird immer häufiger gefordert, dass Saatgut lokaler Herkunft und mit entsprechender Anpassung an den Aussaatstandort zum Einsatz gelangt, sogenanntes autochthones oder lokales Saatgut.

In Deutschland ist die Verwendung von autochthonem oder regionalem Saatgut ab 2020 gesetzlich obligatorisch, und auch in der Schweiz sind die gesetzlichen Grundlagen ähnlich, werden aber noch nicht immer vollzogen. Mit dem mittlerweile schweizweit eingesetzten und vielfach bewährten HoloSem-Verfahren wird das autochthone Saatgut in der nahen Umgebung des Aussaatstandorts auf geeigneten, nach strengen Kriterien ausgewählten Naturstandorten geerntet, getrocknet, aufbereitet und dann auf den zu begrünenden Standort ausgebracht.

Resultate

Im Ergebnis zeigten die Labortests signifikante Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Holzwolletypen in Bezug auf die Wasseraufnahmefähigkeit und die Zugfestigkeit. Die Unterschiede wirkten sich allerdings im Feld nicht signifikant auf den Begrünungsgrad und/oder die Erosion aus.

Neben dem generellen Schutz durch die Holzwolle und dem Einsatz von geeignetem Saatgut wirkten sich vor allem Standortfaktoren auf den Begrünungserfolg und den Erosionsschutz aus, insbesondere Humusgehalt, Hangneigung, Exposition, Höhenlage sowie Hangstabilität. Dabei zeigte sich auch, dass Holzwollevlies zwar gut vor oberflächlicher Erosion zu schützen kann, jedoch erwartungsgemäss keine mitteltiefe Erosion verhindern können.

Hinsichtlich des verwendeten Saatguts haben die Felduntersuchungen keine Unterschiede im Begrünungsgrad, jedoch in der Artenzusammensetzung zwischen den beiden verwendeten Mischungen gezeigt. Hierbei wurden mit der autochthonen Saatgutmischung mehr Arten und eine lokaltypischere Artenzusammensetzung festgestellt. Einheimische Holzwolle bietet im Gegensatz zu Jute- oder Kokosnetzen in der Anfangsphase den sehr langsam aufwachsenden Keimlingen des lokalen Saatgutes ausgezeichneten Schutz vor extremer Sonneneinstrahlung und vor Austrocknung. Dadurch kann der Begrünung in der wichtigen Anfangsphase mehr Zeit gegeben werden, so dass sich auch seltene, wenig konkurrenzkräftige, lokal wichtige Arten etablieren können. Das ist für die langfristige Förderung der Artenvielfalt zentral - denn was sich am Anfang nicht etablieren kann, fehlt später in der angesäten Vegetation.

Ob sich die etablierte Vegetation bei Verwendung von autochthonem Saatgut wie postuliert längerfristig besser hält als mit nicht spezifisch lokal- und standortangepassten Handelsmischungen, konnte aufgrund der kurzen Versuchsdauer nicht eruiert werden.

Hauptaussagen aus dem Forschungsprojekt

  • Hangstabilität: Die Holzwollevliese können die Böschung gegen Erosion schützen. Voraussetzung ist jedoch eine grundsätzlich intakte Struktur des Hangs. Bestehende Prozesse, welche den Hang destabilisieren, müssen vor der Verlegung gestoppt werden.
  • Lage und Exposition: Die Standortfaktoren Exposition, Hangneigung und Höhenlage müssen in die Planung einfliessen. Je steiler und je höher ein Hang gelegen ist, desto länger benötigt die Begrünung, um sich zu etablieren.
  • Bodenbeschaffenheit und Nährstoffangebot: Nährstoffarme Rohböden sind auch mit Holzwolle sehr schwierig zu begrünen, insbesondere an südexponierten Hanglagen. In diesen Fällen ist es angebracht, Humus, Kompost oder organischen Dünger für die erleichterte Begrünung einzusetzen.
  • Mikroklima fördert Wachstum: Die Holzwolle schafft ein geeignetes Mikroklima, welches die Etablierung der keimenden Pflänzchen auch in Trockenperioden oder bei Starkniederschlägen fördert (Wasserspeicherkapazität und Schutz vor Sonneneinstrahlung).
  • In der Etablierungsphase nach der Ansaat sollte der Hang nicht zusätzlichen Erosionsbelastungen ausgesetzt werden (zum Beispiel durch konzentriert eingeleitetes Regenwasser).

Weitere Erkenntnisse

  • Eine höhere Grammatur bei den Holzwollevliesen verbessert zwar den direkten Erosionsschutz und das Wasserrückhaltevermögen, kann aber die Etablierung der Vegetation behindern, vor allem von zweikeimblättrigen Pflanzen. Die anfänglich verwendeten Rezepturen wurden aus diesem Grunde im Laufe des Projekts angepasst.
  • Rohböden sind in der Regel schwierig zu begrünen, wobei ein hoher Grobkiesanteil, eine starke Besonnung (z. B. Südexposition) sowie eine zunehmende Höhenlage einen Begrünungserfolg zusätzlich erschweren.
  • Die Holzwollevliese sorgen zwar für bessere Wasserspeicherung und einen Schutz der Keimlinge. Zusätzlich wird aber empfohlen, beim Böschungsaufbau im Falle von kiesreichen Rohböden in den obersten 10 cm etwas nährstoffarmen Humus (A-Horizont) beizumischen oder zumindest bei der Aussaat geringe Mengen an langfristig wirksamem organischem Dünger beizugeben. Kommt eine Hydrosaat zum Einsatz, sollte bei humusfreien Böschungen zudem der Einsatz von etwas Kompost erwogen werden, um die Etablierung der Aussaat auf Rohböden zu verbessern.
  • Mit dem Einsatz unterschiedlicher Holzwolletypen kann die Dauer des Verrottungsvorgangs gesteuert werden. Buchenholz wirkt bei der Verrottung zudem als natürlicher Dünger.

Ausblick

In den Schweizer Wäldern gibt es reichlich Holz, das sich für die Produktion von Holzwollevliesen sehr gut eignet. Im idealen Fall liefern die Kantone bzw. ihre Gemeinden das Holz vor Beginn der Bauarbeiten. Die Firma, die das Holzwollevlies produziert, trocknet die Hölzer umweltfreundlich an der Luft, was ca. 18 Monate dauert. Danach werden die Hölzer zu Holzwolle und anschliessend zu Holzwollevliesen verarbeitet, die dem Kanton bzw. seinen Gemeinden zugestellt werden. Der Einbau an Böschungen könnte theoretisch in unmittelbarer Nähe des Abstammungsorts der Hölzer erfolgen. Auch das Saatgut für die Begrünung stammt aus der Region. Für die Kantone werden die natürlichen Ressourcen so optimal und nachhaltig genutzt.