Bei der Pflege von Waldrändern oder Strassenböschungen verursachen drei Schmetterlingsarten gelegentlich Gesundheitsschäden, indem der Kontakt mit den Brennhaaren ihrer Raupen zu Reizungen und allergischen Reaktionen von Haut, Schleimhäuten und Atemwegen führt. Es handelt sich um folgende Arten:
- Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea, Abb. 1)
- Pinienprozessionsspinner (Thaumetopoea pityocampa, Abb. 2)
- Dunkler Goldafter (Euproctis chrysorrhoea, Abb. 3)
Wieso können Raupen gefährlich sein?
Die meisten von uns kennen Schmetterlinge als farbenfrohe, fliegende Boten des Sommers. Einigen ist bewusst, dass ihre Raupen ganz schön gefrässig sein können. So verpflegt sich zum Beispiel der Kohlweissling im Gemüsegarten. Der Frostspanner kann Obstanlagen schädigen, indem er Knospen, Blätter und Blüten frisst. Die Gespinstmotte packt die von ihr kahl gefressenen Gehölze und deren Umgebung in ihre weissen Gespinste ein. Die Raupen des Schwammspinners vermögen bei den seltenen Massenvermehrungen ganze Wälder zu entlauben und die Anwohner zu beunruhigen, wenn sie zu Hunderten oder Tausenden in Gärten und Häuser eindringen.
All diese Arten mit auffälligen Gespinsten, Nestern und starkem Blattfrass erregen zwar unsere Aufmerksamkeit und sind für Kulturpflanzen mehr oder weniger schädlich. Aus gesundheitlicher Sicht sind sie jedoch harmlos.
Auch die drei oben erwähnten Arten fallen auf - mit Nestern, Gespinsten, Blattfrass und Raupenprozessionen. Darüber hinaus können sie sich aber auch auf die Gesundheit des Menschen auswirken. Ihre Raupen besitzen Brennhaare, die starken Juckreiz und Hautreizungen aber auch Schädigungen an Atemwegen und Augen hervorrufen können.
Abb. 2 - Raupen des Pinienprozessionsspinners. Foto: Beat Wermelinger (WSL)
Was sind Brennhaare und welche Funktion haben sie?
Brennhaare schützen die Raupen und spätere Entwicklungsstadien (Puppen, Schmetterling, Ei) vor Fressfeinden.
- Sie sind winzig klein: 0.1 - 0.2 mm (Dies gilt nur für die Prozessionsspinner - beim Goldafter sind es die gut sichtbaren, goldbraunen Haare.)
- Sie sind zahlreich: 600'000 pro Raupe
- Sie bleiben haften: im Nest, an der Rinde, im Gras und im Laub, an den Kleidern
- Sie brechen bei Beunruhigung der Raupen ab und behalten ihre Wirksamkeit über Jahre.
Wie kommen Sie mit den Haaren in Kontakt?
- Wenn Sie sich im näheren oder weiteren Umfeld der befallenen Sträucher oder Bäume aufhalten. Die Haare schweben in der Luft und können mit dem Wind bis zu 200 m verweht werden.
- Wenn Sie die Nester oder Raupen berühren.
- Wenn Sie Arbeiten ausführen, bei denen am Boden liegende Raupenhaare aufgewirbelt werden: Laub rechen, mähen, aufräumen nach Schnittarbeiten.
- Wenn Sie Rindenholz berühren oder verarbeiten, an dem sich vor Jahren ein Nest eines Eichenprozessionsspinners befunden hat. (Das Nest des Eichenprozessionsspinners befindet sich häufig am Stamm, während die Nester von Pinienprozessionsspinner und Goldafter in den peripheren Bereichen der Gehölze vorkommen).
Die Brennhaare des Goldafters sind weniger wirksam, werden jedoch zum Schutz aller Entwicklungsstadien eingesetzt: die ebenfalls nur von den Raupen gebildeten Haare werden in den Puppenkokon eingewoben und das weibliche Tier streicht sie sich an den Hinterleib, von wo sie bei der Eiablage auf das Eigelege gelangen.
Symptome und Massnahmen bei Betroffenen
Hautreizungen (Raupenhaar-Dermatitis)
Bei Kontakt mit Goldafter-Brennhaaren kann der Körper mit starkem Juckreiz reagieren; allenfalls erst Stunden nach dem Kontakt, dann aber eventuell mehrere Tage lang. Hautrötungen treten im Falle des Goldafter-Kontaktes nur dezent auf. Der starke Juckreiz kann hingegen zu Schlaflosigkeit führen. Bei Kontakten mit den Brennhaaren des Eichen- oder Pinienprozessionsspinners können weitere Auswirkungen hinzukommen:
- Rötungen, Schwellungen, Entzündungen der Haut
- Entzündungen von Augenbindehaut und Augen
- Rötung, Lichtscheu, Schwellung der Augenlider, Entzündungen im Auginneren (Extremfall)
- Entzündungen der oberen Luftwege
- Entzündungen im Rachen, Schwellung der Nasenschleimhaut, Bronchitis, asthmaartige Symptome, allergische Schockreaktionen (Extremfall)
Erschwerend kommt bei den Prozessionsspinnern hinzu, dass die Empfindlichkeit und Reaktionsintensität der Betroffenen bei wiederholten Raupenkontakten zunimmt.
Sofortmassnahmen bei betroffenen Mitarbeitern
- Sofort duschen, Haare waschen (mit Seife spülen, nicht reiben!), Kleider wechseln
- Nicht kratzen; kontaminierte Hautpartien evtl. mit Klebestreifen von den Haaren befreien.
- Die kontaminierten Kleider luftdicht und separat lagern und bei mindestens 60°C waschen.
- Die betroffenen Hautpartien können mit Antihistamingel (z.B. Fenistil) behandelt werden.
- Bei sehr starkem Juckreiz oder anderen auffälligen Symptomen ist ein Arzt aufzusuchen, der auf den Kontakt mit Raupenhaaren hinzuweisen ist.
Die Raupenproblematik wird versicherungstechnisch als Unfall behandelt (analog Zeckenbiss).
Massnahmen am befallenen Standort
a) Lagebeurteilung
- Um welche Art handelt es sich? Trägt sie Brennhaare?
- Konfliktpotenzial des Standortes: Mit welcher Häufigkeit und Dringlichkeit muss der Standort begangen werden?
Wenn bei der Lagebeurteilung festgestellt wird, dass ein Befall mit einer Brennhaar tragenden Art vorliegt, erfolgt die Massnahmenauswahl aus folgender Palette:
- Arbeiten mit Schutzkleidung beenden oder vorläufiger Abbruch der Arbeiten
- Absperren des Standortes inklusive Information für allfällige Nutzer/-innen
- Protokollierung und Dokumentation (Karte, Fotos) des Vorkommens für die Meldung an den Sicherheitsbeauftragten des Kantons und als Grundlage langfristiger Massnahmen
- Bekämpfung der Raupen oder Planung langfristiger, respektive vorbeugender Massnahmen mit Fachleuten
b) Vorbeugende Massnahmen
In Befallsgebieten von Goldafter und Pinienprozessionsspinner kann mit der vollständigen Entfernung der auffälligen Winternester Befallsfreiheit erreicht werden, die zumindest bis zum kommenden Herbst anhält.
Ungefährliche Arten ohne Brennhaare
Harmlose Arten mit ähnlicher Biologie, deren Bestände unter Umständen bedroht sein können, dürfen nicht bekämpft werden:
a) Gewöhnlicher Wollafter (Eriogaster lanestris)
Im Wallis verbreitet, sonst vereinzelt: Tessin, Bündner Rheintal, Region Zürich, Walenseegebiet. Wegen seiner Seltenheit schützenswert, Nester keinesfalls abräumen!
- Nahrungspflanzen: Birke, Schwarzdorn, Edelkastanie, Süsskirsche
- Unterschied zum Goldafter: der bis zu 20 cm grosse Nestbeutel hängt sackartig
- Unterschied zum Pinienprozessionsspinner: die Art geht nicht auf Nadelbäume
Abb. 6 - Raupen des Gewöhnlichen Wollafters. Foto: Markus Hagenlocher, Wikimedia, Creative Commons
b) Gespinstmotten (Yponomeutidae)
Neun sehr ähnliche Arten, generell häufig und weit verbreitet.
- Nahrungspflanzen: Pfaffenhütchen, Obstbäume, Weiden und andere Sträucher
- Ähnlichkeiten: das Kahlfrassbild von Sträuchern (im Juni) kann an Goldafter erinnern
- Unterschiede: nach dem Kahlfrass entstehen schleierartige Gespinste über die ganze Pflanze
Verbreitung und Häufigkeit
Die drei Arten mit Brennhaaren waren in der Schweiz früher weiter verbreitet und häufiger anzutreffen. Sie wurden jedoch in der Zeit des bedenkenlosen Insektizid-Einsatzes in der Landwirtschaft stark zurückgedrängt. Jetzt sind sie, auch im angrenzenden Ausland, wieder im Zunehmen begriffen. Diese Ausbreitung wird durch die Klimaerwärmung begünstigt. Verbreitungskarten finden Sie in den Merkblättern, die Sie unten herunterladen können.
Der Pinienprozessionsspinner ist in einigen Gebieten der Südschweiz seit längerer Zeit gut bekannt. Das verstärkte Auftreten von Eichenprozessionsspinner und Dunklem Goldafter wird seit Beginn der 90er Jahre beobachtet: bei ersterem selten, bei letzterem gehäuft. Bei allen drei Arten sind Massenvermehrungen möglich.
(TR)