Sicherheit durch Kommunikation
Hinweis: Alle Aussagen, die sich auf männliche Personen beziehen, gelten gleichermaßen für weibliche Personen. Auch wird auf die zusätzliche Nennung der Berufsbezeichnung "Forstwirt" verzichtet. Die Aussagen in dieser Arbeit gelten demnach sowohl für formal qualifizierte Forstwirte, wie auch für formal unqualifizierte Waldarbeiter. |
Die hohen Unfallzahlen im Forst bestätigen jedes Jahr wieder, wie gefährlich die Waldarbeit ist. Vor allem Kleinprivatwaldbesitzer verunfallen immer wieder. Viele der bisherigen Bemühungen die Unfallzahlen zu senken, brachten zwar Teilerfolge, können aber nicht als großer Durchbruch bezeichnet werden. Aus diesem Grund hat die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Baden-Württemberg (LBGBW) und die Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW) in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) eine Fortbildung für Revierleiter durchgeführt. Diese Fortbildung sollte die Kommunikationskompetenz der Teilnehmer verbessern.
Viele Anstrengungen, die Sicherheit in der Waldarbeit zu verbessern, zielen auf die reine Verbesserung von Arbeitstechniken und Arbeitsgeräten. Experten gehen aber davon aus, dass die Sicherheitstechnik heute als weitgehend ausgereizt bezeichnet werden kann. Betrachtet man nun aber vor allem die schweren und tödlichen Unfälle im Wald, so fällt auf, dass häufig ein Verstoß gegen eine oder mehrere bedeutende Sicherheitsregeln zu einem Unfall führt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Waldarbeiter diese Sicherheitsregeln kennen (z. B. Fällarbeiten ohne den Mindestsicherheitsabstand). Ebenso zeigt sich, dass unsicheres Arbeiten in vielen Fällen eine Handlungsgewohnheit ist: Das Fehlverhalten ist nicht eine einmalig auftretende Missachtung bestimmter Sicherheitsvorschriften, sondern ein sich wiederholendes Verhaltensmuster.
Gründe für den Mangel an Sicherheitsbewusstsein
Vereinfacht dargestellt, sind es die Folgen, die ein bestimmtes Verhalten nach sich ziehen, die entscheiden, ob dieses wiederholt oder verändert wird. Positive Folgen, wie Zeitersparnis, scheinbare Arbeitsvereinfachung oder aber auch Lob und Anerkennung bestätigen und festigen die vorausgegangenen Handlungen. Negative Folgen, wie Mehraufwand oder negative Kritik, führen eher zu einer Veränderung. Damit stellt das sichere oder sicherheitswidrige Verhalten oft eine Reaktion auf das jeweilige Umfeld dar. So leuchtet es ein, dass der Revierleiter, als häufig einzige Kontaktperson zu den Waldarbeitern, zu einem großen Teil die Konsequenzen auf deren Arbeitsweise prägt und somit entscheidenden Einfluss auf die Sicherheit im Arbeitsfeld Wald nimmt. Seine fachliche und persönliche Unterstützung für ein sicheres Arbeiten, genauso wie seine Akzeptanz oder eben Nichtakzeptanz von unsicheren Arbeitsweisen und seine gesamte Reaktion darauf, bestimmen zu einem Großteil den Sicherheitsstandard, der in seinem Revier besteht. Seine Hauptaufgabe besteht in diesem Zusammenhang in der Motivation zum sicheren Arbeiten, in der konsequenten Positionierung der Arbeitssicherheit an erster Stelle bei allen Planungen, Kontrollen und auch im eigenen Verhalten. Der Kritik an sicherheitswidrigen Verhaltensweisen der Mitarbeiter aber auch der Privatwaldbesitzer kommt eine wesentliche Bedeutung bei. Die Art und Weise, wie diese Kritik geäußert wird entscheidet darüber, ob der Adressat der Kritik diese annehmen kann und sein Verhalten zukünftig ändern wird.
Fortbildung als Chance
In der Ausbildung der Revierleiter findet jedoch keine explizite obligatorische Vorbereitung auf die Rolle als Führungskraft statt, in welcher nötige soziale Kompetenzen wie Kommunikations- oder Motivationstechniken vermittelt werden. Die Landesforstverwaltung Baden-Württemberg bietet in ihren Fortbildungsmöglichkeiten verschiedene Seminare an, die Arbeitssicherheit oder Kommunikation zum Inhalt haben. Die kombinierte Vermittlung beider Themen, in besonderer Abstimmung auf die Anforderungen an die Führungskräfte, findet jedoch nur sehr selten statt.
Dieser Mangel betrifft besonders Revierleiter, die Kleinprivatwaldbesitzer zu betreuen haben. Hier entfallen Eingriffsmöglichkeiten zur Erhöhung der Arbeitssicherheit wie beispielsweise der Arbeitsauftrag, der für die Mitarbeiter bindend ist, da der Revierleiter mit dem Waldbesitzer in keinem Dienstverhältnis steht.
Im Rahmen einer Diplomarbeit an der HFR wurde daher eine Fortbildung für Revierleiter zur Erhöhung der Arbeitssicherheit der Mitarbeiter und der Kleinprivatwaldbesitzer entwickelt und evaluiert. Das Ziel sollte sein, dass die Teilnehmer ihre eigene Position zu erkennen und zu hinterfragen lernen, ebenso wie die Fähigkeit effektiv Privatwaldbesitzer und Mitarbeiter zu mehr Arbeitssicherheit zu motivieren und ihre eigenen Kommunikationstechniken zu verbessern.
Wirksamkeit der Fortbildung
Die Fortbildung wurde von der LBGBW und der UKBW finanziert. Beide Institutionen beteiligten sich an den vorbereitenden Gesprächen und der Organisation des Seminars. Die inhaltliche und methodische Vorbereitung des Seminars wurde in Abstimmung mit dem Seminarleiter durchgeführt. Im April 2006 fand die Fortbildung im forstlichen Ausbildungszentrum Mattenhof in Gengenbach statt. Neun Revierleiter aus dem Ortenaukreis und den benachbarten Landkreisen nahmen daran teil.
Drei Tage lang beschäftigten sich die Teilnehmer auf unterschiedlichste Art und Weise mit dem Thema Arbeitssicherheit und ihrer Rolle als Führungskraft bzw. Privatwaldberater. Über Diskussionen, Gruppenarbeiten und auch Spiele, die einen ungezwungenen Zugang ermöglichten, wurde dieser Komplex intensiv erschlossen und neue Sichtweisen eröffnet.
Durch die Gestaltung der Fortbildung, die das gemeinsame Überlegen und selbstständige Erarbeiten von Inhalten durch die Teilnehmer fördern sollte, wurden neue Ansätze nicht von außen aufgezwungen, sondern durch deren freiwillige Teilnahme am Diskussionsprozess mitgetragen. Dadurch ist eine dauerhafte und zielgerichtete Entwicklung sehr wahrscheinlich. Über eine flexible Gestaltung des Seminars sollte auch gewährleistet werden, dass die vermittelten Methoden und Gespräche auf die Bedürfnisse der Revierleiter abgestimmt werden konnten. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf den Zusammenhang zwischen Seminarinhalt und beruflichem Alltag gelegt, um der Forderung nach Praxisbezug gerecht zu werden.
Ergebnisse
Abb. 2: Verhaltensänderungen aufgrund der Fortbildung.
0 = keine Zustimmung, 4 = vollkommene Zustimmung, PWB = Privatwaldbesitzer, AS = Arbeitssicherheit, MA = Mitarbeiter
Abb. 3: Verbesserung der sozialen Kompetenz/des Kommunikationsverhaltens aufgrund der Fortbildung.
Zur Überprüfung der Effektivität des Seminars wurde eine Evaluation durchgeführt. Diese identifizierte zwei wesentliche Punkte:
Die Reaktionen der Teilnehmer auf die Fortbildung waren nahezu ausschließlich positiv. Dies bezieht sich sowohl auf die Inhalte und die Gestaltung des Seminars, wie auch auf den Trainer. Zudem führte die Fortbildung zu Veränderungen im Verhalten der Revierleiter.
Der Vergleich der Selbsteinschätzung, die die Teilnehmer vor und zwei Monate nach der Fortbildung durchführten, zeigt, dass sich ihr Bewusstsein für die Bedeutsamkeit der Arbeitssicherheit verstärkt hat (s. Abb. 2). Sie gehen nun mehr auf Mitarbeiter und Privatwaldbesitzer zu, sprechen häufiger und kreativer über dieses Thema und unterstützen beide Gruppen intensiver als zuvor. Es ist des Weiteren ein Rückgang der Gründe zu verzeichnen, die die Revierleiter davon abhalten, erkannte Probleme, wie z.B. UVV-Verstöße, anzusprechen.
Es war das Ziel, einen Denkprozess anzustoßen und das Bewusstsein für das Problem an sich und die eigene Verantwortung zu schärfen. Dieser Prozess kann nicht nach drei Tagen komplett abgeschlossen sein. Vielmehr sollten diese eher der Auslöser zur Veränderung sein. Eine solche Veränderung, vor allem der eigenen Ansichten und Verhaltensweisen, beginnt im Kopf des jeweils Betroffenen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies geschehen ist:
Konsequenzen für die Organisatoren
Abb. 4: Der Revierleiter als Führungskraft hat eine besondere Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und Privatwaldbesitzern in seinem Revier. (Foto: FVA)
Die LBGBW und die UKBW konnten aufgrund des Seminars Schwachstellen im Informationsfluss zwischen ihren Organisationen und den Revierleitern vor Ort ausfindig machen. In den Diskussionen innerhalb der Fortbildung wurde deutlich, dass es nötig zu sein scheint, die Zusammenarbeit zu intensivieren. So empfanden die Teilnehmer eine sehr große Distanz zu beiden Institutionen.
Die Revierleiter wünschten sich insgesamt eine bessere Unterstützung ihrer Tätigkeiten. So sollten beispielsweise praktische Hilfsmittel in größerem Umfang und vor allem mit aktuellem Material leicht zugänglich zur Verfügung gestellt werden. Damit sind vor allem ausführliche Unfallberichte, bereinigte Unfallzahlen und Unfallstatistiken konkret aus dem Privatwald gemeint. Diese sollen als aussagekräftige Daten, fundiertes Informations- und Bildmaterial für die Aufklärungsarbeit vor Ort dienen. In anschließenden Gesprächen mit der Berufsgenossenschaft (BG) wurde deutlich, dass wohl ein Großteil der Informationen und Hilfsmittel bereits zur Verfügung stehen. Allerdings scheinen diese, für die Sicherheitsarbeit der Revierleiter wichtigen Dinge, diese überhaupt nicht zu erreichen.
Ein weiterer Punkt, der zur Sprache kam war der Wunsch nach einem verbesserten Kontakt zwischen den Revierleitern, bzw. dem Kreisforstamt und der BG. So sollten bspw. Technische Aufsichtsbeamte einfacher zu Versammlungen verschiedenster Art eingeladen werden können, um über das Thema Arbeitssicherheit in ansprechender Weise zu berichten.
Es zeigte sich ebenso, dass nach Ansicht der Revierleiter, auch der Kleinprivatwaldbesitzer zu der BG nur wenig Kontakt hat, dass er vor allem auf den Revierleiter als Bezugspunkt fixiert ist. Dies bestätigt, dass der effektivste Weg eine Verhaltensänderung bei Privatwaldbesitzern einzuleiten, über den Revierleiter führt. Die Priorisierung der Aufgaben der Revierleiter wird seit der Verwaltungsreform in Baden-Württemberg nicht mehr nur von den Forstbehörden übernommen. Seit dieser umfassenden Reform haben die Landräte als dienstliche Vorgesetzte die Möglichkeit, über Intensität und Qualität der Privatwaldbetreuung mit zu entscheiden. Aus dieser Überlegung heraus kann den BGen empfohlen werden, die Landräte in die Diskussionen zur Senkung der Unfallzahlen im Privatwald mit einzubeziehen.
Die Überlegung, eine solche Veranstaltung nach einem mehrtägigen Einführungsseminar als eine Art Workshop in regelmäßigen Abständen zu wiederholen, um die Nachhaltigkeit der Veränderungen und eine stete Verbesserung der Führungsqualitäten bei den Revierleitern zu erreichen, erscheint nach den Ergebnissen der Evaluation der Fortbildung eine sinnvolle Möglichkeit für die Verbesserung der Arbeitssicherheit zu sein. Die Revierleiter könnten sich untereinander über Probleme und Erfolge austauschen und Rat und Hilfe von Fachleuten erhalten.
Die Frage, inwieweit diese Veranstaltung dann fakultativ wäre, oder wie Revierleiter erreicht werden können, die nicht an einem solchen Seminar teilnehmen möchten, soll hier nur in den Raum gestellt werden.
Fazit
Es ist deutlich geworden, dass das Problem der hohen Unfallzahlen in der Waldarbeit sehr vielschichtig ist. Dabei kommt im Gesamtgefüge der Personen, die mit dem Arbeitsfeld Wald in Verbindung stehen, jedem eine besondere Verantwortung zu. Um effektiv handeln zu können, ist eine gute Kommunikation und Absprache unter allen Beteiligten notwendig. Vor allem die Revierleiter, die hier eine Schlüsselposition einnehmen, wenn die Arbeitssicherheit im Forst erhöht werden soll, müssen von allen Seiten unterstützt werden.
Literatur
- Ritter, A. (1992): Gruppenorientierte Ansätze zur Förderung der Arbeitssicherheit: Konzepte und erste praktische Erfahrungen mit Sicherheitszirkeln und anderen Kleingruppenformen. Berlin: Verlag Erich Schmidt. Heil, K. (1996): Was bringt uns weiter- Einsicht oder Zwang? Forst und Holz. 51. Jahrgang Nr. 21. S. 698-703.
- Kastenholz, E. (1996): Sicheres Handeln bei motormanueller Holzernte: Untersuchung von Einflüssen auf das Unfallgeschehen bei der Waldarbeit unter besonderer Berücksichtigung der Lohnform. Freiburg: Dissertation.
- König, C.-D. et al. (1995): Arbeitssicherheit als Führungsaufgabe- ein praxisorientiertes Beratungskonzept. In: Hoyos, C. und Wenninger, G. (Hrsg.): Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in Organisationen. Göttingen: Hogrefe – Verlag für Psychologie.
- Diebold, W. (1980): Motivation von Mitarbeitern zur Unfallverhütung. AFZ – Der Wald. 35. Jahrgang Nr. 32. S. 844-845.
Die Autoren:
Dipl. Ing. (FH) Adina Lauer war Diplomantin an der HFR, Prof. Dr. Dirk Wolff leitet dort die Professur für Waldarbeit und Forsttechnik.