Zum Podcast astrein - Wald.Mensch.Wissen, Episode 21: "Technik kann Menschenleben retten – Arbeitssicherheit bei der Waldarbeit"

Im Podcast astrein – Mensch.Wald.Wissen spricht FVA-Direktor Prof. Dr. Ulrich Schraml regelmäßig mit Kolleginnen und Kollegen über Themen, Projekte und Erkenntnisse der forstlichen Forschung. Mit Dr. Udo Hans Sauter und Frauke Brieger aus der Abteilung Waldnutzung blickt er auf die Arbeitssicherheit im Wald. Das Gespräch können Sie im Folgenden nachlesen.

Klimaschäden werden zum Problem

Ulrich Schraml: Dass Waldarbeit gefährlich sein kann, ist für viele Menschen nachvollziehbar. Beim Blick auf die Statistik ist man dennoch überrascht, wie gefährlich sie tatsächlich noch immer ist.

Frauke Brieger: Ja, das ist so. Die Zahlen der Unfallversicherer belegen jährlich etwa 5.000 meldepflichtige Unfälle bei Waldarbeiten in Deutschland. 2023 endeten fast 40 tödlich.

Ulrich Schraml: Welcher Aspekt der Waldarbeit birgt das Hauptrisiko? 

Udo H. Sauter: Die schwersten Unfälle sind nach wie vor die, die direkt am Baum mit den Arbeitsgeräten, also in der Regel mit einer Motorkettensäge, stattfinden. Aber auch die Vorbereitung und Tätigkeiten unmittelbar bei der Bearbeitung eines Baumes sind risikobehaftet. 

Ulrich Schraml: Aber nicht unbedingt, weil sich jemand ins Bein sägt, sondern weil zum Beispiel ein Ast herunterstürzt oder ein Baum zurückschnellt?

Udo H. Sauter: Ja, die unerwarteten Geschehnisse am Baum nehmen zu, weil die Vitalität der Bäume im Klimawandel zunehmend ein Problem darstellt. Kronenbereiche sind oftmals nicht mehr gesund und werden zu einem Unfallrisiko, das nicht unmittelbar mit dem Sägen einhergeht. 

Kleine Flächen, steile Lagen

Ulrich Schraml: Sind die Unfallzahlen abhängig davon, ob jemand als Profi in einem großen öffentlichen oder privaten Forstbetrieb tätig ist oder ob jemand nur im Nebenerwerb eine Landwirtschaft betreibt oder gar hobbymäßig Brennholz aufarbeitet?

Frauke Brieger: Der Wald ist ein Arbeitsplatz, der nicht normierbar ist und dementsprechend eine hohe Qualifikation und viel Erfahrung voraussetzt, um dort sicher arbeiten zu können. Das fängt bei der Baumansprache an: Was kann ich erkennen? Was sagt mir der Baum? Bevor ich überhaupt die Motorsäge ansetze, sollte ich Risiken schon erkennen. Das ist für jemanden, der in diesem Beruf ausgebildet wurde und seit vielen Jahren auf hohem Niveau arbeitet, besser einzuschätzen als für jemanden, der nur unregelmäßig im Wald arbeitet.

Ulrich Schraml: Letzteres trifft vermutlich auf viele Besitzerinnen und Besitzer von Kleinprivatwäldern zu.

Frauke Brieger: In Baden-Württemberg stellen sowohl die Waldbesitzstruktur mit vielen Kleinprivatwäldern als auch die Waldstruktur an sich Risikofaktoren dar. Aufgrund der Topografie mit vielen Hanglagen, können nur eingeschränkt Maschinen eingesetzt werden. Das heißt, ein gewisser Anteil der Holzernte muss in jedem Fall vom Menschen mit der Motorsäge durchgeführt werden.

Udo H. Sauter: Aus diesem Grund müssen wir intelligente, kombinierte, teilmechanisierte Verfahren entwickeln, die menschengerecht sind, also ein hohes Maß an Arbeitssicherheit mit sich bringen und es trotzdem vermögen, das wertvolle Holz aus Hangsituation zu ernten. Das ist ein gewisser Spagat. In Baden-Württemberg haben wir diesbezüglich aber schon einige hervorragende Lösungen erarbeitet.

Risikofaktor Totholz

Ulrich Schraml: Erhöht sich das Risiko durch den ökologischen Waldumbau?

Udo H. Sauter: Auf jeden Fall. In strukturreichen Mischwäldern stehen alte Bäume direkt neben ganz jungen. Der arbeitende Mensch mit der Motorsäge kann sich in einem solchen Umfeld schlechter orientieren und mit Kolleginnen und Kollegen kommunizieren. Hinzu kommen steigende Anteile an Alt- und Totholz. Es gibt auch hier Lösungen, diese sind jedoch mit erhöhten Kosten verbunden.

Ulrich Schraml: Stichwort Totholz. Was ist gefährlicher? Ein Baum, der komplett tot ist wie eine Käferfichte oder eine halblebige Buche? 

Frauke Brieger: An der Stelle kommt die Erfahrung der Forstwirtinnen und Forstwirte ins Spiel. Baumarten reagieren unterschiedlich, wenn sie geschädigt sind und absterben. Da verhält sich eine Fichte völlig anders als eine Buche. Bei einer geschädigten Buche kann es sein, dass von unten nicht gut zu erkennen ist, inwiefern sich in der Krone bereits Totholz angesammelt hat, weil die Krone durchaus noch belaubt sein kann. Durch die Erschütterung während der Sägearbeit können diese toten Äste aus der Krone herausfallen. Bei einer Fichte kann sich das wieder anders verhalten. Aber auch hier lassen sich keine pauschalen Aussagen treffen, weil die Zersetzungsprozesse je nach Exposition der Bäume, Luftfeuchtigkeit, Umgebungsvegetation völlig unterschiedlich voranschreiten können. Deshalb muss mit verschiedenen Konzepten an solche Herausforderungen herangegangen werden.

Udo H. Sauter: Wir haben bei Buchenkronen tatsächlich eine besondere Situation, weil dieses Holz häufig im Querschnitt eines starken Astes sehr schnell von Pilzen infiziert wird und dann ganz spröde wird. Und diese Sprödheit ist eine große Gefahr. Das ist ein deutlicher Unterschied zum Nadelholz, wo im fortgeschrittenen abgestorbenen Zustand eher ganze Kronenteile abbrechen. Das ist grundsätzlich besser vorhersehbar. Solche Bäume kann man komplett meiden und auf andere Art und Weise mit Maschinenhilfe zu Fall bringen, wenn sie denn stören und wegmüssen.

Sicherheitskultur etablieren

Ulrich Schraml: Ihr habt die Notwendigkeit der Ausbildung angesprochen. Was verbirgt sich hinter einer guten Ausbildung in der Waldarbeit?

Udo H. Sauter: Betriebe, in denen Ausbildung und Arbeitssicherheit die oberste Priorität darstellen und von den Führungskräften gelebt werden, sind die Errungenschaft moderner Waldarbeit. Dazu gehört selbstverständlich hundertprozentige persönliche Schutzausrüstung, das Beherrschen der Schnitttechnologie und vieles mehr. Wo Fehlverhalten aufflackert, sind die Führungskräfte gefragt, zu begleiten und dieses im Keim zu ersticken. Dann etabliert sich eine Arbeitskultur, die auf Sicherheit basiert.

Frauke Brieger: Es gibt tolle Fortbildungsangebote von den forstlichen Bildungszentren, die Führungskräfte und Arbeitsgruppe gemeinsam schulen. Das hilft, um kritische Situationen als Team zu entschärfen. 

Ulrich Schraml: Zum Beispiel?

Frauke Brieger: Nehmen wir an, ein zu fällender oder nicht optimal gefällter Baum wird als kritisch bewertet. Entscheidet man sich weiterzuarbeiten, um in weniger Zeit mehr Holz zu ernten oder holt man lieber den Schlepper, um den Baum anzubinden und aus sicherer Entfernung zu bewegen, auch wenn es mehr Zeit braucht? Letzteres reduziert kurzfristig die Leistung, dient aber der eigenen Arbeitssicherheit und der der Kolleginnen und Kollegen.

Forschen, verbessern, informieren

Ulrich Schraml: Wir haben nun über praktische Verfahren geredet. Was ist die Rolle der Forschung in diesem System und welchen Beitrag liefert die Wissenschaft, um Präventionsmaßnahmen weiterzuentwickeln?

Udo H. Sauter: In Baden-Württemberg gab es Mitte der 2000er-Jahre eine unerträglich hohe Anzahl von Unfällen auf der gesamten Landesfläche – auch im Staatswald. Die FVA hat als Ressortforschungsinstitut des Landes den Auftrag erhalten, sehr grundlegend die Ursachen zu erforschen. Wir haben mit den für den Forstsektor damals ganz neuen Methoden der Sozialwissenschaft den Menschen, die betroffen waren, so viel Sicherheit gegeben, dass diese wirklich ausgepackt haben. Was wir zu hören bekamen, war nicht sehr rühmlich. Der Bericht aus unserer Hand hat Anstoß dazu gegeben, dass Führungsrollen – vom Ministerium bis zum Betriebsleiter – heute anders wahrgenommen werden. Darüber hinaus setzt der Klimawandel neue Rahmenbedingungen. Holzernteverfahren müssen an diese angepasst werden. Wir brauchen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft den Rohstoff Holz, also müssen wir uns Gedanken machen, wie wir es aus dem Wald holen, ohne große ökologische Schäden anzurichten und Menschenleben zu gefährden.

Ulrich Schraml: Die Informationsplattform Holzernteverfahren auf der FVA-Homepage ist dabei ein zentrales Produkt eures Arbeitsbereichs.

Frauke Brieger: Ja, das ist eine frei zugängliche Zusammenstellung von Holzernteverfahren wie sie in Baden-Württemberg in all ihren Varianten zum Einsatz kommen können. An der FVA werden schon seit vielen Jahren Holzernteverfahren hinsichtlich Produktivität, Pfleglichkeit von Waldbestand und Waldboden, Arbeitssicherheit, Ergonomie und Organisationsaufwand untersucht. Ein wahrer Wissensschatz und es kommen immer wieder neue Verfahren dazu. Die Kolleginnen und Kollegen in der Praxis sind sehr fortschrittlich und versuchen Arbeitsverfahren immer sicherer zu machen. Wir sind dann aufgerufen, uns das näher anzuschauen, diese Verfahren zu beschreiben und darüber zu informieren. Mittlerweile ist die Informationsplattform auch mobil über die landeseigene App WaldExpert abrufbar.

Zu den Personen

Im Podcast astrein – Wald.Mensch.Wissen spricht FVA-Direktor Prof. Dr. Ulrich Schraml regelmäßig mit Waldforschenden über aktuelle Themen, Projekte und Forschungsergebnisse.

Dr. Udo Hans Sauter leitete bis zum Eintritt in den Ruhestand im Dezember 2024 über 20 Jahre die Abteilung Waldnutzung an der FVA.

Frauke Brieger arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der FVA-Abteilung Waldnutzung. Dort betreut sie die Themen Holzernteverfahren und Logistik.