Die Studie "Menschliche Gesundheit und Nachhaltige Forstwirtschaft" soll den gegenwärtigen Wissensstand zu den Gesundheitswirkungen des Waldes zusammenfassend darstellen. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der Integration sozialer Wald-Ökosystemleistungen in die Nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes zur Stärkung der Erholungsfunktion, des Tourismus und für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen. Der Bericht wurde im April 2019 von einem Expertenteam unter der Federführung der Liaison Unit Bratislava von FOREST EUROPE veröffentlicht.
Ausgangsituation: Warum ist die menschliche Gesundheit heute so entscheidend?
Die Gesellschaft in Europa wird aktuell von globalen Trends und demografischen Veränderungen beeinflusst: rasch fortschreitende Urbanisierung, Digitalisierung, Überalterung der Bevölkerung sowie einem modernen aber auch stressreichen und hektischen Lebensstil. Urbanisierung ist dabei nicht nur mit mentalem Stress, sondern auch mit physischen Belastungen und ungünstigen Umwelteinflüssen wie Lärm oder Luftverschmutzung verbunden. Nervosität, Stress oder Burnout verbunden mit körperlichen Erkrankungen sind ein ernstzunehmendes Problem der heutigen Zeit.
Zeitgenössische Lebensstile führen nicht nur zu einer verringerten physischen Aktivität im Beruf, im Haushalt oder bei der täglichen Fortbewegung, sie beinhalten auch ein verändertes Ernährungsverhalten, was häufig zu Übergewichtigkeit und den damit verbundenen Gesundheitsrisiken führt. Eine zunehmende Zahl der Stadtbewohner hat keinen besonders einfachen Zugang und Kontakt mit Wald oder anderen Naturräumen, was eine fundamentale Auswirkung auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen haben kann.
Diese Faktoren beeinflussen zum einen die Lebensqualität und zum anderen die Kosten im Gesundheitswesen. Zudem ist zu erwarten, dass diese Trends in der Zukunft bestehen bleiben werden. Es scheint, dass die herkömmlichen Konzepte zur Gesundheitsvorsorge nicht ausreichen. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Schottland, können Ärzte jedoch auch heute schon Aufenthalte in der Natur für Patienten mit Depression oder Diabetes verschreiben.
In jüngster Zeit wird das Potenzial für die Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden, das Naturräume – daher auch unserer Wälder – haben, in ganz neuer Form wahrgenommen. Deshalb sind auch auf europäischer Ebene sektorenübergreifende politische Ansätze und eine Fokussierung auf die Schaffung gesundheitsfördernder Lebens- und Arbeitsumwelten notwendig.
Ausgangsfrage für den Forstsektor: Was können wir beitragen?
Abb. 2: Ein "Bad im Wald" entspannt und stärkt Körper, Geist und Seele (Foto: Tobias Bosch).
Positive Wirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden sind heutzutage neben anderen Sozialfunktionen des Waldes, wie zum Beispiel Erholung, Tourismus, Ästhetisches Empfinden oder Spirituelle Erfahrungen, ein zunehmend wichtiger Bestandteil der Wertleistungen, die Menschen mit dem Wald verbinden.
Wälder und Bäume stellen eine Fülle von Ökosystem-Dienstleistungen bereit, die dazu beitragen ein gesundes Lebensumfeld zu schaffen: Wälder spielen eine wichtige Rolle um Hochwässer oder Dürren abzumildern, sie schützen vor Lärm, sie reinigen das Wasser, binden toxische Substanzen, erhalten Wasserqualität und Bodenfruchtbarkeit, verhindern Erosion und schützen Trinkwasserspeicher.
Wälder und Bäume haben einen positiven Einfluss auf die Luftqualität durch die Ablagerung von Schadstoffen auf den Oberflächen der Kronen, die Reduktion hoher Sommertemperaturen und eine Verminderung der ultravioletten Strahlung.
Darüber hinaus bieten Ökosysteme bei hoher Biodiversität viele Pflanzen, die als traditionelle Arzneimittel und Rohstoffe für die pharmazeutische Industrie verwendet werden. Diese Anforderungen und Erwartungen setzen Waldressourcen unter neuen Druck. Daher sind Waldbewirtschafter und Waldbesitzer gefordert, nach Kompromissen zwischen der Aufrechterhaltung der Holzproduktion und der Erbringung anderer Ökosystemleistungen zu suchen, beispielsweise zur Förderung der menschlichen Gesundheit und des Wohlbefindens. Dies könnte dem Forstsektor neue Möglichkeiten eröffnen, die Diversifizierung fördern, zusätzliche grüne Arbeitsplätze schaffen, innovative neue Arten von Dienstleistungen voran bringen, neue Wertschöpfungsketten und rentablere Investitionen ermöglichen und die Wettbewerbsfähigkeit des Forstsektors in den kommenden Jahrzehnten verbessern.
Alle Aspekte sollten jedoch berücksichtigt und in die Waldbewirtschaftungsplanung einbezogen werden. Das wird in den meisten Fällen eine Änderung der Waldbewirtschaftung sowie eine Verbesserung des partizipativen Prozesses unter Einbeziehung verschiedener Interessengruppen und Organisationen erfordern. Wann immer möglich sollten neue Finanzierungswege zur Inwertsetzung von Ökosystemdienstleistungen sowie Anreize oder Ausgleichszahlungen für erhöhte Kosten, die sich durch die Bereitstellung dieser Leistungen ergeben, gesucht werden.
Die wichtigsten Ziele der Studie
Die Studie zielt darauf ab, Aspekte der menschlichen Gesundheit sowie andere soziale Werte in die Waldbewirtschaftung einzubeziehen und deren Anerkennung, Wertschätzung und Integration auch im Forstsektor zu fördern. Kapitel 2 fasst die Forschungsergebnisse und das Wissen aus der Literatur zu den gesundheitlichen Vorteilen von Wäldern zusammen. Das sind neben den positiven Auswirkungen des Waldes auf die geistige, physiologische und körperliche Gesundheit auch die sozialen Vorteile die von Wäldern ausgehen können. Kapitel 3 bietet einen Einblick in die Planung der Waldbewirtschaftung, um zu untersuchen, wie die Waldbewirtschaftung mit den gesellschaftlichen Anforderungen in Bezug auf die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden umgehen kann. Kapitel 4 zeigt eine Vielzahl von Konzepten zur Nutzung der positiven Auswirkungen von Wäldern und beschreibt Ansätze, die auf die Entwicklung von Wäldern zur Gesundheitsförderung oder für therapeutische Intervention abzielen. Darüber hinaus enthält das Kapitel eine Bestandsaufnahme verschiedener Programme und Maßnahmen, die zwar primär andere Ziele als die Gesundheitsförderung verfolgen, deren Synergieeffekte für die Gesundheit jedoch allgemein anerkannt sind oder die in andere Bereiche wie Bildung, Erholung und Tourismus in Wäldern integriert sind.
Inhalt und Ergebnisse der Studie
Die Literaturstudie identifiziert und diskutiert fünf Schlüsselmechanismen für den gesundheitlichen Nutzen von Wäldern im Forschungsbereich:
- Reduzierte Lärmbelastung und Luftverschmutzung
- Stressabbau und psychologische und physiologische Erholung
- Stärkung des Immunsystems durch Kontakt mit der Natur
- Gesteigerte körperliche Aktivität
- Verbesserung der Sozialkontakte
Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Waldbesuche erholend und positiv auf das psychische Wohlbefinden auswirken, die Stimmung und Aufmerksamkeit verbessern und psychischem Stress entgegen wirken. Es wurde nachgewiesen, dass das Gehen in natürlichen Umgebungen kurzfristig stärkere kognitive Vorteile bietet als das Gehen in städtischen Wohngebieten. Mögliche Vorteile des Kontakts mit der Natur zur Vermeidung von Gesundheitsproblemen durch chronischen Stress und Aufmerksamkeitsdefizite sind belegt. Außerdem gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass Waldbesuche positive physiologische Auswirkungen haben, wie z. B. einen verringerten Blutdruck, eine niedrigere Pulsfrequenz, eine Absenkung des Cortisolspiegels und eine verringerte sympathische Nervenaktivität. Selbst kurze, aber wiederholte Besuche in einer grünen Umgebung können zu positiven Veränderungen der kardiovaskulären Risikofaktoren führen.
Soziale Kontakte, die während einer Waldführung geknüpft werden, können Menschen ermutigen und motivieren ihre Aktivitäten zu wiederholen und sich auch in Zukunft mit und in Wäldern zu beschäftigen. Waldpädagogische Angebote zeigen, dass es den Teilnehmern wichtig ist, sich mit Freunden zu treffen und die sozialen Beziehungen zu stärken. Soziale Kontakte zwischen Kindern beim Spielen im Freien können sich positiv auf ihre sozioemotionale Entwicklung auswirken und zum besseren sozialen Zusammenhalt beitragen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Kinder in ländlichen natürlichen Umgebungen ein positives soziales Verhalten zeigten. Es wurden drei Kategorien wichtiger Bestandteile von Waldprogrammen identifiziert, die sich positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirken:
- Stärkung der bestehenden sozialen Beziehungen,
- Entwicklung neuer sozialer Beziehungen und
- Beteiligung und Aufbau von Gemeinschaftskapazitäten.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, das Wissenschaftler die direkten Auswirkungen der Waldexposition auf körperliche Gesundheit (z. B. gemessen an Blutdruck, Body-Maß-Index, Genesungsraten nach Operationen, Morbidität und Mortalität), mentales Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit oder psychische Belastungen, sowie die Erholung davon, umfassend untersucht haben. Die Ergebnisse der Studien sind positiv gegenüber dem Wald als Umfeld, teils ist jedoch das unzureichende Forschungsdesign, die Methodik oder die Ausrichtung auf kurzfristige Effekte zu kritisieren, weshalb auch künftig Forschungsbedarf gegeben ist.
Zahlreiche bereichsübergreifende Angebote und Programme sind bereits in europäischen Ländern entwickelt um Wälder zur Steigerung von Gesundheit und Wohlbefinden zu nutzen. Einige dieser Angebote konzentrieren sich auf die allgemeine Förderung der Gesundheit, während andere auf konkrete geistige, körperliche, emotionale oder verhaltensmäßige Beeinträchtigungen ausgerichtet sind.
Ansätze zur Nutzung der gesundheitlichen Vorteile von Wäldern
Die Ansätze zur Nutzung der gesundheitlichen Vorteile von Wäldern wurden für diese FOREST EUROPE Studie in vier Kategorien unterteilt, wobei ein breites Spektrum bestehender Programme, Aktivitäten und gut beschriebener Best-Practice-Beispiele mitbeschrieben werden:
Wälder zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention: Dieser Ansatz umfasst sogenannte Heilwälder und Heilbäder, Heil- und Gesundheitspfade, Regenerations- und Wellnesspfade, Wälder für Achtsamkeitswanderungen und -programme, Waldbaden, Seelenpfade und Anti-Stress Programme im Wald.
Wälder für Therapie und Rehabilitation: Diese Kategorie umfasst Waldtherapien, Therapiewanderungen, Wälder von Rehabilitationszentren und Krankenhäusern (z.B. mit Waldsofas, Barfuß-, Moos- und Wellnesspfaden), Ansätze zum Nutzen von Wäldern bei sozialer Isolation, therapeutisches Handwerk und gartenbauliche Aktivitäten.
Wälder für die Umweltbildung mit indirektem Nutzen für die Gesundheit: Dieser Ansatz impliziert verschiedene pädagogische Outdoor- und Waldpädagogik-Programme wie Exkursionen, Beobachtungs- und Erkundungstouren, Workshops, Waldkindergärten und -kindertagesstätten, Waldspielgruppen und -gelände, Waldschulen, Waldferienlager oder Waldkinder und -jugendgruppen verschiedener Vereine.
Wälder für Erholung und Tourismus: Diese Kategorie umfasst Erholungs- und Tourismusangebote wie zum Beispiel geführte Wanderungen, Lehrpfade, Themenausflüge, Reitwege, Mountainbike und Nordic Walking, Wanderwege, Skitouren, Orientierungsprogramme, Abenteuerparks, Waldseilgärten, Baumkronenpfade, Baumhaus-Hotels, Aussichtspunkte und Verstecke, Baumklettern, Spielplätze, Waldurlaub, Waldhütten, Picknickplätze mit Feuerstellen, Naturlehrpfade und Waldfreiflächen oder Museen.
Empfehlungen für die Politik und für Entscheidungsträger
Um Aspekte der menschlichen Gesundheit vermehrt in die nachhaltige Waldbewirtschaftung einzubeziehen, muss sich die europäische und auch nationale Forstpolitik mit den aktuellen Programmen des Gesundheitsbereiches und der möglichen Rolle der Wälder bei der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention befassen. Die Forstpolitik sollte die Bereitschaft des Forstsektors erhöhen, die Bedürfnisse der wachsenden Stadtbevölkerung nach einer gesunden grünen Umwelt zu befriedigen. Die forstliche Planung (in der Regel auf der Grundlage von Inventur und Forsteinrichtung) ist Grundlage nachhaltiger Waldbewirtschaftung. Die derzeit in Europa übliche Forstplanung basiert auf langjährigen Traditionen, die in jedem Land von unterschiedlichen Akteuren umgesetzt wird, dabei werden jedoch bislang insbesondere wirtschaftliche und ökologische Aspekte berücksichtigt. Eine moderne, multifunktionale Forstplanung muss jedoch umfassend alle Waldfunktionen und Zielsetzungen berücksichtigen, einschließlich der sozialen und kulturellen Anforderungen der Gesellschaft.
Die Waldbewirtschaftung in Ballungsräumen ist zunehmend damit konfrontiert, dass Bürgerinnen und Bürger das Recht einfordern, auf die Bewirtschaftung ihrer Lieblingsplätze in den umliegenden Wäldern Einfluss zu nehmen. Dies sollte bei der Planung der Waldbewirtschaftung nicht übersehen werden. In vielen Fällen gibt es bereist partizipative Prozesse: Interessensgruppen, Bürger, Unternehmen, Organisationen oder betroffene Vereine und Verbände werden an Planungsschritten beteiligt. Das Engagement der Öffentlichkeit und die Vielzahl von Forderungen und Erwartungen führen jedoch unweigerlich zu Konflikten. Diese setzen Wälder und Waldbewirtschafter unter Druck. Eine der schwierigsten aktuellen Herausforderungen nachhaltiger Forstwirtschaft ist es Kompromisse zu finden zwischen der Aufrechterhaltung der Holzproduktion und der Schaffung von Waldflächen für naturnahen Tourismus, Sport, Gesundheitsförderung und Erholung. Wälder so zu bewirtschaften, dass sie umfassend Bedürfnisse verschiedenster Interessensgruppen erfüllen ist weltweit eine große Herausforderung für die Zukunft. Sie erfordert:
Abb. 7: Neben Ruhe und Erholung bietet der Wald auch Kräuter und Heilpflanzen - hier ergeben sich z.B. Kooperationsmöglichkeiten im Bereichen der Medizin, Therapie und Heilpraxis (Foto: Sabine Frommknecht).
Verbesserung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit: Wenn es um Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen geht, sollten Waldbesitzer und Forstleute mit den Kommunen vor Ort in Kontakt treten und auf die Zusammenarbeit mit Fachleuten aus anderen Sektoren setzen. Insbesondere wird die Zusammenarbeit mit Experten aus den Bereichen öffentliches Gesundheitswesen, der Bildung, dem Sport-, Freizeit- und Tourismusbereich notwendig sein.
Dafür sollten beispielsweise Forstfachleute, Landschaftsarchitekten, Ärzte und andere die sich für ein gesünderes Leben einsetzen vermehrt zusammenarbeiten. Der Forstsektor hat vielfältige Möglichkeiten, Wälder zur Förderung der menschlichen Gesundheit zu nutzen. Die Entwicklung erfolgreicher Programme und Angebote basiert jedoch in der Regel auf einer sektorenübergreifenden Zusammenarbeit. Die wichtigste aller Herausforderungen besteht tatsächlich darin, die Entwicklung echter kooperativer Praktiken voranzutreiben, die den Wissenstransfer verbessern, Synergien aufzuzeigen und zu nutzen sowie gemeinsame Verantwortlichkeiten bei der Bereitstellung dieser neuen Form von Dienstleistungen zu schaffen. Die Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsträgern, Forschern, öffentlichem und privatem Sektor wird zudem Innovation und Forschung fördern und dazu beitragen öffentlich-private Partnerschaften und Investitionen im Forstsektor zu stärken.
Mechanismen zur Erbringung von Dienstleistungen für Waldökosysteme und deren Finanzierung: Das Konzept nachhaltiger Forstwirtschaft "SFM" hat auf gesamteuropäischer Ebene bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Es basiert auf den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. Die öffentliche Nachfrage nach Ökosystemdienstleistungen (ÖSD) fordert indirekt die Erfüllung aller drei Dimensionen. Eine multifunktionale Waldbewirtschaftung wird heute zunehmend als Alternative gegenüber einer alleinigen betrieblichen Ausrichtung auf die Holzerzeugung betrachtet. Es ist jedoch sehr schwierig, den relativen wirtschaftlichen Wert und die Nachfrage für verschiedene Waldprodukte und Walddienstleistungen einzuschätzen, denn viele können nicht direkt vermarktet werden. Das Wohlbefinden des Menschen ist zentraler Bestandteil der Konzepte für Wald-ÖSD. Während in privaten Wäldern die Entscheidung über die Einbeziehung von ÖSD in die Bewirtschaftungsziele von den Waldbesitzern abhängt, wird vom öffentlichen Wald in vielen Ländern erwartet, dass sie der Erbringung einer breiten Palette von ÖSD Vorrang einräumen.
Weiterentwicklung von Mechanismen und Finanzierung für die langfristige Bereitstellung von Waldökosystemleistungen für soziale Funktionen und gesundheitlichen Nutzen: Die Inwertsetzung von ÖSD kann Entscheidungsträgern helfen, alternative Ökosystem-Managementkonzepte zu evaluieren. Es kann auch beim Aufbau von Finanzierungs- / Anreizsystemen für die monetäre Abgeltung von ÖSD ("payments for ecosystem services" PES = Zahlungen für ÖSD; siehe: Valuation of Forest Ecosystem Services). PES deckt eine Vielzahl von Finanzierungsmodalitäten ab, über die die Begünstigten von PES die Anbieter für die Dienstleistung bezahlen. Es ist wichtig, nach innovativen Optionen für PES-Systeme zu suchen, die auf die Inwertsetzung umfassenderer Waldleistungen abzielen. Die Umsetzung von PES-Systemen würde auch einen wirksamen rechtlichen und institutionellen Rahmen erfordern, der Zahlungen für ÖSD erleichtert und fördert, einschließlich deren Überwachung und flexibler Anpassung an die sich wandelnde Wirtschaft und Umwelt. Eine erfolgreiche Umsetzung von PES-Systemen würde die Diversifizierung der Forstproduktion unterstützen sowie die Akzeptanz der Forstwirtschaft in der Öffentlichkeit und auch umgekehrt öffentlicher Interessen in der Forstwirtschaft erhöhen.
Überwachung und notwendige Datenerfassung: Eine landschaftsplanerische Herausforderung ist das Monitoring der Waldbesuche und der gesellschafltichen Erholungsbedürfnisse. Daher sollten Monitoring-Programme zur Erholung im Freien und der damit verbundenen gesundheitlichen Vorteile entwickelt und umgesetzt werden. Die Erholungsbedürfnisse in Wäldern ändern sich mit der demografischen Struktur und der globalen Entwicklung. Dies wirkt sich auch auf die Bereitschaft der Besucher aus, verschiedene Arten der Waldbewirtschaftung zu akzeptieren. Ein Monitoring der Besucherzahlen und die Identifizierung räumlicher und zeitlicher Muster der Freizeitnutzung sind für die strategische und operative Planung der Waldbewirtschaftung von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus sollten Indikatoren für die Landnutzungs- und Stadtplanung entwickelt und angewendet werden, die den Beitrag von Wald und anderen Naturräumen qualitativ und quantitativ beschreiben.
Investitionen in Forschung, Innovation, Bildung und Entwicklung neuer Kompetenzen: Es besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf, um beispielsweise das Dosis-Wirkungs-Verhältnis und die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen der Rehabilitation und Genesung von Krankheiten zu untersuchen. Darüber hinaus bestehen nach wie vor erschwerende Wissenslücken hinsichtlich der wirtschaftlichen Bewertung von Wald-Gesundheits-Wirkungen. Es ist auch erforderlich, die Hauptbegünstigten und Hauptanbieter von Dienstleistungen im Bereich der menschlichen Gesundheit und des Wohlbefindens zu ermitteln und die Bereiche Gesundheit, Soziales und Wald künftig besser einzubeziehen. Durch die Einbeziehung sozialer und gesundheitlicher Aspekte in die Nachhaltige Forstwirtschaft erhält der Forstsektor mehr Möglichkeiten, neue "grüne Arbeitsplätze" und Haushaltseinkommen zu schaffen, insbesondere in ländlichen Gebieten. Die Aus- und Weiterbildung muss einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Funktionen der Wälder ermöglichen, damit deren Potenzial voll ausgeschöpft werden kann. Die forstliche Ausbildung muss ganzheitliche Ansätze und sektorübergreifende Perspektiven sowie Querschnittskompetenzen (z. B. Kommunikation, Konfliktmanagement, Beteiligung der Öffentlichkeit an der Politikgestaltung usw.) beinhalten. Politische Instrumente zur Unterstützung von Pilotprojekten, Forschung, Bildung, Monitoring und Kommunikation sind erforderlich, um aktuelle und evidenzbasierte Theorien in die Praxis umzusetzen.
Abb. 8: Diese märchenhafte Brücke gehört zu einem Waldbadepfad in Spanien (Foto: Markus Sallmanshofer)
Bessere Zugänglichkeit des Waldes: Ein gesundheitlicher Nutzen für die Gesellschaft lässt sich am besten durch regelmäßige Waldbesuche erzielen. Daher muss der Zugang und die Verfügbarkeit von Wald im Allgemeinen, aber auch von explizit zur Erfüllung der Erholungsfunktion ausgewählten Waldstücken europaweit für alle potenziellen Zielgruppen verbessert und gesichert werden. Dabei sollte städtischen und stadtnahen Wäldern besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Bereitschaft privater Waldbesitzer zu fördern und Anreize zu setzen, ihren Wald für diese öffentliche Nutzung zugänglich zu machen, ist eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre. Es gilt hierfür dringend Unterstützungs-, Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten sowie eine ausbalancierte Rechtsprechung im Falle von Haftungsfragen zu schaffen.
Kommunikation als Schlüssel: Kommunikation verbessert das Verständnis der Öffentlichkeit für waldrelevante Entscheidungen und vermindert das Konfliktpotential bei der Waldnutzung. Die Interaktion mit allen Interessengruppen und der lokalen Bevölkerung ist für die Entwicklung von Projekten unerlässlich. Menschen sollten ermutigt werden, Wälder für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu nutzen. Eine moderne Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit muss als zentrale und regelmäßige Aufgabe der forstlichen Akteure angesehen und ausgebaut werden. Der Forstsektor muss vermehrt moderne Medien und Kommunikationsmethoden einsetzen um in der Gesellschaft sowohl die Akzeptanz für eine nachhaltige Waldnutzung und Anerkennung sämtlicher erbrachter Ökosystemleistungen zu verbessern.