Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) haben den Auftrag, Naturwälder für die Gesellschaft erlebbar zu machen. Bei dieser Aufgabe können Arbeitshilfen unterstützen, die im Rahmen des Projekts "Naturwälder.Erleben" an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft entwickelt wurden. Dazu zählen eine Checkliste, ein Werkzeugkasten sowie konkrete Vorschläge zum "Naturwald.Erleben" in zwei Pilotgebieten. Diese Werkzeuge nützen den ÄELF insbesondere bei der Erstellung und Abstimmung der "Naturwald-Entwicklungskonzepte" (NEK).

Mit Inkrafttreten der Bekanntmachung über die "Naturwälder in Bayern" am 2. Dezember 2020 können besonders naturnahe Waldflächen rechtsverbindlich als Teil des grünen Netzwerks (gem. Art. 12a Abs. 2 BayWaldG) gesichert und ihre natürliche Entwicklung zu den Urwäldern von Morgen verbindlich festgelegt werden. Insgesamt soll dieses grüne Netzwerk aus nutzungfreien Wäldern bis zum Jahr 2023 zehn Prozent der Staatswaldfläche umfassen. Die Naturwälder haben laut Bekanntmachung drei Ziele:

  • Sie sollen einen Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung der Biodiversität leisten,
  • wo die natürlichen Voraussetzungen es zulassen, sollen sie für die Gesellschaft besonders erlebbar gestaltet werden und
  • Naturwälder sollen als Referenzflächen für die Entwicklung naturnaher und ungenutzter Wälder im Klimawandel dienen.

Dem Projekt lag der gesetzliche Auftrag zugrunde, Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu weitgehend unberührter Natur zu ermöglichen, damit sie die Schönheiten und Besonderheiten nicht bewirtschafteter Naturwälder aus nächster Nähe erleben. Besucher sollen dabei die natürliche Entwicklung der Flächen beobachten und verstehen können. Darüber hinaus soll dieses "Naturwald-Erleben" dazu beitragen, den unbewirtschafteten Wald und seine Wirkung auf den Menschen und die Umwelt selbstentdeckend kennen und schätzen zu lernen.

Checkliste

Mit der Checkliste kann ein Überblick über die Potenziale von Naturwäldern für die Entwicklung von Erlebnisangeboten erfasst werden. Die Liste definiert Grundlagen sowie positive und negative Kardinalpunkte. Damit lassen sich Orte festlegen, die für das Erleben besonders relevant sind. Ergänzt wird die Checkliste mit einer Anleitung und Hinweisen zu naturschutzfachlich wertvollen Flächen. Sie stellt somit die IST-Analyse eines Naturwaldes dar, dessen Erlebbarkeit für Besucherinnen und Besucher gefördert werden soll. Dies ist anhand einer Karte für die Pilotgebiete mit allen relevanten Kardinalpunkten nachzuvollziehen.

Werkzeugkasten

Der Werkzeugkasten bietet den ÄELF Anregungen und Instrumente, um ihre Naturwälder erlebbar zu machen. Er ist in fünf Kategorien unterteilt:

  • Basis-/Grundlagenwerkzeuge (z. B. Infotafel, Parkplatz, Leitsystem, Themenpfad-Rundweg)
  • Digitale und analoge Werkzeuge (digital: z. B. App, Webcam; analog: z. B.: Tiersilhouette, Gästebuch)
  • Werkzeuge, um mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu kommen (z. B. Veranstaltungen, waldpädagogische Führungen)
  • Werkzeuge mit verbindenden Elementen (z. B. Stempelpass analog oder digital)
  • Werkzeuge zum Erleben – Highligths (z. B. Trekkingplatz, Land-Art-Fläche, Citizen-science)

Den verschiedenen Werkzeugen liegt eine kurze Beschreibung und Bewertung nach folgenden Kriterien bei: Zielgruppe, Beschreibung, Vor- und Nachteile, Aufwand, Kosten, Möglichkeiten für Partner/externe Träger/Kooperationen, Eignung für bestimmte Naturwaldtypen (groß/klein, Auwald, Bergwald usw.). Anhand einer Matrix wird dargestellt, welchen Bezug das jeweilige Werkzeug zu den drei gesetzlichen Zielen für Naturwälder hat und welcher Charakter dem Werkzeug überwiegend zuzuordnen ist (emotional, wissensvermittelnd, erforschend).

Empfehlungen für zwei Pilotgebiete

Während der Projektlaufzeit gab es zwei Naturwald-Pilotgebiete. In der ersten Projekthälfte wurde der Irtenberger Wald, ein rund 517 ha großer Laubwald südwestlich von Würzburg, untersucht. Anschließend fokussierte sich das Projekt auf den rund 540 ha großen Naturwald Vierzehnheiligen, der aus Laubmischwald besteht und südöstlich von Lichtenfels liegt (Abbildung 2).

Die Arbeiten im Irtenberger Wald dienten als Grundlage für die Erarbeitung der oben genannten Checkliste (einschließlich IST-Analyse) und des Werkzeugkastens, aus denen wiederum Vorschläge für das "Naturwald-Erleben" abgeleitet wurden. Konkret ist die Anlage von zwei Rundwegen vorgesehen (Abbildung 3) – einer im Norden, einer im Süden – , die mit einer Naturwald-App vernetzt werden. Diese App wurde 2019 von den Bayerischen Staatsforsten zunächst für die Besucherlenkung im Spessart entwickelt und jetzt für Naturwälder angepasst. Sie funktioniert über Naturwaldrouten, an denen sich sogenannte Points of Interests (POI) befinden. Anhand eines in der App gespeicherten Fotos können Besucher die POI finden, darüber hinaus bietet die App zusätzliche Informationen zu den POI. Der Werkzeugkasten enthält hierzu Ergänzungsvorschläge, um die App interaktiver zu gestalten.

Im Irtenberger Wald sind als Highlights ein Trekkingplatz und ein "Land-Art"-Platz für Kunstwerke aus Naturmaterialien sowie die Installation einer Webcam vorgesehen. Benötigt werden darüber hinaus noch Teile der Grundausstattung wie Begrüßungstafeln, ein Leitsystem, Ruhebänke und Unterstellmöglichkeiten.

Im Pilotgebiet Vierzehnheiligen erläuterte die Projektbearbeiterin Zielsetzung und Arbeitsschritte des Projekts im Rahmen einer Vor-Ort-Besprechung mit allen Beteiligten der Forstverwaltung und der Bayerischen Staatsforsten. Im Rahmen dieses Treffens erfolgte auch der Startschuss für die Erstellung des Naturwald-Entwicklungskonzepts (NEK). Unter Einsatz der Checkliste wurde anschließend das "Erlebnis-Potenzial" erfasst sowie erste Ideen für die Umsetzung von "Erlebnis-Angeboten" skizziert und mit den Trägern öffentlicher Belange diskutiert.

Fazit und Ausblick

Die neuen Aufgaben im Kontext der Ausweisung von Naturwäldern stellen Forstverwaltung und Bayerische Staatsforsten vor große Herausforderungen. Um diese zu bewältigen, sind bislang ungewohnte Wege der Zusammenarbeit wie zum Beispiel die Einbindung der Träger öffentlicher Belange erforderlich, die teilweise neue Arbeitsweisen erfordern. Damit Besucher künftig Naturwälder erleben und ihre Bedeutung kennenlernen können, müssen sie sich vor Ort willkommen fühlen und gut geleitet werden. Dafür sind Lenkungs- und Informationsangebote (Beschilderung, ggf. Parkplätze, Ruhebänke usw.) sowie attraktive Angebote für das Naturwald-Erleben vorzuhalten. Ebenfalls erforderlich sind ergänzende Online-Informationen – insbesondere eine Webseite zu den Naturwäldern – die die Ausflugsplanung erleichtern und Hintergrundwissen liefern.

Zusammenfassung

Bei den ÄELF besteht ein Bedarf an Arbeitshilfen, die sie dabei unterstützen, Naturwälder für die Gesellschaft erlebbar zu machen. Im Rahmen des Projekts "Naturwälder.Erleben" entwickelte die LWF eine Checkliste, einen Werkzeugkasten sowie konkrete Vorschläge für das "Naturwald-Erleben" in zwei Pilotgebieten. Die Erkenntnisse und Materialien des Projekts sollen auch für Planungen in den anderen Naturwaldgebieten eingesetzt werden. Es ist sinnvoll, Überlegungen zum Naturwald-Erleben gemeinsam mit den Naturwald-Entwicklungskonzepten (NEK) zu erarbeiten, um Synergieeffekte zu nutzen. Denn viele Aspekte, die mit Checkliste und Werkzeugkoffer im Hinblick auf das Erleben bewertet werden, sind auch für die Erstellung des NEK und für die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange bedeutsam.

Das Projekt "Naturwälder.Erleben – Werkzeuge und Pilotvorhaben für die Naturwaldbezogene Bildung und den Dialog in der Gesellschaft (ST 365)" wurde vom 1.November 2020 bis 31.Dezember 2021 durchgeführt und vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) gefördert.