Die Beziehung der Öffentlichkeit zum Wald, ihre Erwartungen an Wald und Forstwirtschaft, haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschoben. Der traditionelle Rohstofflieferant und Erholungsort Wald hat sich gewandelt zum Ort der Ökosystemdienstleistungen, der gemanagt und geschützt werden muss. Die Erholung hat für die Menschen aber immer noch eine hohe Bedeutung. Es ist notwendig, die Kommunikation über den Wald an den regionalen Besonderheiten auszurichten. Wie die lokale Bevölkerung "ihre" kommunalen Wälder wahrnimmt, wurde in einem Projekt untersucht.
Befragungen in bayerischen Kommunen
In Schweinfurt, Traunstein, Moosburg an der Isar und Freising wurden insgesamt 1.140 Personen befragt, wie sie den Wald vor ihrer Haustür wahrnehmen und erleben und welche Einstellung sie zum Wald haben. Angestrebt wurde dabei ein soziodemografisch ausgeglichenes Verhältnis bezüglich Alter und Geschlecht. Die Untersuchung war eine Kombination aus Ziel- und Quellgebietsbefragung:
- Zielgebietsbefragung: Besucherinnen und Besucher eines bestimmten Ortes wurden befragt (Einwohner der genannten Städte, die die umliegenden Wälder besuchten).
- Quellgebietsbefragung: Der Bevölkerung in den Stadtzentren wurden die gleichen Fragen gestellt.
Aufgrund von offenen Fragen in Form von Satzergänzungen konnten die Befragten frei assoziieren. Dadurch konnten sie ihre eigenen Denk- und Ausdrucksformen entwickeln und möglichst unbeeinflusst die Vorstellungsbilder zu Wald und Holznutzung liefern. Ergänzend wurden narrative Gruppeninterviews mit Bürgern der Stadt Traunstein geführt und dabei mit Hilfe stadtplanähnlicher Karten der umgebenden Wälder die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen der Menschen im Wald gesammelt.
Allerdings ist die Öffentlichkeit ein kommunikationstheoretisch schwer zu erfassendes Phänomen. Unterschiedliche Deutungsmuster bzw. Rationalitäten orientieren sich an eigenen Sinnkriterien und Erfolgsvorstellungen. Die daraus resultierenden Handlungslogiken können mitunter sehr widersprüchlich sein. Unsere Gesellschaft kennt fünf Archetypen von Rationalitäten:
- Technische Rationalität (Mittel-Zweck-Orientierung)
- Ökonomische Rationalität (Nutzerorientierung im Sinne einer gesellschaftlichen Wohlfahrtsmehrung)
- Soziale Rationalität (Integration von Akteuren in sozialen Systemen steht im Mittelpunkt)
- Juristische Rationalität (Orientierung am System der Rechte und Pflichten)
- Politische Rationalität (Orientierung an Machtgewinn bzw. Machterhalt)
Bei der heutigen Gesellschaft ist ein weiterer Archetyp zu ergänzen:
- Ökologische Rationalität (Orientierung an ökologischen, dauerhaften Systemen, deren Schutz Vorrang vor ihrer Nutzung hat)
Wohlfühlraum Wald
Die Antworten auf die Frage "Wenn ich an meinen heutigen Waldbesuch denke…" geben einen Überblick, was die Besucher im Wald bewusst wahrnehmen, was sie beschäftigt bzw. woran sie sich erinnern. Es zeigt sich, dass sie den Wald als stark positiv bewerteten "Wohlfühlraum" erleben. Er dient den Besuchern als Erholungs- und Erlebnisraum, in dem sie die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen und erfahren können. Ihre Erinnerung prägen positive waldtypische Sinneseindrücke wie die frische Luft, die Ruhe und das Grün. Daneben dominieren Erinnerungen an die Erholung im Wald mit Entspannung, Wohlempfinden, positiven Erlebnissen und verschiedenen durchgeführten Aktivitäten. Die Forstwirtschaft findet dagegen kaum Erwähnung – weder positiv noch negativ. Eine untergeordnete Rolle spielen auch die Sorge um den Wald (Schädlingsbefall, Sturm, Waldverlust), die Belästigung durch Müll und Abfall oder Konflikte mit anderen Nutzern (Abb. 2).
Fragt man dagegen explizit nach den Gründen, warum sich Waldbesucher ärgern ("Bei den Waldbesuchen ärgere ich mich regelmäßig über…"), erhält Müll im Wald (z.B. Tempotaschentücher, Zigarettenkippen) eine zentrale Stellung. Regelmäßige Konflikte entstehen bezogen auf den knappen Raum Waldweg auch zwischen den unterschiedlichen Erholungsaktivitäten: Hunde, Radfahrer und Spaziergänger nutzen den Raum in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Forstwirtschaft wird wiederum fast nicht genannt, nur wenige Nennungen bezogen sich auf forstliche Maßnahmen wie Bäume fällen oder Pflegezustand (unordentlich, ungepflegt) der Wälder.
Auf die Frage "Der Wald bedeutet für mich…" steht für die Befragten die Sehnsucht nach Erholung und Naturerfahrung im Zentrum. Die Schutzwirkung des Waldes (Trinkwasser, Hochwasser usw.) oder der Wald als Produktionsraum für den Rohstoff Holz spielen keine Rolle. Das bestätigt den Trend er fortschreitenden Entkoppelung des Rohstoffes Holz von seinem Produktionsort Waldin der Wahrnehmung der postmodernen Freizeitgesellschaft.
Diese Trennung hängt zusammen mit unseren alltäglichen Erfahrungen und Erlebnissen mit und in der Landschaft. Da immer weniger Menschen in der Landschaft bzw. im Wald praktisch arbeiten, wird der Wald vornehmlich mit Freizeit und Erholungswirkung verknüpft. Deutungsmuster mit einer stark ausgeprägten ökonomischen Rationalität treten in den Hintergrund. Der Wald als Produktionsraum für Walderzeugnisse oder als Schutzraum vor Naturereignissen erhält keine Bedeutung, da diese Nutzungen die Alltagswelt der Menschen nicht mehr berühren.
Wald ist Wald und Förster ist Förster
Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Wald unterschiedlichen Eigentümern gehören kann. Damit tritt auch die juristische Rationalität in den Hintergrund. Ebenso wenig werden Förster nach unterschiedlichen Aufgabenfeldern eingeteilt. Der Förster ist der Förster, egal für welche Institution (Forstverwaltung, Forstbetrieb, Kommune) er tätig und mit welchen Aufgaben er betraut ist.
Zwei Deutungsmuster zur Waldbewirtschaftung
Es wurde auch die Vorstellung der Bevölkerung über die Bewirtschaftung des Waldes analysiert ("Wenn im Wald Bäume gefällt werden…", "Den Wald sich selbst zu überlassen, führt zu…", "Abgestorbene Bäume im Wald sollen…"). Die Auswertung ergab zwei übergeordnete Deutungsmuster: "Wald der Wildnis" und "Wald als Garten". Diese prägen neben zwei unterschiedlichen Rationalitäten auch zwei verschiedene ästhetische und affektive Konstruktionen. Bei beiden Deutungsmustern ist die technische Rationalität im Sinne einer Mittel-Zweck-Beziehung prägend: Wald als Mittel zur Erholung (Abb. 4).
Wald als Wildnis
Das Assoziationsbild "Wald als Wildnis" beruht auf der Idealvorstellung einer vorindustriellen, ländlichen Idylle. Wald soll eine ursprüngliche, möglichst vom Menschen unberührte und wilde Landschaft darstellen, er dient als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und soll möglichst vom Menschen nicht beeinflusst werden. Der Einzelne nutzt den ästhetischen Wert des Waldes: Er genießt die unberührte Natur und verwendet sie als Erholungsraum. Die Erholungsnutzung beeinflusst die unberührte Wildnis dabei wohl nicht. Die Forstwirtschaft ist aufgrund der Angst vor Waldverlust und Waldvernichtung negativ bewertet. Es wird erwartet, dass sich die Natur verbessert, wenn der Mensch seine Eingriffe unterlässt.
Wald als Garten
Das Assoziationsbild "Wald als Garten" konstruiert eine Idealvorstellung einer gefühlt ordentlichen und gepflegten Landschaft. Hier entsteht durch das Unterlassen menschlicher Eingriffe ein Bedrohungsszenario für den Wald, das im schlimmsten Fall zu Chaos und Waldzerstörung führt. Die Pflege gilt hier als Sorge für das einzelne Individuum. So ist es positiv Bäume zu fällen, wenn damit Pflege und Schutz des Waldes verknüpft sind und eine Verwahrlosung der Natur verhindert wird. Die gesellschaftliche Vorstellung zum Begriff "Waldpflege" deckt sich damit nur bedingt mit der forstlichen Wirklichkeit. Pflege des Waldes bedeutet für die erholungssuchende Bevölkerung kranke Bäume sowie biotische oder abiotische Schäden (Sturm, Käfer) aktiv zu beseitigen. Ernte und Pflege von Holz zur qualitativ hochwertigen Rohstoffgewinnung spielt auch in dieser Wahrnehmung keine Rolle.
Folgerungen für die Kommunikation
Der überwiegende Teil der Bevölkerung will sich im Wald erholen, seinen Freizeitaktivitäten nachgehen und Natur erleben. Er sucht nicht nach Spuren einer übermäßigen forstlichen Bewirtschaftung oder gar Waldvernichtung. Er erlebt den Wald als Wohlfühlraum und als Antagonismus zur Stadt und zum Alltag. An diese positive Grundstimmung – "Im Wald finde ich Erholung" – sollte die Kommunikation mit der Öffentlichkeit anknüpfen. Die mediale Wahrnehmung unterscheidet sich nämlich deutlich von der erlebnisorientierten Wahrnehmung.
Die Forstwirtschaft muss in der Kommunikation mit der Bevölkerung eine Verständnis- und Sprachlosigkeit vermeiden. In der Diskussion rund um Flächenstilllegungen beispielsweise argumentieren unterschiedliche Akteursgruppen auf der Grundlage verschiedener Rationalitäten. Die gegenseitige Unterstellung von Irrationalitäten kann dabei zu Entscheidungsblockaden führen. Es werden vermehrt dialogische Kommunikationsstrategien notwendig werden.
Der sicht- und ansprechbare Förster kann die Gruppe "Wald als Garten" sicher gut für forstliche Themen ansprechen. Sie erwarten, dass der Wald geschützt und gepflegt wird – dazu braucht es einen Förster, der für alle Fragen rund um den Wald kompetent ist und im Mittelpunkt der Kommunikation mit der Bevölkerung steht.
Da die Bevölkerung nicht zwischen den Waldbesitzarten und den unterschiedlichen "Förster-Typen" unterschiedet, lohnt es sich vielleicht, eine besitzartenübergreifende Kommunikationsstrategie zu entwickeln. Aber auch dann ist es noch notwendig, sich mit den unterschiedlichen Rationalitäten auseinanderzusetzen.