„Im allgemeinen rechnet man den Winter zu fünf Monaten“, vermerkte 1911 W. Benkert in seiner wirtschaftsgeographischen Untersuchung zur Ederkopf-Winterberg-Plattform. Für das sauerländische Altastenberg listete er durchschnittlich 65,8 Tage mit Schneefall und 108,4 Tage mit geschlossener Schneedecke pro Jahr auf! Angesichts vieler „grüner Winter“ der letzten Jahre erscheinen solche Zahlen fast wie aus einer anderen Welt. Der Klimawandel der vergangenen Jahrzehnte hat aber nicht nur zu Temperaturanstieg und veränderten Niederschlagsverhältnissen geführt, sondern vermehrt auch zu extremen Wetterereignissen. Diese Entwicklungen haben mit dazu geführt, dass sich Häufigkeit und Intensität von Waldkalamitäten in letzter Zeit verstärkt haben.

Dennoch gab es auch in früheren Zeiten größere Waldschadensereignisse, sei es durch Witterungseinflüsse oder andere Ursachen. Wie umfangreich sie waren und in welchen Intervallen sie aufgetreten sind, lässt sich teilweise aus historischen Forsteinrichtungswerken, Reviergeschichten oder Erläuterungen zur Standortkartierung herauslesen. Auch die forsthistorische und regionalgeschichtliche Literatur liefert einige Belege. 

"Wurmtrocknis" bzw. Borkenkäferbefall

Manchmal wird das Holz am falschen Ort produziert. Standortbedingungen und passender Holzartenwahl wurde lange Zeit zu wenig Beachtung geschenkt. Die sich im 19. Jahrhundert in unserer Region ausbreitenden Altersklassenwälder mit Nadelholz entspannten zwar den Holzmarkt und erhöhten die Gesamtwaldfläche, zeigten aber schon bald auch die Schwächen der Reinbestandswirtschaft auf. Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts häuften sich die Schäden durch Insekten und Sturm an den ersten hiebsreifen Nadelholzreinbeständen.

In Regionen außerhalb des heutigen NRW liegen schon aus früheren Zeiten Berichte über große Borkenkäfer-Kalamitäten vor. Erste Spuren eines Borkenkäferbefalls führt J. F. Gmelin 1787 für das 15. Jahrhundert im Harz auf. Zuverlässige Nachrichten liegen seit dem 16. Jahrhundert vor. Im 18. Jahrhundert schließlich nahmen die Schadensmeldungen immer mehr zu, so zum Beispiel 1748/1749 aus der Lüneburger Heide. Besonders häufig jedoch begegnen uns Berichte aus dem Harz, wo vor allem zwischen 1779 und 1785 „grossartige Waldbeschädigungen“ gemeldet wurden, „die wohl geeignet waren, die Forstwirthe mit Schrecken zu erfüllen“ (Bernhardt 1874). In den 1780er-Jahren sollen in den Harzer Kommunionforsten über 1,1 Mio. Stämme der „Wurmtrocknis“ zum Opfer gefallen sein (Beck 1909). Übrigens bezeichnete man den gemeinen Borkenkäfer (Bostrichus typographus L.) seinerzeit oft als „Schwarzen Wurm“, „Fliegenden Wurm“ oder Ähnliches. Das Vertrocknen und Absterben der befallenen Bäume ging als „Wurmtrocknis“ in die damalige Fachliteratur ein.

In den rheinischen und westfälischen Betriebswerken des 19. Jahrhunderts finden sich relativ wenige Hinweise auf Fraßschäden durch den Borkenkäfer; hier bereiteten offensichtlich Mäuse, Rüsselkäfer und andere Insekten größere Probleme. Nach den Auswertungen von A. Hiersekorn aus der Nordeifel soll der Waldgärtner „zum ersten Mal 1828 in Kiefernbeständen im nördlichen Teil des Regierungsbezirkes [Aachen] aufgetreten sein. 1838 und 1839 tritt er im Forstamt Höfen ziemlich stark auf, verschwindet aber dann genau so schnell wieder. Im Forstamt Hürtgen zeigt er sich nach dem Schneebruch von 1850 sehr stark, während die anderen Forstämter Fehlanzeige melden“ (Hiersekorn 1989, 334).

Besonders gravierende Schäden traten durch die Borkenkäfermassenvermehrung im und nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Die Borkenkäfer fanden in diesen Jahren ideale Lebensbedingungen vor:

  • ein schwerer Sturm am 14. November 1940,
  • Beschussschäden in den Wäldern,
  • der Verbleib von großen Mengen Restholz in den Wäldern durch die Reparationshiebe der Alliierten,
  • das Dürrejahr 1947 und der heiße Sommer 1949 sowie
  • ein chronischer Waldarbeitermangel.   

Tabelle 1: Zusammenstellung über den Käferholzanfall in den einzelnen Wirtschaftsjahren (aus einer Auswertung von F. Schwerdtfeger nach den Zahlen sämtlicher Forstdienststellen aller Waldbesitzarten; Quelle: Wald und Holz NRW, Forstliche Dokumentationsstelle (FoDoS), Forstamt Siegburg Nr. 74)

All das führte dazu, dass in Nordrhein-Westfalen rund 590.000 fm Fichtenstammholz als Käferholz anfiel. In ganz Mitteleuropa sollen es zwischen 1947 und 1951 rund 30 Mio. fm gewesen sein. Aus Tabelle 1 lässt sich der zeitliche Verlauf der Kalamität ablesen, aus der Karte die räumliche Verteilung des Schadholzanteils (Abb. 3).

Wie sich gezeigt hat, war allerdings das Ausmaß der Kalamitäten in früheren Jahrhunderten bzw. Jahrzehnten im Vergleich zur aktuellen Massenvermehrung der Borkenkäfer deutlich geringer. Die bisherigen Schadholzmengen der Kalamität seit 2018 belaufen sich nach Erhebungen von Wald und Holz NRW bei der Fichte auf über 30 Mio. Festmeter – ein wahrlich „historischer“ Schaden durch den Borkenkäfer.

Eichenschädlinge

Seit einigen Jahren kommt es fast überall in NRW zu Massenausbreitungen des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processionea). Nach einigen Jahrzehnten Unterbrechung wurden 1994 wieder Falter im Schwalm-Nette-Gebiet gefunden. In den folgenden Jahren breiteten sich die Raupen von der holländischen Grenze über den Niederrhein und das übrige Rheinland bis in die Westfälische Bucht aus. Während sich die meisten Menschen besonders wegen der Brennhaare und der durch sie ausgelösten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sorgen, haben die Waldbesitzer vor allem die Schäden im Blick, die die Raupen den Eichen zumindest bei mehrjährigem Fraß zufügen.

Doch sind diese Kalamitäten nicht neu. Sie lassen sich für NRW mindestens bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Eine bedeutende Massenvermehrung gab es 1828/1829 in der Grafschaft Mark, im Münsterland und angrenzenden Regionen. Für die Mark berichteten Zeitgenossen, dass dort „das nun beschriebene Insekt, was nach der Mittheilung älterer Einwohner der Gegend um Preuß. Minden, Lübbecke, Herford, Bünde, nach Ablauf von 8 bis 10 Jahren in großer Zahl sich immer wieder zeigen soll“ (Nicolai 1833, zit. nach Sobczyk 2014), eine bedeutende Plage sei. 

In den Jahren 1827-1829 entlaubte der Eichenprozessionsspinner viele Eichenwälder im Westen und Südwesten Deutschlands. Aus Westfalen hieß es in einem Bericht aus dem Jahre 1828: „Die Eichenwaldungen von einem beträchtlichen Theile Westfalens litten im verwichenen Sommer sehr von der mit Recht übelberüchtigten Prozessions-Raupe (Phalaena Bombyx processionea), die seit Menschengedenken in solcher Menge nicht vorgekommen war. Schon vor zwei Jahren bemerkte [der] Referent sie in der Gegend von Bochold und im Ravensbergischen. Im verflossenen Jahre fand sie sich überall im Regierungsbezirke Münster in derartigem Übermaße, daß um Johanni fast kein Eichenblatt mehr zu finden war, weder in den Waldungen, noch selbst in den Hecken und an einzeln stehenden Bäumen“ (Bönninghausen 1829).

Aufzeichnungen über das Auftreten anderer Schädlinge – etwa Eichenwickler und Frostspanner – gibt es spätestens seit Anfang des 18. Jahrhunderts. Während die dokumentierten Schäden an Eichen im 18. und 19. Jahrhundert aber eher lokal beobachtet wurden, kam es 1911 und in den folgenden Jahren zu großflächigen Schäden in ganz Nordwestdeutschland mit einem Schwerpunkt im Münsterland. Das Massensterben der Eichen in Westfalen nach dem trockenen Sommer 1911 soll nach H. Wachter (1999) eine neue Erscheinung gewesen sein. Die ab Mitte des 19. Jahrhunderts angebauten reinen Eichenbestände (v. a. zur Grubenholzgewinnung) boten ideale Voraussetzungen für den Eichenwickler. Der Anbau der gegen viele Schädlinge resistenten amerikanischen Roteiche war eine Antwort auf die damals im Münsterland wütenden Eichenwickler und Frostspanner, aber auch auf die in Industrienähe auftretenden „Rauchschäden“ an Kiefern, Fichten und Buchen. Mitte der 1920er Jahre trieben der Kiefernspanner in den Kiefernstangenhölzern und der Kieferntriebwickler in den Kiefernkulturen ihr Unwesen. H. Wachter hat in zwei Heften der Schriftenreihe der Landesforstverwaltung das Eichensterben im 20. Jahrhundert näher untersucht.

Literatur

  • Beck, R. (1909): Die Insekten- und Pilzkalamitäten im Walde. Historische, wirtschaftliche und forstpolitische Betrachtungen. Tharandter Forstliches Jahrbuch 60, 1-65.
  • Benkert, W. (1911): Wirtschaftsgeographische Verhältnisse, Volksdichte und Siedlungskunde der Ederkopf-Winterberg-Plattform. Marburg.
  • Bernhardt, A. (1874): Geschichte des Waldeigenthums, der Waldwirthschaft und Forstwissenschaft in Deutschland. Bd. II. Berlin.
  • Bönninghausen, C. M. F. von (1829): Statistik der westfälischen Landwirthschaft im Jahre 1828. Münster.
  • Gmelin, J. F. (1787): Abhandlung über die Wurmtroknis. Leipzig.
  • Hiersekorn, A. (1989): Waldgeschichte der Nordeifel. Bonn.
  • Nicolai, A. H. (1833): Die Wander- oder Prozessionsraupe (Bombyx processionea) in naturhistorisch-landespolizeilich und medicinischer Hinsicht geschildert. Berlin.
  • Sobczyk, T. (2014): Der Eichenprozessionsspinner in Deutschland. Historie – Biologie – Gefahren – Bekämpfung. Bonn.
  • Wachter, H. (1999): Untersuchungen zum Eichensterben in Nordrhein-Westfalen, Teil I (1900-1950). Schriftenreihe der Landesforstverwaltung NRW 9. Düsseldorf.
  • Wachter, H.,(2001): Untersuchungen zum Eichensterben in Nordrhein-Westfalen, Teil II (1951-2000). Schriftenreihe der Landesforstverwaltung NRW 13. Düsseldorf.