Der Rieshirte
Das Schlagen von Bäumen in den Höhenlagen der Mittelgebirge stellte die Holzfäller vor der Technisierung ihrer Arbeit vor große Herausforderungen. Die tonnenschweren Baumstämme mussten unter widrigen Bedingungen in die Täler transportiert werden, wo sie an die Flößer übergeben werden konnten, die das Holz über Bäche und Flüsse auf die Weiterreise schickten.
Das Holz in die tieferen Lagen der Wälder zu bekommen – dafür waren die Rieshirten zuständig. Über riesige Holzrutschen – sogenannte Holzriesen – konnten Stämme von Weißtanne und Co in das Tal gelangen. Der Bau der Holzriesen benötigte allerdings einen großen Teil des eingeschlagenen Holzes und war daher nur sinnvoll, wenn große Holzmengen eingeschlagen und transportiert werden mussten.
Der Flößer
Waren die Stämme erst einmal in den Tälern angekommen, stand ihnen meist eine weite Reise bevor. Über Wildbäche und Flüsse transportierte die traditionsreiche Zunft der Flößer das Holz bis in die Häfen der Niederlande.
Schon seit dem Mittelalter gingen Flößer in Baden-Württemberg ihrer gefährlichen Arbeit nach. Das Steuern der etwa fünfzig Meter langen und aus zusammengebundenen Baumstämmen gefertigten Flöße über die Wildbäche des Südwestens, erforderte eine wachsame und strapazierfähige Mannschaft. Erst an den Ufern des Rheins ging es ruhiger zu. Dort wurden die Baumstämme in gigantischen Holzkonstruktionen Richtung Norden geflößt.
Der Wagner
Neben Kutschen, Schubkarren und allerlei anderen hölzernen Fahrzeugen baute der Wagner auch Stiele für Äxte, Schaufeln und Spaten. Genauso verließen Kisten größerer und kleinerer Formate seine Werkstatt. Das Meisterstück des heute beinahe ausgestorbenen Berufsstandes war das Wagenrad. Ein kreisrunder Bogen – eng verzahnt mit massiven Speichen und der Radachse – der bis auf wenige eiserne Elemente vollständig aus Holz gefertigt war. Holz, mit dem der Wagner von seinem wichtigsten Zuarbeiter, dem Felgenhauer, versorgt wurde.
Die Industrialisierung brachte die Wagenbauer immer weiter in Bedrängnis, sodass das Wissen über die Herstellung von Wägen und Rädern heute immer weiter in Vergessenheit gerät.
Der Schindelmacher
Noch heute sind sie an den Häusern und Höfen des Schwarzwaldes vielfach zu sehen – tausende Holzschindeln! Das zeitlose Design der nur wenige Millimeter dicken Holzstreifen entsteht meist aus astarmem Fichtenholz, das gesägt und gespalten wird.
Bis zur Technisierung des Herstellungsprozesses der Schindeln durch Spaltmaschinen und elektrische Schleifmaschinen fertigte der Schindelmacher noch jedes einzelne Exemplar mit der Hand an. Das sogenannte Schindelmesser half ihm dabei. Damit schälten die Handwerker geschickt Stück für Stück vom massiven Stammholz ab. Der Schindelmacher achtete darauf, dass er seine Ware immer vom Stamm abspaltete, damit der natürliche Faserverlauf des Holzes nicht gestört wurde. Hielt er sich daran, versprachen die Schindeln eine lange Lebensdauer und dienten gemeinsam als strapazierfähige Oberfläche, die es ohne Mühen mit solchen aus härteren Materialien wie Schiefer oder Beton aufnehmen konnte.
Der Sägemüller
Das Klopfen der Sägemühlen gehörte über lange Zeit zu den Charakteristika der großen Wälder Baden-Württembergs. Angetrieben vom Wasser, das über lange Holzrinnen zum Sägeplatz lief, drehte sich das massive Wasserrad und damit auch die sogenannte Gattersäge im Inneren der Mühle. Dort wurde das unbearbeitete Stammholz durch die raue Präzision der Säge zu Bohlen, Brettern und Balken verarbeitet.
Der Sägemüller arbeitete stets Hand in Hand mit der Gewogenheit des Wassers. Je nach Wasserstand fraßen sich die Blätter der Gattersäge bedächtig oder flink durch den Stamm, sodass die Produktion der Mühle durch die Jahreszeiten stark schwanken konnte.
Auch heute stehen noch einige Sägemühlen im Schwarzwald, sie laufen jedoch nur noch zu Museumszwecken und der Pflege des traditionsreichen Handwerks.
Der Zimmerer
In ihrer schwarz-weißen Kluft arbeiteten die Zimmerleute in früheren Tagen nicht nur in den Dörfern und Städten Baden-Württembergs, ein wichtiger Arbeitsort war auch der Wald. Dort beschafften sie in Zusammenarbeit mit den Holzfällern das Rohmaterial, das damals die Substanz eines jeden Hauses bildete. Das Herausschälen von Balken aus den frisch gefällten Stämmen war eine schweißtreibende, nicht ungefährliche Arbeit für die Zimmerleute. Mit einer langstieligen Axt entfernten sie an vier Seiten der Bäume den Splint und die darunterliegenden Schichten bis ein vierkantiges, grobes Kantholz übrigblieb. Für die Feinarbeit griffen die Zimmerer zum Breitbeil, einem breitschneidigen Werkzeug mit scharfer Klinge, das die groben Flächen des Holzes fein glättete. Bis zu fünfzig Balken konnten die Handwerker mit dieser Technik an einem Tag fertigen. Genug für ein kleines Bauernhaus.
Der Harzer
Harzer mussten geduldige Leute sein. Die Gewinnung ihrer Ware dauerte bis zu vier Wochen und brachte meist nicht mehr als eine Tasse voll Harz pro Baum ein. Dort ritzten sie mit dem sogenannten Reißerhaken die Stämme – bevorzugt Kiefern – regelmäßig ein, damit der Baum wieder frischen Harz liefern konnte. Das taten sie so lange, bis der Baum ein etwa fünfzig Zentimeter großes Fischgrätenmuster rechts und links der Tropfrinne aufwies, durch die der Harz in einen Auffangbehälter floss.
Schon seit der Antike schröpften Harzer das "Blut der Bäume". In Deutschland wurde die Ware des – heute ausgestorbenen – Handwerks für die Herstellung von Firnis, Seife, Druckerschwärze, Schusterpech sowie allerlei Lacke und Wachse verwendet.
Der Lohmacher
Die im Bast der Baumrinde enthaltene Lohe gab den Lohmachern ihren Namen. Den Namen eines Berufsstandes, der heute als nahezu ausgestorben gilt. Im vorletzten Jahrhundert war die auch als Gerbsäure bekannte Lohe ein teures Gut. Die geerntete Rinde der Lohmacher wurde daher schon oben in den Wäldern an die Gerber verkauft, die mit dem Naturstoff Tierhäute zu geschmeidigem Leder verarbeiteten.
Bis der Lohmacher den beliebten Rohstoff anbieten konnte, musste er jedoch zahlreiche Bäume ihrer Rinde entledigen. Besonders junge Eichen gaben in den Wonnemonaten Mai und Juni eine vortreffliche Menge an Gerbsäure her. Dafür trennten die Handwerker die Jungbäume möglichst sauber von ihrer Rinde, damit der wertvolle Bast nicht verletzt wurde. Ohne Zeit zu verlieren, kamen die fertigen Rindenstücke dann auf ein passendes Gerüst. Dort konnte die frische Luft den Rest der Arbeit erledigen und die wertvollen Gerbstoffe trocknen.
Der chemisch-industriellen Konkurrenz konnte die Arbeit der Lohmacher nicht trotzen. Ihr Handwerk wich dem Fortschritt und existiert heute fast ausschließlich in Erinnerungen.
Der Glasbläser
Die Glashütten gehörten lange Zeit zum Schwarzwald wie sonst kaum ein anderes Gewerbe. Wahrhaftige Kunstwerke fertigten die Glasbläser in ihren über 1000 Grad heißen Öfen an. In unverzichtbarer Zusammenarbeit mit den Köhlern verbrannte die Holzkohle Tonne für Tonne in den Schmelzöfen. Ganze Berghänge wurden entwaldet, um Quarzsand, Kalk und Pottasche zu schmelzen und zu dem lange Zeit berühmten Schwarzwaldglas zu formen.
Der hohe Bedarf an Holzkohle und die industrielle Fertigung drängte das Kunsthandwerk im 19. Jahrhundert immer weiter zurück, sodass die händische Glasbläserei heute nur noch in Museen praktiziert wird.
Der Rußbrenner
Wer vor gut 200 Jahren eine einfache Zeitung aufschlug, wusste wohl nur selten, wessen Mitarbeit die gedruckten Neuigkeiten zu verdanken waren. Die Druckerschwärze brauchte die Handarbeit der Rußbrenner, die in ihren im Wald gelegenen Hütten pechschwarzen Ruß herzustellen wussten. Nur durch ihre Arbeit konnten die Drucker ihrem Handwerk nachgehen. Doch was tat der Rußbrenner eigentlich, um die schwarze Farbe zu fertigen?
Erst einmal sammelte er ausreichend Holz, Reisig und Baumzapfen, die allesamt reich an Harz waren. Besonders Kiefern dienten ihm dabei als verlässliche Quelle. Das harz- oder kienreiche Holz verbrannte er anschließend an seinem Arbeitsplatz, der Rußhütte. Seine Ware, der rußige Feinstaub, sammelte sich so an den Wänden und Decken des kleinen Gebäudes und war bereit für eine vielseitige Weiterverwendung.
Neben den Druckern und den neugierigen Lesern ihrer Erzeugnisse waren auch Schuster oder Maler dankbar für die Arbeit der Rußbrenner.
Der Köhler
Ihre vom Ruß geschwärzten Gesichter ließen die Köhler in der Stadt und auf dem Land schnell auffallen. Die Arbeit ihrer Zunft bildete im Südwesten schon seit dem 15. Jahrhundert den Grundstein für eine aufstrebende Region. Besonders die Verhüttung von Metall und die Herstellung des berühmten Schwarzwaldglases waren auf das harte und schweißtreibende Werk der Köhler angewiesen. Erst mit der Industrialisierung und dem Erfolg der billigeren Steinkohle erlebte die Produktion der Holzkohle einen allgemeinen Niedergang und verschwand im Laufe des vergangenen Jahrhunderts nahezu vollständig.
Mit dem Verschwinden der Köhler geriet auch das Wissen ihres Handwerks immer weiter in Vergessenheit. Die riesigen Meiler, mit Ästen und Erde abgedeckte Holzstapel, die bis zu 100 Raummeter fassen konnten, gibt es heute nicht mehr. Drei bis vier Wochen lang arbeiteten die Köhler am Tag und in der Nacht an einem dieser Meiler – immer in der Angst, dass das eigene Werk in Flammen aufgehen würde und nichts als rauchende Asche auf der Kohlplatte verbliebe.
Aus den Wäldern Baden-Württembergs verschwanden die Köhler, aber in zahlreichen Geschichten und Legenden wie Wilhelm Hauffs "Das Kalte Herz" sind sie noch zu finden.
Waldberufe aus Ur-Großvaters Zeiten - Der Film
Hier können Sie sich den Film "Verschwundene Waldberufe" aus den 1970er Jahren in voller Länge ansehen.