Der Eichenbestand in Kronwinkl ist vermutlich der älteste gesäte und gepflanzte Eichenbestand in Bayern südlich der Donau. Seine Begründung geht zurück auf den Gräflich Preysing´schen Hofmarksrichter, Gutsbesitzer und Agrarreformer Dr. h.c. Simon Rottmanner (1740 – 1813).
Rottmanner hat zur Demonstration forstlichen Fachwissens Waldbaumethoden nach vorhandenen Literaturquellen umgesetzt. Nun ist dies nichts Außergewöhnliches im Zeitalter der Aufklärung und dem Beginn so vieler neuer Naturwissenschaften. Im Altbayern der damaligen Zeit war es dies jedoch schon. Forstliche Ausbildung, regelmäßig besoldetes Amtspersonal, ordentliche Wirtschaftspläne auf Grundlage genauen Kartenmaterials und ein festgelegter Nutzungssatz fehlten. Sie wurden erst nach und nach im Kurfürstentum Pfalz-Baiern umgesetzt - nicht zuletzt auf Grund eines, bis heute verfemten, aber doch so richtungsweisenden Buches über “Nothwendige Kenntnisse und Erläuterungen des Forst- und Jagdwesens in Baiern”.
Für routinierte Leser wird ersichtlich, dass der Innentitel von Rottmanners Buch einmal mit und einmal ohne Zensurfreigabe abgebildet ist. Unter bewusstem Verzicht seiner Namensnennung wurde es in der Freien Reichsstadt Augsburg - und damit im Ausland - gedruckt und vom einzigen in Frage kommenden Buchhändler in München, Johann Baptist Strobl, verlegt. Rottmanner ahnte wohl die Schwierigkeiten.
Es kann leicht sein, dass dabei auch der damals 21jährige Jurist Maximilian von Montgelas mitwirkte, der bereits von 1777 bis 1786 “ehrenamtlich” bei der Münchner Hofkammer angestellt war, bevor er mit geregelter Bezahlung an den Pfalz-Zweibrücker Hof wechselte. Erst nach dem Tod von Kurfürst Carl Theodor sollte er wieder zusammen mit dessen Nachfolger Max Joseph nach München zurückkommen und das allseits bekannte Reformwerk zum modernen Bayern umsetzen.
Zunächst gehörte Montgelas ab dem 30. August 1780 neben seinen anderen Tätigkeiten auch dem zwölfköpfigen Bücherzensurkollegium bei der Bayrischen Akademie der Wissenschaften an. Dieses sollte Schriften, die gegenüber bestehenden staatlichen Institutionen eine gewagte Sprache führen, aus dem Verkehr ziehen. Um eine solche handelte es sich bei Rottmanners Werk durchaus. Es ist ein zutiefst hybrides Buch mit hoher Sprengkraft, das einerseits eine beispiellose Zitierung des damals verfügbaren Wissens über Forstwirtschaft im deutschsprachigen Raum präsentiert, andererseits aber eklatante Missstände im Oberstjägermeisteramte anprangert. Dies geht so weit, dass Rottmanner namentlich Beschäftigte des Amtsmissbrauchs, der bewussten Unterlassung von Dienstpflichten und der Unterschlagung bezichtigt. Diese Janusköpfigkeit seines über 600 Seiten starken Buches muss schnell aufgefallen sein und so wurde es eben noch im selben Jahr konfisziert. Drucker und Verleger wurden für kurze Zeit eingesperrt und mussten sich beim Oberstjägermeister entschuldigen. Der Autor war ja offiziell anonym, was später seine ordentliche Zitierung in der Literatur erschwerte. Als Raubdruck wurde das Buch aber offensichtlich auch ohne "Genehmhaltung des kurfürstlichen Büchercensur-Kollegiums" in Umlauf gebracht und fand noch viele Jahrzehnte Verwendung als inoffizielles Lehrbuch.
Auf die Theorie folgt die Praxis. Korrespondierend zu seinem praxisbezogenen Buch über Forstwirtschaft in Bayern legte Rottmanner 1780 auch gleich einen Eichensaatbestand an. Vermutlich orientierte er sich in seinem Vorgehen an dem oft von ihm zitierten sächsischen “hirsch- und holzgerechten Jäger” Johann Gottlieb Beckmann. Dieser hatte im damals sowohl wirtschaftlich wie forstwissenschaftlich führenden Sachsen ein Buch mit dem vielsagenden Titel “Gegründete Versuche und Erfahrungen von der in unseren Zeiten höchst nöthigen Holzsaat” herausgebracht. Ein in diesem Land vorherrschender Zusammenhang von Holzmangel und Montanindustrie liegt nahe. Nicht umsonst ist bereits 1713 der zuständige Beamte für Rohstoffwirtschaft der Oberberghauptmann Hanns Carl von Carlowitz mit seinem – wegen der Nachhaltigkeit – heute noch bekanntem Standardwerk “Sylvicultura oeconomica” an die Öffentlichkeit getreten.
Neun Monate nach der Aussaat zog der Hofmarksrichter in einer Art Versuchsbeschreibung Bilanz. Aber lesen Sie selbst:
"Seit fünfzig Jahren her wird dieses Neugereith auf dem vorhin schon Nadelholz stand mit Gersten, oder Haber angebauet. Da es aber seiner Unfruchtbarkeit und Ungleichheit halber keine der Mühe und der Aussat lohnte, so erging im Jahre 1780 der Herrschaftl. Befehl, diesen Flek in drei Theile abzuteilen und den ersten, und dritten mit Eicheln den zweyten aber mit Bücheln zu besamen. Zu dessen Befolgung nahm man dritthalb Schäfel guter zeitiger Eicheln und nachdem man das Feld vorher gehörig einreissen ließ, säte man die Eicheln den 20. Oktober wie man das Korn säet und darauf überfuhr man sie mit der Egge. Was aber von den Eicheln durch das Eggen nicht gänzlich mit Erde vor den Vögeln bedeckt und gesichert war, das ließ man durch dazu verordnete Leute mit Erde ganz leicht überwerfen oder so seicht als möglich in den Boden hineindrücken. Auf eben diese Art und zur eben der Zeit baute man auch den Buchensamen, dessen Aussaat in einem halben Schäffel bestund. Zu Anfang des Monat April im folgenden 1781 Jahr sah man selten einzelne Eichenpflanzen herfür kommen und obschon die den ganzen Monat März, und größten theil des Aprils anfallende trockene, samt den in Menge verhandenen Krähen, und Hähern derselben schlechtes gedeihen fürchten lassen, so zeigten sie sich dieser Hindernisse ohngeachtet bis Ende May in gewünschter Menge. Vom Buchensamen der doch die nemliche Cultur erhielt zeigte sich kein Staingen, und Müh und Hofnung ward an ihr für selbigs Jahr vereitelt…".
Gut 35 Jahre später beschreibt dann der Kreisdirektor vom Isarkreis Joseph von Obernberg auf seinen "Reisen durch das Königreich Baiern" Band 3.1 S. 63 ff dieselbe Fläche. Auch hier soll der Autor ungekürzt zitiert werden:
“Gegenüber der Burg steht ein anderer kühner Hügel jenseits des Fahrwegs an. Im Stande ursprünglicher Wildheit schien er gänzlich noch der Natur überlassen: doch trägt er eine Pflanzung, welche ihren Unternehmern Ehre, und dem Herrn des Schlosses einst wichtige Vortheile gewähret. Ein junger Eichenwald ist es, welchen der selige Doctor Rottmanner, Gerichts- und Ökonomie-Verwalter, mit Genehmigung des Herrn Grafen an diesem geeigneten Orte angelegt hat. Er ließ den Platz gleich einem Acker zurichten und in denselben die Eichelsaat legen. Die Stämmchen stehen dicht und geschlossen, wachsen also schlank in die Höhe, ohne viele Äste treiben zu können; indessen die kräftigsten unter ihnen hoch emporstreben, bleiben die schwächern allmählich von selbst zurück, und räumen jenen, sobald es Zeit ist, den Platz.”
Daraufhin fährt Obernberg weiter von Kronwinkl nach Ast, beschreibt Rottmanners landwirtschaftliches Mustergut und skizziert als erster, drei Jahre nach dessen Tod, das Leben dieses außergewöhnlichen Agrar- und Sozialreformers.
Wer jetzt meint, es könnten noch weitere Beschreibungen im Zusammenhang mit den ersten Forsteinrichtungen folgen, der täuscht sich. Dafür war die Fläche von etwa zwei Hektar in Relation zum gesamten Forstbetrieb zu klein und im weiteren Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts kein Grund, die Begeisterung für den Fichtenreinanbau zu schmälern. Vermutlich erst ab 1952 ließ der Münchner Waldbauprofessor Dr. Josef Nikolaus Köstler, der schon 1930 wie auch sein Vater 1903 die Forsteinrichtung in Kronwinkl durchführte, eine Kronenpflege in der Altdurchforstung und den Unterbau mit Linden und Hainbuchen durchführen.
Es ist schon erstaunlich, wie dieser Eichenbestand während dieser langen Zeit alle Angriffe biotischer, abiotischer und ökonomischer Natur überlebte. Erst ein regelrechter Tornado im Juni 2022 fügte ihm nennenswerten Schaden zu - ohne ihn jedoch gänzlich zu zerstören.
Joseph von Obernberg hatte vollkommen Recht, als er vor über 200 Jahren formulierte, dass der angelegte Eichenbestand "seinen Unternehmern Ehre, und dem Herrn des Schlosses einst wichtige Vortheile gewährt". Keiner der Beteiligten hatte dabei jedoch an einen Bestattungswald gedacht, der diesem forsthistorisch so bedeutsamen Eichenbestand auch in Zukunft einen leicht zugänglichen und schützenden Rahmen bietet.
Karl Kühmoser studierte an der LMU München Forstwissenschaften und bewirtschaftete nach Ablegung der Großen Forstlichen Staatsprüfung von 1993 bis 2024 den Wald von Graf Preysing in Kronwinkl und damit in der 7. oder 8. Förstergeneration auch die Kronwinkler Eichen.
Literaturhinweise:
- Staatsarchiv Landshut, Schloßarchiv Kronwinkl, A 83, Transkription: Hans Schneider, Geschichtsboden Buch am Erlbach
- Weis, Eberhard 2008, Montgelas S. 16 ff
- Anonymus 1780, Nothwendige Kenntnisse und Erläuterungen des Forst- und Jagdwesens in Baiern (Reprint KNV 37 874 116 ISBN 978-1-149-25553-7)
- Hofmeier, Franz 2022, Bayerns Kurfürsten
- Graf, Bernhard 2024, Kurfürst Carl Theodor von Pfalz-Bayern
- von Obernberg, Joseph 1816, Reisen durch das Königreich Baiern, Band 3.1 S. 63 ff
- von Carlowitz, Hanns Carl 1713, Sylvicultura oeconomica