Die Hybridisierungsrate mit Hauskatzen wurde bundesweit bisher als gering eingestuft, seit einigen Jahren werden im Rahmen des Wildtiermonitorings am Wildtierinstitut der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) jedoch vermehrt Wildkatzenhybride (Abb. 1) in Baden-Württemberg dokumentiert. Systematisch erhobene Monitoringdaten der FVA aus dem Jahr 2021 bestätigten nun die Befürchtung, dass die Situation kritischer ist als bisher angenommen: Durch eine Lockstock-Beprobung (Abb. 7) im Rahmen des bundesweiten, systematischen FFH-Monitoring der Wildkatze im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) wurde eine Hybridisierungsrate von über 50% in zwei Untersuchungsgebieten (Kaiserstuhl und Markgräflerland) in Baden-Württemberg festgestellt. Dieser Anteil ist sehr hoch und in Vergleich zu anderen Bundesländern in Deutschland einzigartig. Die genetischen Analysen wurden im Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik durchgeführt.
Unterscheidung von Hauskatze und Wildkatze
Identifikation mithilfe genetischer Bestimmungsmethoden
Hybride können sowohl Hauskatzenmerkmale, wie getigerte Flanken und einem Aalstrich, der sich über den Schwanz erstreckt, als auch typische Wildkatzenmerkmale, zum Beispiel ein sehr buschiger, geringelter Schwanz, besitzen (s. Abb. 2-5). Eine sichere Identifikation ist nur mithilfe von genetischen Bestimmungsmethoden möglich. Inzwischen ist es durch sogenannte SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms) möglich, verschiedene Arten von Hybriden zu unterscheiden. So können Hybride der ersten und zweiten Generation (F1 und F2 – Hybrid), sowie Hybride von Rückkreuzungen mit Haus- oder Wildkatzen unterschieden werden:
Arten von Hybriden
F1 Hybrid: direkte Nachkommen aus der Verpaarung einer Wildkatze mit einer Hauskatze
F2 Hybrid: Nachkommen von F1 Hybrid. Es sind mehrere Kombinationen möglich
Wildkatzen – Rückkreuzung: Nachkommen aus der Verpaarung eines Wildkatzenhybrid mit einer Wildkatze
Hauskatzen – Rückkreuzung: Nachkommen aus der Verpaarung eines Wildkatzenhybrid mit einer Hauskatze
Wildkatzen-Hybride sind rechtlich streng geschützt. Sie unterliegen dem Artenschutzrecht, wenn in den vier vorhergehenden Generationen in direkter Linie ein oder mehrere Wildkatzen vorkommen.
Ursachen weitestgehend unklar
Über die Ursachen der hohen Hybridisierungsrate herrscht noch Unklarheit. Ein Grund könnte die gegenwärtige Ausbreitung der Wildkatze in Baden-Württemberg sein (Abb. 6). So wird ein erhöhter Anteil an Hybriden in einer Population häufig nach der Ausbreitung in neue Verbreitungsgebiete und verstärkt an Verbreitungsrändern beobachtet. Hybridisierung könnte so möglicherweise die Besiedelung neuer Gebiete erleichtern, in dem das ausbreitungsschwächere Weibchen in neuen Gebieten zeitweise durch Hauskatzen ersetzt wird.
Eine weitere Hypothese ist, dass Hybridisierung durch fragmentierte Lebensräume oder Kulturlandschaft begünstigt wird. So zeigen Studien deutliche Unterschiede in den Hybridisierungsraten zwischen verschiedenen Lebensräumen. In großen, zusammenhängenden und strukturreichen Waldgebieten wie dem Hunsrück oder dem Hainich wurden die geringsten Hybridisierungsraten trotz Hauskatzenvorkommen gefunden. In Offenland geprägten Lebensräumen wie Schottland, Frankreich und Kaiserstuhl sind die Hybridzahlen dahin gegen deutlich höher. Durch Lebensraumfragmentierung wird die Wildkatze gezwungen, ins Offenland auszuweichen. Dies wird im Gegensatz zu Waldgebieten jedoch auch mehr von verwilderten Hauskatzen und Freigänger-Katzen genutzt, wodurch eine Verpaarung wahrscheinlicher ist.
Angesichts dieser Unsicherheiten besteht also weiterhin großer Forschungsbedarf, um die nötigen Managementmaßnamen zum Schutz der Wildkatze in Baden-Württemberg zu erarbeiten. Ein über mehrere Katzen-Generationen angelegtes Monitoring der Hybridgebiete könnte Aufschluss über den Fortpflanzungserfolg der Hybride über die erste Generation hinausgeben und somit wichtige Erkenntnisse zur möglichen Selektion gegen Hybride liefern. Auch ein besseres Verständnis der Ökologie und des Verhaltens von Wildkatzen und ihrer Beziehung zu Hybriden und verwilderten Hauskatzen ist von entscheidender Bedeutung.
Verdacht auf Wildkatzen im Jagdrevier oder Wald?
Das Melden von Fotos auf Wildkameras, Totfunden sowie Lebendfängen oder sogar der Nachweis von Reproduktion sind wertvolle Beiträge zum landesweiten Wildtiermonitoring, die vor allem durch aufmerksame Jägerinnen und Jäger erbracht werden.
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