Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) untersuchte in einem Forschungsprojekt die Dichteverteilung der Wildkatzen entlang eines Wald-Offenland-Gradienten in den bayerischen Haßbergen. Unter anderem kann damit die Rolle des Offenlandes als Lebensraum für die Wildkatze evaluiert werden (Abb. 1).

Einst war die Wildkatze in Mitteleuropa weit verbreitet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sie jedoch intensiv verfolgt und verschwand in Bayern vollständig. In nördlich angrenzenden Bundesländern haben einige wenige Wildkatzen überlebt. Dort stiegen die Populationen in den letzten Jahrzehnten wieder an und einige Individuen eroberten Teile ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets zurück. Zusätzlich wurde die Ausbreitung der Art durch gezielte Auswilderungen durch den Bund Naturschutz vorangebracht. Auch in Bayern hat sich der Bestand der Wildkatze zunehmend stabilisiert. Flächendeckende Erhebungen in geeigneten Waldgebieten fanden in der Vergangenheit im Rahmen von Lockstockmonitorings statt, die von der LWF und dem Bund Naturschutz koordiniert wurden. Natürlich wurden alle relevanten Behörden und Grundeigentümer, die Bayerischen Staatsforsten AöR sowie die Naturschutz- und Jagdverbände einbezogen. Aufgrund ihres Schutzstatus (Anhang IV gemäß FFH-Richtlinie, streng geschützt gemäß BNatschG und Gefährdungskategorie “stark gefährdet” gemäß Rote Liste Bayern 2017) muss die Verbreitung der Wildkatze weiterhin beobachtet und die Bestandsentwicklung gefördert werden.

Heute weiß man, dass Wildkatzen recht flexibel in ihrem Raumnutzungsverhalten sind, allerdings ist über die Präferenz bestimmter Landschaftselemente bislang wenig bekannt. Wildkatzen leben bevorzugt in strukturreichen Wäldern wie Laubmischwäldern und Auenwäldern. Neuere wissenschaftliche Studien haben jedoch belegt, dass sie nicht ausschließlich auf geschlossene Waldkomplexe angewiesen sind. Vielmehr nutzen sie in unserer Kulturlandschaft auch deckungsreiche Habitate außerhalb von Wäldern.

In der vorliegenden Studie evaluierte die LWF daher mithilfe eines systematischen Lockstockmonitorings die Nutzung des Offenlands durch die Wildkatze in einem Projektgebiet in den bayerischen Haßbergen. Dabei sollte erstmals auch die Dichte in den Untersuchungslandkreisen bestimmt werden. Gleichzeitig konnten Erkenntnisse für künftige Erhebungen gewonnen werden.

Erfolge per Lockstockmonitoring

Zur Erfassung des heimlichen Waldbewohners hat sich neben dem Fotofallenmonitoring die DNA-Analyse von Haarproben (Genotypisierung) bewährt, das sogenannte Lockstockmonitoring. Hierfür wurden Lockstöcke in den Landkreisen Rhön-Grabfeld, Haßberge und Schweinfurt auf 50.000 ha Fläche systematisch aufgestellt. Das Untersuchungsgebiet wurde dazu in 100 Raster mit jeweils 500 ha Größe unterteilt und in jedem Raster je drei Lockstöcke platziert (Abb. 2). Bei der Ausbringung wurde darauf geachtet, mindestens 200 m Abstand zur nächsten Ortschaft oder Straße einzuhalten und geeignete Strukturen (z. B. Hecken, Feldgehölze, Bäche mit Ufervegetation, Brachflächen) als Stockstandort auszusuchen. Der Waldanteil im Untersuchungsgebiet betrug 44 %.

Die sägerauen Stöcke in der Dimension von Dachlatten wurden mit Baldrianessenz besprüht. Dieses pflanzliche Mittel übt – ähnlich einem Sexualpheromon – während der Fortpflanzungszeit (Ranzzeit) eine starke Anziehungskraft auf Wildkatzen aus. Wenn sich die Tiere am angerauten Holz des Lockstocks reiben, hinterlassen sie dort Haare. Die Lockstöcke wurden von Januar bis April im wöchentlichen Turnus auf vorhandene Haare kontrolliert und diese in ein Tütchen mit Silika-Gel abgesammelt. Anschließend wurden die Holzlatten mit einem Feuerzeug abgeflammt, um etwaige Haarreste zu entfernen, und der Stock erneut mit Baldrian besprüht.

Aus dem genetischen Material in den Haarwurzeln wurden im Labor mithilfe von Mikrosatellitenanalysen die Artzugehörigkeit, das Geschlecht sowie der Genotyp (Individualisierung) ermittelt. Es konnte dabei auch festgestellt werden, ob es sich bei dem Tier um eine Wildkatze, eine Hauskatze oder einen Hybrid handelte. Die Genotypen wurden dann miteinander verglichen und verschiedene Proben, die zum gleichen Individuum gehören, identifiziert.

Das Fang-Wiederfang-Modell

Kombiniert man das Lockstockmonitoring mit einem räumlichen Fang-Wiederfang-Modell, so kann bei ausreichender Datengrundlage im untersuchten Gebiet die Größe, Dichte und die grob aufgelöste Habitatnutzung der lokalen Wildkatzenpopulation geschätzt werden. Diese statistische Methode basiert auf der Informationsgrundlage, wie häufig und an welchen Standorten einzelne Wildkatzenindividuen im untersuchten Gebiet über die Haargenotypisierung erfasst wurden. Das Fang-Wiederfang-Modell schätzt somit die wahrscheinlichste Anzahl an Wildkatzen und liefert Informationen über die Verteilung ihrer Aktivitätszentren im Untersuchungsgebiet. Bei der Modellierung der Verteilung der Aktivitätszentren wurde der Kronenschlussgrad als Einflussfaktor integriert, um den Gradienten von Wald zu Offenland widerzuspiegeln. Die Waldbedeckung (Kronendichte in %) wurde mithilfe der Copernicus “Tree cover density” charakterisiert.

Populationsgröße, -dichte und -verteilung

Insgesamt konnten von 135 der 300 Lockstöcke 342 Haarproben abgesammelt werden, von denen 209 Proben von ausreichender Qualität für die Analysen waren. Unter Ausschluss von Hybriden (n = 5) sowie Proben mit unzureichender Anzahl an auswertbaren Mikrosatelliten konnten 73 Wildkatzenindividuen genetisch identifiziert werden. Davon waren 44 Kuder und 28 Katzen; ein Geschlecht konnte nicht bestimmt werden. Für das gesamte Untersuchungsgebiet wurde mittels des Fang-Wiederfang-Modells eine lokale Populationsgröße von 83 Wildkatzen mit 34 Katzen und 48 Kudern berechnet. Das entspricht einer mittleren Dichte von 0,16 Individuen/100ha. Im Vergleich zu Zahlen aus Studien mit größeren zusammenhängenden Waldgebieten war die geschätzte lokale Populationsdichte in den bayerischen Haßbergen damit etwas niedriger (0,20 bis 0,60 Individuen/100ha).

Betrachtet man die Dichte der Wildkatzen nach Wald und Offenland getrennt, so ergibt sich – wie erwartet – eine höhere Wildkatzendichte im Wald: 0,25 versus 0,14 Individuen/100ha im Offenland. Dies entspricht einer geschätzten Anzahl von 54 Wildkatzen, die ihren Aktivitätsschwerpunkt im Wald hatten, und 38 Wildkatzen, die ihren Aktivitätsschwerpunkt im Offenland hatten (Abb. 3). Mit zunehmendem Waldanteil (höherer Kronendichte) erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass in solchen Bereichen die Aktivitätszentren der Wildkatzen liegen und die Dichte dort höher ist.

Verbreitung im Offenland

Generell nutzten die Wildkatzen den Wald mehr als das Offenland. Jedoch gibt das Lockstockmonitoring – methodisch bedingt – lediglich die Bestandssituation während der Ranzzeit wieder. Es ist also sehr wohl möglich, dass sich die Tiere im restlichen Jahresverlauf anders im Gebiet verteilen. Gerade zur Ranzzeit (Januar bis März) erreichen die Streifgebiete der Kuder ihre maximale Größe, wenn sie auf der Suche nach Partnerinnen so viele Streifgebiete von weiblichen Tieren wie möglich kontrollieren. Dabei werden mitunter auch weniger geeignete Offenlandbereiche durchwandert.

Doch grundsätzlich finden Wildkatzen auch in der strukturreichen Kulturlandschaft gute Bedingungen vor und sie können sich gut anpassen. Entscheidend für Wildkatzen ist die Verfügbarkeit der überlebenswichtigen Ressourcen Nahrung und Deckung. In landwirtschaftlich genutzten Flächen mit hohem Aufwuchs liefern beispielsweise Mais oder Raps hervorragenden Sichtschutz. Darüber hinaus bieten Feldgehölze, Hecken, stufige Waldrandgestaltungen und Obsthaine strukturelle Heterogenität und stellen ausreichend Deckung im Jahresverlauf sicher. Die hohe Dichte an Beutetieren in Agrarflächen erlaubt es Wildkatzen zudem, kleinere Streifgebiete zu etablieren. Im Vergleich zu geschlossenen Waldhabitaten besteht dort weniger Konkurrenz um Ressourcen. Besonders in reifen Feldkulturen findet sich eine Vielzahl an Kleinsäugern – die Hauptbeute der Wildkatze. Eine wichtige Rolle nehmen in offenen Landschaften außerdem Wasserläufe ein. Mit ihrer dichten Ufervegetation ermöglichen sie ungesehene Bewegungen über teilweise weite Strecken und bieten ein gutes Habitat für Schermäuse (Arvicola terrestris) – eine profitable Beute.

Folgerungen

Mit zunehmender Wildkatzendichte in Bayern wird eine weitere Etablierung von Streifgebieten beider Geschlechter in offenen Landschaften immer wahrscheinlicher. Für die Bestandsausbreitung der streng geschützten Wildkatze ist in jedem Fall der Erhalt mosaikartiger und strukturreicher Landschaften fördernd. Durch die hohe Nahrungsverfügbarkeit in landwirtschaftlich genutzten Flächen können Wildkatzen dort in enger Nachbarschaft zueinander existieren und sogar teilweise überlappende Streifgebiete ausbilden. Um dies gezielt zu untersuchen und gegebenenfalls gezielte Managementmaßnahmen ableiten und ergreifen zu können, wären jedoch hochaufgelöste Daten zur Habitatnutzung der Wildkatze in der bayerischen Kulturlandschaft dienlich. Hierbei kann die Überwachung von Wildkatzen mittels GPS-Telemetrie aufschlussreiche Erkenntnisse zur Nutzung des Offenlands zu anderen Jahreszeiten bringen.

Schneller Überblick

  • Beim Lockstockmonitoring werden pflanzliche Mittel genutzt, die, ähnlich einem Sexualpheromon, Wildkatzen anlocken. Reiben sich diese an den sägerauen Stäben, bleiben Haare für die DNA-Analyse zurück.
  • Die Wildkatzendichte ist im Wald deutlich höher als im Offenland. Diese Annahme wurde bei den Untersuchungen bestätigt.
  • Nahrung und Deckung sind grundlegende Faktoren für das Vorkommen von Wildkatzen. Sind diese gegeben, ist der Prädator anpassungsfähig.