Regenwürmer können in temperierten Wäldern eine wichtige Rolle als Zersetzer übernehmen und die physikalischen, chemischen und biologischen Bodeneigenschaften beeinflussen. Sie zerkleinern organisches Material (z. B. verrottendes Laub), mischen es in den Boden ein und beschleunigen dessen Abbau.
Regenwürmer verbessern zudem das Bodengefüge und fördern die Biodiversität, indem sie vielen Tieren (z. B. Großlaufkäfern, Füchsen, Wildschweinen) als Nahrung dienen. In Deutschland sind bislang 49 Regenwurmarten nachgewiesen. Davon haben zehn eine enge Bindung an Wälder, 28 kommen gleichermaßen in Wald und Offenland vor.
Das Vorkommen von Regenwürmern wird sowohl von den Standortsbedingungen (z. B. Bodentextur, Bodenfeuchte, Boden-pH) als auch von der Nutzungsform geprägt. In Wäldern beeinflussen zudem Baumartenzusammensetzung und Streuqualität die Artenvielfalt und Populationsgröße der Regenwürmer. Häufig besteht eine enge Abhängigkeit zwischen dem Abbau der Streu sowie der daraus resultierenden Humusform und dem Vorkommen von Regenwürmern. Ein Einfluss des Waldumbaus auf die Lebensgemeinschaft der Regenwürmer ist daher wahrscheinlich.
Untersuchungsgebiet Ebersberger Forst
Der Ebersberger Forst liegt in der Münchner Schotterebene und besteht seit dem 19. Jahrhundert überwiegend aus Fichtenbeständen. Seit Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts baut man diese Bestände zu naturnäheren Laub-/Mischwäldern um. Die dabei wichtigste Baumart ist die Buche.
Aufgrund der tiefergehend entbasten Ausgangssubstrate und der lang andauernden Nadelwaldwirtschaft überwiegen in den Waldbeständen saure Verhältnisse im Oberboden und eher "ungünstige" Humusformen (vor allem Moder, vereinzelt rohhumusartiger Moder, Abbildung 2). In diesen Böden befindet sich die meiste organische Substanz in der Humusauflage. Die "günstigeren" Humusformen "mullartiger Moder" und "F-Mull" treten kleinflächig auf und sind auf Bestandsbereiche mit höheren Buchenanteilen begrenzt.
Um das gesamte Artenspektrum der Regenwürmer im Projektgebiet abzubilden, wurden auch in den Waldkomplex eingebettete Waldwiesen in die Untersuchungen einbezogen. Unter der Grasschicht steht in den Waldwiesen direkt der Mineralboden an, der sehr humos und krümelig ist (Humusform "L-Mull"); die pH-Werte sind hier deutlich höher als in den Waldbeständen. Heterogene Bodenverhältnisse zwischen den Nadelwaldbeständen, Mischbeständen und Waldwiesen sind vor allem auf unterschiedliche Bewirtschaftung zurückzuführen, da die standörtlichen Verhältnisse im untersuchten Teil des Ebersberger Forstes insgesamt sehr homogen sind.
Erfassung der Regenwürmer und Umweltdaten
Die Regenwurmbeprobung erfolgte in der zweiten Aprilhälfte 2021 in reinen Fichtenbeständen (Z) sowie in Mischbeständen aus Fichten und Buchen mit einem Buchenanteil von 40–50 % (H). Innerhalb dieser beiden Bestandstypen differenzierte man zwischen jungen Beständen in der Stangenholzphase (Jungdurchforstung: JD) und älteren Beständen in der Baumholzphase (Altdurchforstung: AD). Ergänzend zu diesen vier Typen kam die Variante "Waldwiese" hinzu. Insgesamt wurden über die 20 Probeflächen somit 120 Stichproben genommen (vgl. Abbildung 3).
Zur Erfassung der Regenwürmer im Boden kam eine "Austreibung" mit anschließender Handauslese zum Einsatz. Vor der Austreibung wurde die locker aufliegende Streuauflage von der ¼ m² großen Stichprobe entfernt und von Hand nach Regenwürmern durchsucht. Für die Austreibung verwendete man eine stark verdünnte Formaldehydlösung, die verteilt auf zwei Gaben aufgegossen wurde. Nach jeder Gabe wurden über 15 Minuten die an der Bodenoberfläche erscheinenden Regenwürmer eingesammelt. Anschließend stach man einen Teil der Probestelle (1/16 m²) circa 30 cm tief aus und durchsuchte ihn nach Regenwürmern. Alle gefundenen Regenwürmer wurden in Ethanol konserviert und im Labor gezählt, gewogen und bestimmt.
Um Einflussfaktoren auf die Regenwurmbesiedlung zu identifizieren, dokumentierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgende Parameter: Bedeckungsgrad jeder Stichprobenfläche mit Laubstreu, Nadelstreu und mit Moos, Fichten- und Buchenanteil im unmittelbaren Umfeld der Probeflächen und pH-Wert des Auflagehumus. Weitere Parameter mit potenziellem Bezug zum Regenwurmbestand stammen aus Vegetations-, Waldstruktur- und Humuskartierungen.
Artenvielfalt, Anzahl und Biomasse der Regenwürmer
Im Ebersberger Forst wurden über alle 20 Probeflächen insgesamt 3.295 Regenwurmindividuen gefangen. Die mittlere Abundanz (Anzahl der Individuen/m²) und auch die mittlere Biomasse der Regenwürmer (g/m²) stieg in den beprobten Waldvarianten von "Jungdurchforstung mit hohem Buchenanteil von 40–50 %" (JD_H) über "Altdurchforstung ohne Buche" (AD_Z), "Jungdurchforstung ohne Buche" (JD_Z) zu "Altdurchforstung mit hohem Buchenanteil von 40–50 %" (AD_H) an (Abbildung 4).
Daraus lässt sich kein deutlicher Einfluss des Waldumbaus auf die Regenwurmbestandsdichte ableiten. Auffällig war eine hohe Streuung der Regenwurmwerte in allen Waldvarianten. Dies deutet auf eine hohe räumliche Heterogenität der Lebensraumbedingungen hin, z. B. aufgrund einer kleinräumig voneinander abweichenden Struktur- und Nischenvielfalt oder Unterschieden in den Bodenfeuchtebedingungen.
Vergleicht man die durchschnittliche Artenzahl der Regenwürmer je Waldvariante, zeigt sich ein Anstieg der Diversität gemäß folgender Reihenfolge: JD_Z, JD_H, AD_Z, AD_H (Abbildung 4, links). Dies spricht dafür, dass die Regenwurmartenvielfalt mit zunehmendem Bestandsalter bzw. höheren Buchenanteilen tendenziell ansteigt. Daraus lässt sich ein gewisser positiver Effekt der Buchenbeimischung auf die Regenwurmdiversität ableiten. Mit im Durchschnitt ein bis zwei Arten je Probefläche ist die Artenzahl in allen Waldvarianten vergleichsweise niedrig. Betrachtet man jedoch die Artenzahl aller vier Probeflächen einer Variante insgesamt, ergibt sich eine Gesamt-Diversität von jeweils drei Arten in JD_Z, in JD_H und in AD_Z sowie vier Arten in AD_H (Abbildung 5) – dies entspricht einer für Wälder typischen Größenordnung. So fand Ehrmann (2015) auf 106 untersuchten Waldflächen in Baden-Württemberg im Mittel 3,5 Regenwurmarten, Jänsch et al. (2013) nennen durchschnittlich 3,9 Regenwurmarten für Laubwälder und 2,9 Arten für Nadelwälder.
Zu berücksichtigen ist, dass sich der Waldumbau erst nach mehreren Jahrzehnten auf die Lebensbedingungen der Regenwürmer auswirkt. Beispielsweise ändern sich die pH-Werte der Humusauflage und vor allem des Mineralbodens nur sehr langsam. Zudem besiedeln Regenwürmer neu geschaffene Lebensräume nur ganz allmählich: Ihre Mobilität ist auf circa 5–10 m pro Jahr begrenzt.
Die im Mittel höchsten Regenwurmbestandswerte wurden unter den Waldwiesen des Ebersberger Forsts festgestellt. Ihre Abundanz und Artenvielfalt liegen hier in der Größenordnung der für bayerisches Grünland ermittelten Durchschnittswerte.
Abb. 5: Nachgewiesene adulte Regenwurmarten in den untersuchten Varianten im Ebersberger Forst mit Angabe ihrer deutschlandweiten Bestandssituation nach Lehmitz et al. (2016); alle Arten kommen sowohl im Wald als auch im Offenland vor – mit Ausnahme von D. attemsi (an den Wald gebunden) (Graefe et al. 2019).
Welche Faktoren wirken auf den Regenwurmbestand?
Insbesondere die Bodenfeuchte beeinflusst die Artenvielfalt positiv; sie wurde indirekt über Feuchtezeigerwerte der Vegetation ermittelt. Darüber hinaus bestimmt vor allem der Stickstoffgehalt im Boden die Abundanz und Biomasse der Regenwürmer im Ebersberger Forst. Diesen Schluss lässt die signifikant positive Korrelation mit dem Stickstoffzeigerwert zu, der über die Vegetationskartierung bestimmt wurde.
Ein tendenziell negativer Zusammenhang mit der Artenzahl ergab sich für das Totholzvolumen sowie für den Bedeckungsgrad durch Fichtennadeln. Letzteres deutet auf einen ungünstigen Einfluss der Fichte auf Regenwürmer hin. Sowohl die Nadelstreu der Fichten als auch die Laubstreu der Buchen bieten aufgrund ihrer geringen Qualität (hoher Säuregehalt, breites C/N-Verhältnis) keine optimalen Lebensbedingungen für Regenwürmer – insgesamt ist die Fichte in diesem Zusammenhang jedoch ungünstiger zu bewerten.
Weitere einbezogene Umweltvariablen wie "Mächtigkeit des Auflagehumus", "pH-Wert", "Lichtzeigerwert", "Buchen"- bzw. "Fichtenanteil" sowie "Moos-Deckungsgrad" zeigten keine Korrelation zu Artenzahl, Abundanz und Biomasse der Regenwürmer.
Was den pH-Wert betrifft: In den Mischbeständen mit einem hohen Buchenanteil wurden vor allem in den Altdurchforstungen etwas höhere, d. h. weniger saure pH-Werte als unter Fichtenreinbeständen gemessen. Dennoch liegen nach wie vor sehr saure Bodenbedingungen vor, was die fehlende Korrelation der Regenwurmartenzahl, -abundanz und -biomasse mit dem pH-Wert erklären könnte. Eine signifikant höhere Biomasse der Regenwürmer fanden Hlava & Kopecký (2013) erst ab einem pH-Wert über 3,9. Der positive Effekt der Bucheneinbringung auf die Bodenreaktion (insbesondere in der Humusauflage) ist wahrscheinlich noch nicht stark genug, um deutlich höhere Regenwurmbestandswerte zu erzielen.
Streubewohnende Regenwurmarten dominieren in Waldbeständen
Über alle 16 beprobten Waldflächen waren insgesamt sechs Regenwurmarten nachweisbar, darunter fünf streubewohnende, säureliebende bzw. säuretolerante Arten (Dendrobaena attemsi, D. octaedra, D. rubidus, Lumbricus castaneus, L. rubellus). Dieses Artenspektrum und die niedrigen Regenwurmbiomassen sind typisch für bodensaure Wälder wie den Ebersberger Forst, die durch niedrige pH-Werte (< 3,8) und meist ungünstige Humusformen (Moder oder rohhumusartiger Moder) gekennzeichnet sind. Da tiefgrabende Regenwurmarten in keiner der vier Waldvarianten vorkamen, unterbleibt die Einmischung der Streuauflage durch Regenwürmer in den Boden (Bioturbation) weitestgehend. Lediglich auf einer Altdurchforstungsfläche mit hohem Buchenanteil fand sich eine endogäische, flachgrabende Art (Aporrectodea rosea).
Die im Ebersberger Forst dominierenden streubewohnenden Arten reagieren empfindlich auf die Bodenfeuchte und das Kohlenstoff/Phosphor-Verhältnis der Streu. So führen trockene Sommer insbesondere bei streubewohnenden Arten zu Populationsrückgängen.
Großes Artenspektrum in den Waldwiesen
Im krümeligen Boden der sehr humosen Waldwiesen traten – wie für die Humusform "L-Mull" typisch – alle drei ökologischen lebensformen der Regenwürmer auf (Abbildung 6). Die mittlere Artenvielfalt auf einer Waldwiese lag bei knapp sieben Regenwurmarten. Insgesamt wurden zehn Regenwurmarten über die vier untersuchten Flächen erfasst, davon vier streubewohnende, fünf mineralschichtbewohnende, flachgrabende Arten und eine tiefgrabende Art.
Die Aktivität der Regenwürmer im Boden unter den Waldwiesen ist hoch: Die tiefgrabende Art arbeitet die anfallende Streu in den Mineralboden ein, so dass der Ah-Horizont (humoser Oberbodenhorizont) intensiv mit organischer Substanz durchmischt wird. Hinzu kommt, dass der Wurzelumsatz im Boden der Waldwiesen deutlich höher ist als im Boden der Waldflächen. So ernähren sich die horizontal im Boden bewegenden, endogäischen Regenwurmarten vor allem von abgestorbenen Wurzeln.
Auf den Waldwiesen wurden zwei in Deutschland seltene endogäische Regenwurmarten erfasst: Proctodrilus antipae ist die einzige im Ebersberger Forst nachgewiesene Art, die sich in der Vorwarnstufe der Roten Liste befindet; von Proctodrilus opisthoductus (2016 Erstnachweis in Deutschland) sind bislang nur sehr wenige Vorkommen in Deutschland bekannt, die alle in Südbayern liegen.
Zusammenfassung
Die Bodenbedingungen im Ebersberger Forst sind ungünstig für Regenwürmer: niedriger pH-Wert sowie meist ungünstige Auflagehumusformen. Aufgrund des basen- und stickstoffarmen Nahrungsangebots umfasst das Artenspektrum fast ausschließlich acidotolerante/acidophile, streubewohnende Arten. Die Regenwurmbiomasse ist niedrig, die Einmischung der Streu in den Boden durch Regenwürmer sehr gering. Ein positiver Einfluss des Waldumbaus auf Regenwürmer war in dem vergleichsweise kurzen Zeitraum nicht deutlich erkennbar. Dennoch schnitt unter den vier Waldvarianten die Altdurchforstung mit hohem Buchenanteil tendenziell am besten ab. Die im Mittel höchste Artenvielfalt, Abundanz und Biomasse der Regenwürmer im Ebersberger Forst hatten die Waldwiesen.
Das Projekt "Auswirkungen von Waldumbaumaßnahmen auf Waldstruktur und Biodiversität (L59)" (Laufzeit: 01.12.2018 - 31.03.2022) wurde durch die Bayerische Forstverwaltung gefördert.