Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) war in Bayern bisher hauptsächlich in den warmtrockenen Eichenwäldern der Fränkischen Platte verbreitet. Durch die Klimaerwärmung hat er sich sukzessive ausgebreitet und tritt in den letzten Jahren auch in Nordschwaben, in der Oberpfalz oder in Oberfranken auf. Vorkommen südlich der Donau waren bislang unbekannt.
Allerdings wurde zuletzt ein Verdacht auf Eichenprozessionsspinnerbefall südlich von München geäußert. Die Experten der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) wurden hellhörig: Ein Befall an Eiche und Raupen, die in Gruppen fressen – das spricht schon für den Eichenprozessionsspinner. Aber erst im Juli/August? Das spricht eher dagegen.
Des Rätsels Lösung
Bei der Ortsbesichtigung stellten sich die vermeintlichen Eichenprozessionsspinnerraupen dann als Raupen des Mondvogels oder Mondflecks (Phalera bucephala) heraus. Die schwarz-gelben Raupen des Mondvogels fressen in den Anfangsstadien gemeinsam an Blättern und sitzen in sogenannten Raupenspiegeln beieinander (Abb. 1). Sie werden bis zu 70 Millimeter lang, haben im Alter orangegelbe Quer- und gelbliche Längsstreifen. Der schwarze Kopf trägt ein gelbes V oder Y (Abb. 2) und beginnen erst in den letzten beiden Raupenstadien sich zu vereinzeln.
Die Raupen sind äußerst polyphag und befressen verschiedenste einheimische und fremdländische Baum- und Straucharten. Besonders häufig an Salweide und Haselnuss, aber auch an Winterlinde, Eiche, Birke oder Aspe. Im Forstlichen Versuchsgarten Grafrath traten vor einigen Jahren Mondvogelraupen massenhaft an jungen Hickory-Heistern (Carya spec.) auf.
Biologie und Lebensweise
Die Falter des Mondvogels haben einen abgestutzten und gelbgefärbten Brustabschnitt und einen weiteren gelben Fleck auf den Hinterflügeln. Damit ahmen sie in Ruhestellung ein abgebrochenes Aststück nach (Abb. 3). Diese Tarnung ist so perfekt, dass die Falter ziemlich Bewegungslos den Tag im Geäst von Bäumen oder Sträuchern verbringen können. Nachts schwärmen sie dann aus, um sich zu paaren und ihre Eier abzulegen. Die Flugzeit erstreckt sich von Mai bis Ende Juli. Die Falter sind hauptsächlich in Laubwäldern, Parks und Gärten zu finden. Als Schmetterlinge nehmen sie keinerlei Nahrung mehr zu sich.
20 bis 40 Eier legen die Weibchen im Mai oder Juni meist an die Blätter verschiedener Laubgehölze (Abb. 4). Die Raupen schlüpfen meist im Juli und verpuppen sich Ende September/ Anfang Oktober in einer mit Gespinst ausgekleideten Höhle im Boden. Die Puppe überwintert und im Mai des nächsten Jahres – manchmal auch erst des übernächsten – schlüpfen wieder die Falter.
Der Mondvogel ist wegen seiner außergewöhnlichen Tarnfärbung und des Verhaltens seiner Raupen ein interessanter Schmetterling; forstlich verursacht er jedoch keinerlei Schäden.