Im Winter 2020/21 mehrten sich besorgte Stimmen, die die Vogelvielfalt an ihren Futterstellen vermißten. Im Februar 2021 veröffentlichte der LBV das Ergebnis der aktuellen Vogelzählung: Haus – und Feldsperling sowie die Kohlmeise belegten die Plätze 1 bis 3. Auffällig jedoch war die geringe Zahl der Vögel, die die Vogelliebhaber an ihren Futterstellen beobachten konnten. Immer häufiger wurde und wird die Frage gestellt, ob es sich hier um ein Singvogelsterben handelt oder warum weniger Vögel beobachtet werden können. Diese Fragen wurden auch dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein gestellt.
Gibt es tatsächlich weniger Singvögel?
Der LBV weist daraufhin, dass die lange, milde Witterung des Herbstes und des Frühwinters dafür verantwortlich ist, dass weniger Vögel die Futterstellen besuchten. Außerdem wurden – evtl. unter dem Einfluß von Corona – in diesem Winter vermehrt Futterstellen in den Gärten der Städte und Gemeinden für Vögel eingerichtet, die dazu führten, dass sich die Vögel auf deutlich mehr Futterstellen verteilten. Auch der Abzug vieler Zugvogelarten verzögerte sich wegen der milden Herbstwitterung. Davon betroffen waren vor allem Kurzstreckenzieher wie Bachstelze, Hausrotschwanz oder Mönchsgrasmücke.
Aber auch die Wintervogelzählung des LBV in Bayern bestätigte die Beobachtungen vieler Vogel- und Naturfreunde. So konnte zwar eine erfreuliche Rekord-Beteiligung von 40.000 Teilnehmern festgestellt werden, aber gleichzeitig wurde in diesem Winter die niedrigste Anzahl gezählter Vögel seit Bestehen dieser Wintervogel-Zählung vor 16 Jahren erfasst. Im Durchschnitt wurden nur noch 32 Vögel pro Garten gemeldet. Die Spitzenreiter bei den beobachteten Vogelarten waren die beiden heimischen Sperlingsarten, der Hausspatz auf Platz 1 und der Feldsperling auf Platz 2. Dann folgten auf den weiteren Plätzen Kohlmeise, Amsel und Blaumeise. Die "Top Ten" der beobachteten Vogelarten vervollständigten die Arten Buchfink, Erlenzeisig, Grünfink, Elster und Rotkehlchen.
Neuartige Vogel-Krankheiten
Leider hat es in den letzten Jahren bei verschiedenen Singvogelarten neuartige, zum Teil seuchenartige Erkrankungen gegeben, die örtlich oder auch regional die Populationen der betroffenen Art haben einbrechen lassen.
Begonnen hat dies mit einem plötzlichen Sterben der Grünfinken im Sommer 2009. Als Erreger wurde Trichomonas gallinae nachgewiesen. Insbesondere an verkoteten Futterstellen infizierten sich die Grünfinken. Schätzungsweise starben etliche hunderttausende. Von diesem Einbruch hat sich die Population der Grünfinken örtlich und regional bis heute nicht richtig erholt. Früher zählten die Grünfinken zu den häufigsten Singvögel an den Futterstellen, heute nicht mehr. Immerhin belegten sie bei der Wintervogelzählung den 8. Platz.
2010/11 berichteten die Medien in Deutschland darüber, dass auffällig häufig tote Amseln gefunden wurden. Es stellte sich heraus, dass der Erreger dieses "Amselsterbens" das Usutu-Virus war. 2018 war diese Krankheit flächendeckend in Deutschland nachweisbar. Rund 60 % der Amseln waren damals befallen. In den Folgejahren ging die Infektionsrate wieder zurück. 2020 waren nur noch im Durchschnitt 7 % der Amseln befallen. Aber örtlich sind die Amselbestände tatsächlich merklich eingebrochen.
Im Frühjahr 2020 wurde dann aus dem Rhein-Main-Gebiet von neuartigen Krankheitsbildern an Blaumeisen berichtet. Hier handelte es sich um eine Infektion mit dem Bakterium Sutonella ornithocola, das eine Lungenentzündung hervorruft. Selten werden auch andere Singvögel befallen. Schwerpunkte dieses "Blaumeisensterbens" liegen nach wie vor im Rhein-Main-Gebiet, in Hessen und Thüringen. Der Erreger wird durch Stechmücken übertragen. Trotz dieser Bestandseinbußen liegt die Blaumeise bei der Wintervogelzählung 2021 nach Haussperling, Feldsperling, Kohlmeise und Amsel auf dem 5. Platz.
Überwinternde Vogelgäste
Im Winter 2020/21 gab es auch positive Nachrichten zu vermelden. So war im Winter 2020/21 der Durchzug skandinavischer Rotdrosseln in Deutschland überdurchschnittlich hoch. Die Zahlen lagen teilweise über 50 % über dem Mittel der Jahre 2012–2019. Als Ursache wird hoher Bruterfolg in der skandinavischen Heimat der Rotdrossel und die milde Witterung während des Spätherbstes und des Winters verantwortlich gemacht.
Ebenso überdurchschnittlich war auch der Durchzug von Wacholderdrosseln ab Oktober bis zum Jahresende. Auch in München konnten Wacholderdrossel-Trupps von 20 bis 30 Exemplaren beobachtet werden. Ein vermehrter Einflug von Seidenschwänzen oder Bergfinken war dagegen bisher nicht zu verzeichnen. Obwohl es auch in Oberfranken Beobachtungen von größeren Bergfinkentrupps gab. Bergfinken suchen gerne Buchenwälder auf, um Bucheckern zu fressen. Die anderen drei genannten Vogelarten, Rotdrossel, Wacholderdrossel und Seidenschwanz sind typische Beerenfresser, die wir mit einer naturnahen Garten- und Waldrandgestaltung mit beerentragenden einheimischen Gehölzen, vor allem Vogelbeere, Weißdorn, Schneeball und Heckenrosen, fördern können. Sie fressen auch die Beeren der Stechpalme (Ilex aquifolium), dem Baum des Jahres 2021, aber da diese Beeren relativ trocken und derb sind, meist erst im Spätwinter. Daneben verzehren auch Amseln, Eichelhäher und Ringeltauben Ilex-Beeren.
Die Bedeutung von Hecken und Waldrändern mit einer standortsgerechten Vielfalt an Straucharten für überwinternde Vogelarten darf nicht unterschätzt werden. Hier können wir durch den Erhalt von Strauch- und Krautmänteln an Wäldern bzw. durch die Pflanzung beerentragender Sträucher in Gärten, Flur und Wald auch den überwinternden Vogelarten auf Dauer mit genügend Nahrungsressourcen über die karge Jahreszeit hinweg helfen.