Die Europäische Union strebt ein zusammenhängendes ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete innerhalb der Europäischen Gemeinschaft an ("Natura 2000"). Es besteht aus Vogelschutz (VS-) gebieten sowie den Gebieten zum Schutz gefährdeter Lebensräume und von Tier- und Pflanzenarten (FloraFaunaHabitat-Gebiete), für die beide die selben Schutzbestimmungen gelten. Die Mitgliedsstaaten der EU sind verpflichtet, die für dieses europäische Netz "Natura 2000" besonders geeigneten Gebiete zu benennen.

Ziele der FFH-Richtlinie von 1992

Welche Ziele verfolgt FFH?

  • Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen.
  • Wiederherstellung oder Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse.
  • Erhaltung der biologischen Vielfalt, wobei wirtschaftliche, soziale und kulturelle Anforderungen berücksichtigt werden sollen.
  • Vielzahl von Gebieten, die durch linienförmige Landschaftselemente (Fließgewässer, Hecken, Böschungen, Waldsäume) verbunden sind.

Die Lebensräume und Arten von gemeinschaftlichen Interesse werden in den Anhängen I und II zur Richtlinie aufgeführt. Für die gesamte EU sind darin ca. 250 spezielle Lebensraumtypen sowie rund 400 Tier- und ca. 360 Pflanzenarten enthalten, die in ihrem Bestand bedroht sind und dementsprechend besonders geschützt werden sollen.

Die vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten sowie besonders gefährdete Lebensräume sind als "prioritär" gekennzeichnet und genießen verstärkten Schutz.

Vogelschutz-Richtlinie (1979)

Diese Richtlinie verfolgt das Ziel, alle wildlebenden Vogelarten und ihre Lebensräume in Europa langfristig zu schützen.

Für die im Anhang I aufgeführten besonders bedrohten Vogelarten müssen besondere Schutzmaßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung ihrer Lebensräume durchgeführt werden. Die zahlen- und flächenmäßig geeignetesten Gebiete werden zu diesem Zweck als Schutzgebiete ausgewiesen.

In gleicher Weise sind auch Schutzgebiete für die nicht im Anhang I aufgeführten regelmäßig auftretenden Zugvogelarten zum Schutz ihrer Brut-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten auszuweisen. In diesem Zusammenhang kommt dem Schutz der Feuchtgebiete herausragende Bedeutung zu.

Erste Gebietsmeldung

1996 hatte Bayern in einer ersten Meldung (erste Tranche) eine Liste von 79 Gebieten - zusammen mit 17 Vogelschutzgebieten - nach Brüssel gemeldet. In Anbetracht der Rechtslage zu diesem Zeitpunkt beschränkte sich die Meldung auf bereits nach bayerischem Naturschutzrecht geschützte Gebiete (vorwiegend Nationalparke und Naturschutzgebiete). Insgesamt waren davon rd. 1,8% der Landesfläche betroffen.

Die EU-Kommission ist der Auffassung, dass diese Gebietsmeldung für Bayern unvollständig ist und eine unverzügliche Nachmeldung erforderlich wird (zweite Gebietsmeldung). Nach der Umsetzung der FFH-Richtlinie im Bayerischen Naturschutzgesetz von 1998 erfolgt diese Nachmeldung seitens der Umweltschutzverwaltung mit großem Nachdruck.

Zweite Gebietsmeldung

Die Gebietsliste für das Dialogverfahren mit den Karten der Schutzgebiete wurde vom Bayerischen Landesamt für Umweltschutz (LfU) auf der Grundlage amtlicher (Biotopkartierung, Arten- und Biotopschutzprogramme) und ehrenamtlicher Quellen ausgearbeitet.

Ergebnis für Bayern:

  • 55 Lebensraumtypen (EU: 250), (z.B. Moore, Buchen- und Auwälder),
  • 58 Tierarten (EU: 390), (z.B. Luchs, Biber),
  • 19 Pflanzenarten (EU: 360), (z.B. Frauenschuh).

Für die Gebietsauswahl im Wald waren entsprechend der FFH-Richtlinie fachliche Kriterien maßgebend wie:

  • Repräsentanz, d.h. ausreichend Gebiete nach Zahl und Qualität sowie entsprechend der forstlichen Wuchsgebietsgliederung, der Höhenstufen, der Mindestarealgrößen typischer Waldlebensgemeinschaften sowie der naturschutzfachlich und historisch bedeutsamen Waldnutzungformen,
  • Kohärenz, d.h. Gebiete sind Teil eines landesweit bedeutsamen Biotopverbundes,
  • Größe, d.h. bevorzugt großflächige Vorkommen oder Populationen,
  • Erhaltungszustand, d.h. qualitativ besonders gute und typisch ausgeprägte, v.a. naturnahe Flächen mit entsprechender Struktur- und Artenvielfalt.
  • Gesamtwert, d.h. ausreichende Größe und Qualität sowie eine hohe Dichte an unterschiedlichen Lebensraumtypen und Arten,
  • Signifikanz, d.h. Gebiete, die wesentlich dazu beitragen, die Lebensraumtypen und Arten in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren bzw. wieder herzustellen.

Bevorzugt wurden Flächen ausgewählt,

  • die sich im Eigentum des Staates oder von Kommunen befinden,
  • die bereits als Naturschutzgebiete oder 13d-Flächen geschützt sind, dafür vorgesehen oder dem Naturschutz gewidmet sind,
  • auf denen mehrere Lebensraumtypen und Arten vorkommen und die einen besonders hohen ökologischen Wert aufweisen.

Der Vorschlag für die zweite Gebietsmeldung umfasst derzeit rd. 6,6% der Landesfläche. Ein belangvoller Anteil daran liegt, entsprechend der Bedeutung der Wälder als naturnahe Lebensräume in Mitteleuropa, im Staatswald.

Das Dialogverfahren

Die Öffentlichkeit und die Betroffenen werden bei der Ausweisung der zweiten Gebietsmeldung der FFH- und VS-Gebiete beteiligt ("Bayerischer Weg"). Schwerpunkt des Dialogverfahrens ist die Auslegung der Kartenunterlagen bei den Gemeinden und Unteren Naturschutzbehörden.

Ziele der Dialogverfahrens:

  • Information von Öffentlichkeit und Bürger, offene Diskussion, Akzeptanz, Konsens,
  • Möglichkeit zur Klärung der eigenen Betroffenheit,
  • Gelegenheit zu Einwendungen,
  • Einholung aller notwendigen ergänzenden Informationen und Anregungen von den Beteiligten (Grundeigentümern, Kommunen, Verbände) für die abschließende Beurteilung.

Verschlechterungsverbot

In FFH- und VS-Gebieten gilt ein Verschlechterungsverbot. Dies bedeutet,

  • dass keine wesentlichen Verschlechterungen der Lebensraumtypen sowie erhebliche Störungen der für das Gebiet gemeldeten Arten erfolgen dürfen,
  • dass die bisherige forstliche Bewirtschaftung weiterhin uneingeschränkt möglich ist, da sie ja zu dem meldewürdigen günstigen Zustand geführt hat,
  • dass Nutzungsänderungen zulässig sind, soweit sie sich nicht erheblich nachteilig auf die Erhaltungsziele auswirken (z.B. Wegebau, Gewässerunterhaltung, Trinkwasserversorgung, Unterhaltung von Ver- und Entsorgungsanlagen).

Dauerhaft umweltgerechte Veränderungen sind erlaubt. Nicht jedoch Vorhaben, von denen erhebliche Beeinträchtigungen der für die Erhaltungsziele des Gebiets maßgeblichen Bestandteile ausgehen können. Diese sind einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Ergibt diese eine erhebliche Beeinträchtigung, sind Alternativen des Vorhabens zu prüfen. Bei fehlender Alternative kann das Vorhaben dennoch zugelassen werden, wenn zwingende Gründe des öffentlichen Wohls einschließlich sozialer und wirtschaftlicher Art dafür sprechen.

Die Verträglichkeitsprüfung erfolgt integriert in bisher bereits bestehende Verfahren. Den rechtlichen Rahmen wird eine Vollzugsbekanntmachung füllen, die derzeit in Eckpunkten veröffentlicht vorliegt.

Sicherungsmaßnahmen

Neben dem Verschlechterungsgebot besteht die Verpflichtung zur dauerhaften Erhaltung der Schutzgebiete. Nach den geltenden Richtlinien sind die Gebiete innerhalb von 6 Jahren dauerhaft zu sichern (z.B. durch Bewirtschaftungsverträge, Schutzgebietsausweisungen, Landerwerb). Diese Sicherung kann durch Erlass von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder vertraglichen Vereinbarungen geschehen. Bayern wird sich vorrangig um kooperative Lösungen bemühen.

Grundprinzip ist, dass diejenigen Schutzform ausgewählt wird, die die Betroffenen am wenigsten belastet.

Im Staatswald gewährleistet die rechtliche Verpflichtung, Vorbildfunktion zu beweisen, die dauerhafte Erhaltung des aktuellen Zustands. Auch Naturschutzgebiete oder unmittelbar durch das Bayerische Naturschutzgesetz geschützte Biotope (sog. 13-d Flächen), sind rechtlich so abgesichert, dass weitere Schutzmaßnahmen nicht erforderlich sind.

Ausgleichszahlungen, Fördermittel

Zum Ausgleich von Kosten und Einkommensverlusten, die sich in FFH- und VS-Gebieten durch eine etwaige Beschränkung der forstwirtschaftlichen Nutzung und als Folge des Verschlechterungsverbots ergeben, können Ausgleichszahlungen geleistet werden. Geldausgleich ist möglich, wenn eine konkrete wirtschaftliche Einbuße hinzunehmen oder eine aktive Leistung des Grundeigentümers erbracht worden ist (Art. 36a BayNatSchG).

Unabhängig davon stehen für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen Fördermittel aus dem Landschaftspflegeprogramm, dem Naturschutzfonds sowie dem europäischen Förderprogramm ("LIFE Natur") zur Verfügung. Der Vertragsnaturschutz im Wald ist in Planung.

Rechtsgrundlagen

1. Vogelschutz-Richtlinie: Richtlinie 79/409, Amtsblatt d. EG Nr. L103/1 v. 25.04.79

2. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie: RL 92/43, Amtsblatt d. EG Nr. L206/7 v. 22.07.92

3. Bundesnaturschutzgesetz vom 21.09.1998: §19 "Europäisches Netz Natura 2000"

4. Bayer. Naturschutzgesetz (BayNatSchG) in der Fassung der Bek. vom 18.08.1998:

4.1. Art 13b "Besonderer Schutz der Gebiete",

4.2. Artikel 13c "Schutzvorschriften",

4.3. Artikel 36 "Enteignende Maßnahmen",

4.4. Artikel 36a "Erschwernisausgleich",

4.5. Artikel 49a "Zulässigkeit von Projekten u. Plänen in Gebieten der RL92/43 /EWG",

5. Wasserhaushaltsgesetz in der Fassung der Bek. v. 12.11.96, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.08.98: §6 "Versagung",

6. Baugesetzbuch in der Fassung in der Bek. vom 27.08.11.97, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.97:

6.1. §1a "Umweltschützende Belange in der Abwägung",

6.2. §29 "Begriff des Vorhabens"; Geltung von Rechtsvorschriften

6.3. §34 "Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile" 7 - Raumordnungsgesetz vom 18.08.78,geändert durch Gesetz vom 15.12.97:

7. §7 "Allgemeine Vorschriften über Raumordnungspläne".