Die Entwicklung der Menschheit begann mit der Beherrschung des Feuers. In der Natur stellt das Feuer, neben Stürmen und Vulkanausbrüchen, einen der wichtigsten Störfaktoren in natürlichen Ökosystemen dar. Dank der Feuerökologie weiss man heute, dass in vielen Waldökosystemen, wie zum Beispiel den borealen Nadelwäldern, dem kalifornischen Chapparal oder der afrikanischen Savanne, das Feuer eine entscheidende regulierende Rolle spielt.

Viele Pflanzen- und Tierarten haben sich an Waldbrände angepasst. Zum Teil brauchen sie diese sogar, um dauerhaft überleben zu können (z.B. Föhrenzapfen, die Samen erst nach starker Hitze entlassen). Feuer hat aber für den Menschen auch negative Effekte, gerade wenn es Gebirgswälder erfasst und dabei deren Schutzfunktion beeinträchtigt. In diesen Fällen sind dann die Förster gefragt, um rechtzeitig waldbauliche und technische Massnahmen zur Verhütung von Folgeschäden zu treffen.

Welche Überlebenschancen haben Bäume nach Feuer?

Wie stark ein Baum vom Feuer geschwächt wird, hängt von vielen Faktoren ab: von der Intensität des Feuers (Flammenhöhe, Intensität und Dauer der Wärmestrahlung), der Abwehrfähigkeit des Baumes gegen Hitze (isolierende Grobborke, Schutz durch Nebenbäume), der Fähigkeit zur Regeneration geschädigter Gewebe (Überwallung von offenen Wunden, Bildung von Ersatztrieben) und dem Befall durch Schwächeparasiten und Insekten.

Die Forschung über die Reaktion von Bäumen auf Waldbrände ist in den Vereinigten Staaten besonders aktiv. So wurden dort artspezifische Kriterien entwickelt, um aufgrund von Feuer Verletzungen die Überlebenschancen einzelner Bäume abzuschätzen und die waldbaulichen Massnahmen zur Behandlung solcher Bestände sinnvoll zu planen. In Europa wurden zu diesem Thema bis jetzt nur vereinzelte Untersuchungen durchgeführt, hauptsächlich im Mittelmeerraum über FöhrenArten wie zum Beispiel Pinus pinaster.

Im Rahmen des 2006 gestarteten EU-Forschungsprojektes "Fire Paradox" wurde es möglich, auch in den sommergrünen Laubwäldern solche Beobachtungen durchzuführen. Die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL nimmt dabei in der Schweiz vor allem drei Baumarten unter die Lupe. An Buche (Fagus sylvatica), Eiche (Quercus petraea und Q. robur) und Edelkastanie (Castanea sativa) untersucht sie auf ausgewählten Waldbrandflächen auf der Alpensüdseite folgende drei Aspekte:

  • die direkten Brandspuren als Indikator der Brandintensität (Höhe der Verkohlung am Stamm und Intensität der Verbrennung am Stammfuss);
  • die am Baum entstehenden Schäden (Absterben und Ablösung der Rinde, Insektenbefall, Pilzbefall, Entlaubung, Abbrechen von Kronenpartien) und
  • die Reaktion des Baumes (Überwallung der Wunden, neue Ausschläge in der Krone, am Stamm und vom Stock).

Durch wiederholte Aufnahme dieser Parameter werden für jeden Brand und jede Baumart die Entwicklung des Gesundheitszustandes und die Reaktionsfähigkeit der Bäume über mehrere Jahre verfolgt.

Der Waldbrand bei Cugnasco

Zwischen dem 3. und 4. April 2006 brannten bei starkem Nordföhn am Südhang oberhalb von Sasso Fenduto (Gemeinde Cugnasco, Tessin) 55 ha Wald. In diesem Gebiet, das sich von 450 bis 850 m ü. M. erstreckt und gemäss Waldbranddatenbank in den letzten 100 Jahren nie gebrannt hatte, stockten ehemalige Kastanienniederwälder, gemischt mit Stiel- und Traubeneichen. Im oberen Bereich der Fläche befindet sich auch ein Buchenbestand.

Die Kombination von Trockenheit, Wind, Hangneigung (im Schnitt 60%) und Anhäufung von Brandgut erhöhte die Intensität des Feuers, wie die Brandspuren an den Bäumen und die weisse Asche deutlich zeigen (Abb. 2). So wurde bei vielen Bäumen (besonders bei der Buche) durch die Hitze die Rinde zum Abplatzen gebracht; bei der Eiche hingegen wurden vor allem durch die grobborkige Rinde – die normalerweise vor Feuer schützt – die Flammen in die Höhe gezogen.

Bis zum Juli 2007 haben sich die Bäume zum Teil erholt, zum Teil sind sie abgestorben (Abb. 1). Solche Bestände sind für die Forschung sehr wertvoll, denn über die Entwicklung mitteleuropäischer Wälder nach Feuer ist wenig bekannt.

Ideale Voraussetzungen für Pilze

Die Schwächung grosser Bäume durch Feuer ist eine ideale Voraussetzung für die massive Besiedelung durch verschiedene Pilze. In der Folge werden die häufigsten Pilzarten vorgestellt, die im zweiten Jahr nach dem Feuer auf der Brandfläche bei Cugnasco (siehe Kasten) aufgetreten sind. Die Fotos stammen vom Juli 2007.

  • Der Milchweisse Eggenpilz (Irpex lacteus) gilt als eine in Mitteleuropa relativ seltene Art, die in der Schweiz nur im Tessin häufiger vorkommt. An Buche bilden sich nach einem Feuer zahlreiche Fruchtkörper, so dass der Stamm aus der Ferne ganz weiss erscheint (Abb. 3). Die Fruchtkörper haben unregelmässig zerschlitzte Poren, die zum Teil in zähnchenförmige Strukturen aufgelöst sind. Der Pilz tritt an sehr stark durch das Feuer verletzten Bäumen oft dominant auf und verursacht eine Weissfäule, die schliesslich zum Abbrechen der Stämme führt.
  • Der Striegelige Schichtpilz (Stereum hirsutum) ist einer der häufigsten Pilze an Laubbäumen (vor allem an Eiche, Kastanie und Buche) mit nahezu weltweiter Verbreitung. Die Fruchtkörper sind gelblich gefärbt und haben – wie alle Stereum Arten – eine glatte, sporenbildende Schicht auf der Hutunterseite. Die Hutoberseite ist zottig behaart (Abb. 4). Die Art besiedelt nur relativ frisches Splintholz, wo sie eine streifenförmige Weissfäule verursacht. Sie kann sehr wahrscheinlich geschwächte Bäume zum Absterben bringen. Nach Bränden in Laubwäldern fruktifiziert dieser typische Pionier fast regelmässig. Die Art ist sehr variabel, im Bild sind unterschiedlich stark gefärbte Fruchtkörpergruppen zu sehen, die zu verschiedenen MyzelIndividuen gehören. Die einzelnen Pilzmyzelien besiedeln oft streifenförmige, bis mehrere Meter lange Zonen.
  • Deutlich seltener als der Striegelige Schichtpilz wurde auf der Brandfläche der Ästchen-Schichtpilz (Stereum ochraceo-flavum oder S. rameale) beobachtet, welcher sich vom erstgenannten durch eine graue Färbung und das Fehlen einer im Querschnitt erkennbaren dunklen Linie unterhalb der Hut-Oberfläche unterscheidet.
  • Schizophyllum commune, der gemeine Spaltblättling, ist ein einzigartiger Pilz, dessen bis zu 5 cm grosse, muschelförmige Fruchtkörper sich durch "Lamellen" auszeichnen, die an der Lamellenkante gespalten sind (Abb. 5). Dieses Merkmal ist besonders gut sichtbar, wenn man den Pilz anschneidet. Der Spaltblättling ist ein typischer Vertreter der "Sonnenbrandgesellschaft", einer Artengruppe von Pilzen, die sehr häufig nach Sonnenbrand an Baumstämmen auftreten. Daneben besiedelt dieser weltweit verbreitete Weissfäuleerreger eine Vielzahl verschiedener Holzsubstrate, zerstört Silageballen und infiziert gelegentlich sogar Menschen mit geschwächtem Immunsystem, was zu einer sehr gefährlichen Krankheit führen kann. Die Fruchtkörper können in trockenem Zustand mehrere Jahre überleben.
  • Der Erreger des Kastanienkrebses (der Schlauchpilz Cryphonectria parasitica) fruchtet nach Waldbränden besonders auffällig an der Edelkastanie und gelegentlich auch bei Eiche (Abb. 6). Interessant ist dabei, dass dieser Pilz nicht nur den Krebs selbst, sondern auch grossflächig die normale Rinde besiedelt. Wir wissen nicht, ob er bereits vorher in der lebenden Rinde vorhanden war oder ob er das Substrat nach dem Brand neu infiziert hat. Genauere Untersuchungen können auch Auskunft darüber geben, ob es sich dabei um die aggressive oder um die harmlose (hypovirulente) Form des Pilzes handelt, die mit einem Virus infiziert ist. Wäre letzteres der Fall, dann könnten Waldbrände indirekt zur biologischen Kontrolle des Kastanienkrebses beitragen, denn die Hypovirulenz ist ansteckend.
  • Die Gattung Trichoderma umfasst mehrere schwer unterscheidbare Arten von sehr rasch wachsenden Schimmelpilzen, die als Mykoparasiten und Antibiotikabildner ökologisch von Bedeutung sind. Sie bilden die Grundlage diverser Präparate zur biologischen Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten. Die Abbildung 7 zeigt einen ungewöhnlich aggressiven Befall eines Kastanienkrebses durch Trichoderma sp. Der Krebserreger ist im Bereich der Infektionsstelle abgestorben. Der Schimmelpilz bildet dort weisses Myzel und grünliche Sporen.
  • Kugelpilze (Daldinia-Arten) sind Schlauchpilze (Askomyzeten), die speziell an Waldbrände angepasst sind. Sie können Jahrzehnte lang unsichtbar sein, treten aber vor allem nach Bränden sehr prominent auf. Es wird vermutet, dass sie durch spezialisierte Insekten verbreitet werden. Die Fruchtkörper sind knollenförmige Gebilde (Stromata), in deren äusserster Zone sich zahlreiche winzige kugelige Einzelfruchtkörper entwickeln (Abb. 8). Im Querschnitt erscheint das Stroma geschichtet, wobei sämtliche Schichten innerhalb der gleichen Vegetationsperiode entstehen. Die Schichtung kommt durch einen abrupten Wechsel in der Ausrichtung der Hyphen zustande; sie stabilisiert das ganze Gebilde. Die Fruchtkörper speichern viel Wasser, so dass sich die Sporen auch in Trockenperioden entwickeln können. Es gibt in Europa mindestens acht sehr ähnliche Daldinia-Arten; eine genaue Bestimmung war hier nicht möglich, da der Pilz noch nicht reif war.

Pilzfotos: Lara Lucini und Ottmar Holdenrieder

Schlussbemerkungen

Es ist spannend, die weitere Entwicklung der Pilzflora auf den geschädigten Bäumen zu beobachten. Erstaunlicherweise wissen wir sehr wenig über die Wirkungen dieser Pilze auf Bäume. Im Experiment kann man die natürliche Situation kaum nachahmen. So hängt zum Beispiel der Effekt eines Pilzes von der Grösse seines im Baum verborgenen Myzels ab. Hinzu kommt, dass sich verschiedene Pilze gegenseitig beeinflussen. Genaue Beobachtungen in der Natur sind deshalb unerlässlich. Sie tragen nicht nur zur Vorhersage der künftigen Waldentwicklung bei, sondern sie können auch wertvolle Hinweise für den Naturschutz geben (Vorkommen seltener Pilzarten, Besiedlung des infizierten Holzes durch Spechte usw.).

(TR)