1969 wurden in Niedersachsen das erste Naturwaldreservat (= Naturwald) ausgewiesen. Mittlerweile gibt es in diesem Bundesland 106 Naturwälder. Sie liefern interessante und in der Praxis verwertbare Erkenntnisse für den naturnahen Waldbau und geben unter anderem Aufschluss über Wuchsdynamik und Verjüngungsverhalten der heimischen Baumarten, insbesondere der Eiche und Buche, sowie über den Aufbau eines Totholzvorrates, der der Arten- und Strukturvielfalt der Wälder angemessen ist.
Rückläufer – kein Platz für die Eiche?
Der Buchenanteil nahm in fast allen Naturwäldern nach der Aufgabe der forstlichen Nutzung auf Kosten der Eiche mehr oder weniger deutlich zu. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zum einen Eichen aus dem Kronenraum der Buchen verdrängt werden, und zum anderen auf die Eichen-Komplexkrankheit, die den Eichenanteil erheblich verringert.
Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Eiche überhaupt eine natürliche Rolle in Nordwestdeutschland spielt. Sicherlich wurde die Standortsamplitude, auf der die Buche zur Dominanz gelangen kann, deutlich unterschätzt. Allerdings wäre vor allem das nordwestdeutsche Tiefland ohne die massiven Entwässerungen der letzten Jahrzehnte stark grundwasserbeeinflusst. Einige wenige grundwasserbeeinflusste Naturwälder mit noch weitgehend intaktem Wasserhaushalt gibt es noch. Dort sterben die Buchen immer wieder nach länger anhaltenden Überstauungen ab. Die Eichen zeigen sich von diesen Extremen unbeeindruckt. Wahrscheinlich kann man von zeitlich stark schwankenden Buchenanteilen ausgehen. Es deutet also darauf hin, dass bei einem naturnahen Wasserhaushalt im nordwestdeutschen Tiefland nennenswerte Flächen Ausschlussgebiete für die Buche wären.
Allerdings sind erfolgreiche Eichen-Naturverjüngungen in grundwasserbeeinflussten Naturwäldern nicht zu beobachten. Das ist auch für urwaldähnliche Wälder typisch. Eichenjungpflanzen können sich offenbar nicht durchsetzen, weil in reicheren Eichenmischbeständen die Schattbaumarten Buche, Linde oder Hainbuche allgegenwärtig sind. Eine Verjüngung scheint nur dann möglich zu sein, wenn größere Störungen bei fehlender Vorausverjüngung der Schattbaumarten mit Mastjahren der Eiche zusammenfallen.
Es bleibt fraglich, ob die Eiche ihren gegenwärtigen Mischungsanteil auch dann auf wasserbeeinflussten Standorten erreicht hätte, wenn der Mensch nicht eingewirkt hätte. Ihre Standortsamplitude reicht auf jeden Fall weiter in den nassen Bereich als die der Buche. Deshalb ist sie nach wie vor die Wahl auf grundwassernahen Standorten.
Eine erfolgreiche Eichen-Naturverjüngung findet sich dagegen häufig in Kiefern-Naturwäldern. Die Eiche erweist sich hier als ausbreitungsstarke und verjüngungsfreudige Baumart. Dafür darf aber der Wildverbiss nicht zu übermäßig sein (Abb. 1). Auch die Buche drängt auf diese Standorte vor, allerdings mit deutlich geringerer Geschwindigkeit, da ihr der Samentransporteur Eichelhäher fehlt.
Es gibt als sehr wohl zeitlich wie standörtlich bestimmte Nischen für die einheimischen Eichenarten in der natürlichen Waldvegetation des nordwestdeutschen Tieflandes.
Der Buchenwald – ein Schweizer Käse?
Beim ersten Blick auf Luftbilder von Buchen-Naturwäldern fällt, verglichen mit dem umgebenden Wirtschaftswald, der dichte Kronenschluss auf. In diesen dicht geschlossenen Bestand sind scharf abgegrenzte Lücken und Löcher eingesprengt. Damit erinnert die Textur der Buchen-Naturwälder an einen Schweizer Käse.
Selbst starke Stürme reißen nur kleine Lücken in das Kronendach. Überwiegend wurden an einer Stelle nur bis zu drei Bäume geworfen oder gebrochen. Dann stellen die 150 bis 180 Jahre alten Buchen ihre Reaktionsfähigkeit unter Beweis und das Kronendach schließt sich wieder. Dadurch verschlechtern sich die Lebensbedingungen für die einsetzende Verjüngung zunehmend.
Die Verjüngung setzt auf mittleren bis armen Standorten erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung nach der Lückenbildung ein. Das liegt im wesentlichen daran, dass Störereignisse und Samenjahre nicht gleichzeitig eintreten. Auf mittleren Standorten verhindert dann häufig eine üppige krautige Vegetation für zehn bis zwanzig Jahre, dass sich eine geschlossene Gehölzverjüngung etablieren kann. Auf armen Standorten mit mächtigen Rohhumusauflagen bleiben die Lücken auch nach mehr als 30 Jahren ohne Gehölzaufwuchs (Abb. 2), weil die Keimlinge vermutlich immer wieder in den Humuspaketen vertrocknen.
Auf reichen Standorten dagegen gibt es einen ständigen Vorrat an jungen Eschen und Ahornen, die sich unmittelbar im Anschluss an die Störung entwickeln. Im gleichen Zeitraum, in dem auf armen Standorten lediglich zaghafte Ansätze einer Verjüngung zu sehen sind, hat sich auf den nährstoffreichen Flächen bereits ein Stangenholz gebildet. Das bestätigt die entscheidende Bedeutung der Vorausverjüngung für die Reaktionsfähigkeit des Waldes auf Störungen. Übertragen in den Waldbau heißt das, dass eine gestreckte Endnutzung und ein langer Verjüngungszeitraum eine erfolgreiche Naturverjüngung in Buchenwäldern garantieren.
Inseln aus altem und totem Holz
Stehenbleibende Altholzinseln und das Belassen von Totholz ist ein Beitrag zur Sicherung der Arten- und Strukturvielfalt in unseren Wäldern. Fraglich ist, ob in den Wirtschaftswäldern Totholz aktiv geschaffen werden sollte. Untersuchungen in den Naturwäldern haben ergeben, dass der Totholzaufbau in Buchen- und Buchen-Eichenwäldern recht rapide verläuft. Pro Jahr und Hektar erhöht sich die Totholzmenge um circa einen Festmeter. Nach 20 bis 30 Jahren werden also Mengen erreicht, die im Bereich der Schwellenwerte für das Vorkommen gefährdeter Arten liegen. Das meiste Totholz entsteht durch biotische oder abiotische Schäden.
Werden also im Wirtschaftswald die Resultate der Störereignisse stehen und liegen gelassen, baut sich mittelfristig eine signifikante Totholzmenge auf. Eine weitere Quelle sind die Erntereste. Anlass für die aktive Schaffung von Totholz dürfte es nur in Ausnahmefällen geben.