Maßvolle Beschattung wichtig
Abb. 2: Bachrandstreifen werden durch Entnahme von Fichten aufgelichtet und in der Folge mit standortsangepassten Laubgehölzen bepflanzt.
Bei kleinen Fließgewässern mit einer Sohlbreite bis etwa 5 Meter ist die Wirkung der ufernahen Bäume auf das Gewässer groß. Die Beschattung z.B. führt zu einer herabgesetzten Erwärmung während des Tages und damit zu einer besseren Löslichkeit von Sauerstoff, so dass Wassertiere und -pflanzen an beschatteten Gewässern in der Regel nicht unter Sauerstoffmangel leiden. Da die Sonneneinstrahlung vermindert ist, verkrautet der Bachlauf nur wenig, womit auch eine Steigerung der Selbstreinigungsleistung eines Gewässers einhergeht. Stark beschattender Bewuchs kann sich aber auch nachteilig auswirken, vor allem in dichten Fichtenbeständen, in denen der Lichteinfall bis auf 10 % des Freilandwertes absinkt: Kiesel-, Grün- und Blaualgen auf Steinen und Geröllen an der Bachsohle entwickeln sich kaum, was zur Folge hat, dass auch die Fliesswassertiere (z.B. Eintagsfliegen), die sich vom Algenaufwuchs ernähren, stark zurückgehen.
Barrierewirkung von dichten Fichtenbeständen
Zahlreiche an Fließgewässer gebundene Insektenarten durchlaufen einen Lebenszyklus, der im Wasser beginnt (Ei, Larvenstadien) und als Fluginsekt endet. Während der Lebensphase im Wasser werden die Tiere allmählich, bei Hochwasser auch schlagartig talwärts davongetragen, sie "verdriften". Viele fertig entwickelte Insekten gleichen diese Drift durch einen bachaufwärts führenden Kompensationsflug aus, damit die Eiablage wieder in oberliegenden Gewässerabschnitten erfolgen kann. Gleichaltrige, dicht geschlossene Fichtenreinbestände, insbesondere zwischen 15 und etwa 45 Jahren, behindern verschiedene Insektenarten bei diesem Kompensationsflug. Als Ursachen werden angenommen: Sichthindernisse in Folge dichter Nadelholzbestände, klimatische Barrieren auf Grund tieferer Lufttemperaturen als im Laubwald, dichter Fichtenbewuchs verhindert eine Orientierung am abendlichen Talwind. Derartige Hindernisse betreffen vor allem Arten mit geringen Ausbreitungsdistanzen und enger Bindung an das Gewässer wie z.B. viele Eintagsfliegen- und einzelne Köcherfliegenarten. Für sehr mobile Arten (z.B. Libellen) spielen diese Barriereeffekte eine geringere Rolle.
Nadelstreu nachteilig für Nahrstoffsituation im Gewässer
Die pflanzliche Biomasseproduktion im Fließgewässer selbst ist normalerweise gering, so dass eine begrenzte Nährstoffzufuhr von außen für die Funktionsfähigkeit des Ökosystems wichtig ist. Zwar stellt die gesamte Ufervegetation (Bäume, Sträucher, Krautschicht) eine bedeutende Nährstoffquelle für die Lebensgemeinschaften von Fließgewässern dar, organische Substanz aber gelangt vor allem in Form von Laub ins Gewässer. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem Eintrag von Nadelstreu und von Blättern: In Mittelgebirgsbächen z.B. beträgt der Bestand der Bachflohkrebse als Blattzerkleinerer dort, wo Fichten die Uferbestockung bilden, weniger als ein Fünftel des Bestandes der von Laubholz gesäumten Abschnitte. Die Ursache ist Nahrungsmangel: Nadelstreu wird von Mikroorganismen oft nur schlecht aufgeschlossen und ist dann für Blattzerkleinerer schwer angreifbar. Beispiele aus der Literatur zeigen, dass sich neben dem Ausbaugrad eines Gewässers das Vorhandensein von gewässernahem Erlenbewuchs auf die Besiedelung durch Gewässerorganismen auswirkt: Während in einem technisch ausgebauten Bach ohne Bäume nur rund 50 Arten bzw. 1.000 Individuen je m2 vorkommen, sind es in einem Waldbach mit Erlenzone rund 600 Arten bzw. 12.000 Individuen!
Maßnahmen
Aus gewässerökologischer Sicht sollten Fichten, die sicherlich keine geeigneten Bäume für Standorte mit hoch anstehendem Grundwasser bzw. zeitweiliger Überflutung sind, im Zuge von Durchforstungen aus dem Uferbereich der Waldbäche entfernt werden. Besonders bei den dicht geschlossenen, jungen und mittelalten Reinbeständen, die massive Besiedelungs- und Ausbreitungshindernisse für die Kleinlebewesen der Fließgewässer sind, sollten die unmittelbar am Ufer stehenden Fichten ganz entfernt werden. Sind die typischen Laubholzarten wie Schwarzerle, Esche, Traubenkirsche, Baum- und Strauchweiden entlang des Gewässers bzw. in der Aue vorhanden, können diese gezielt von den umstehenden Fichten freigestellt werden. Werden dagegen Fichten auf einem längeren Abschnitt (>50 m) in Form eines 5–10 m breiten Streifen links und rechts des Gewässers komplett geräumt, sollte eine Folgebestockung aus Pflanzung oder Stecklingsvermehrung vorgesehen werden. Die natürliche Verjüngung der erwünschten Laubbäume scheitert leider oft an fehlenden Samenbäumen und an der sich rasch entwickelnden krautigen Ufervegetation, die eine natürliche Ansamung von Laubbäumen beinahe unmöglich macht.