Die Entwicklung erlenreicher Bachwälder im Rahmen der naturnahen Waldwirtschaft
Ziel der naturnahen Waldwirtschaft sind stabile, naturnah zusammengesetzte und aufgebaute Mischwälder, die überwiegend aus Naturverjüngung entstehen. Waldbaulich Konzepte gründen sich auf eine möglichst weitgehende Ausnutzung natürlicher Abläufe und Selbststeuerungsmechanismen und waldbauliche Maßnahmen beschränken sich auf lenkende Eingriffe.
Lässt sich dieser Ansatz des in Baden-Württemberg geltenden Konzepts der Naturnahen Waldwirtschaft auf die Entwicklung der Waldvegetation von Bachauen kleiner und mitttlerer Fliessgewässer in unseren Mittelgebirgen anwenden? Schwerpunkt einer Untersuchung bildete das Ausbreitungs- und Verjüngungsverhalten der Schwarzerle (Alnus glutinosa).
Bedeutung des Grundwassers für erlenreiche Bachwälder
Abb. 2: Einjähriger Erlensämling auf Totholz.
Standorte erlenreicher Auwaldgesellschaften sind gekennzeichnet durch:
- geringe bis mäßige Grundwasserschwankungen
- Grundwasserspiegel ist über lange Zeit des Jahres in der Nähe der Geländeoberfläche
- Standorte sind nur kurzzeitig und sehr flach überflutet, bzw. überflutungsfrei
- Im Sommer nur geringfügige und kurzzeitige Austrocknung des Oberbodens
Standorte erlenreicher Auwaldgesellschaften sind gefährdet durch:
- mehrfaches starkes Absinken der sommerlichen Grundwasserflurabstände (>8-15 dm)
- Grundwasser erreicht im Winter und Frühjahr Geländeoberfläche nicht mehr
- fehlende Überflutungen (vor allem Hainmieren-Schwarzerlen-Auwald)
Verjüngung auf kleinen Störungsflächen
In einem Freilandversuch wurden Saaten mit Schwarzerle auf kleinen Störungsflächen durchgeführt. Die Versuche sollten zeigen, ob sich die Schwarzerle, die sich am besten auf nahezu vegetationsfreien Flächen verjüngt, auch auf Störungsflächen unter 1 qm erfolgreich etabliert. Solche Flächen wurden in einer Bachaue mit vorhandenen bzw. potenziellen Standorten des Hainmieren-Schwarzerlen-Auwalds angelegt und zwar in einem rd. 40jährigen Fichten-Bestand nach starker Durchforstung (Var. "Fichten-Feld"), unter dem Schirm eines ebenfalls ca. 40jährigen Schwarzerlen-Bestands ( Var. "Erlen-Feld") und auf einer mit einer Mädesüß-Gesellschaft dicht bewachsenen Hochstauden-Fläche (Var. "Hochstauden-Feld", Abb. 2).
Ausbreitung der Schwarzerle
Abb. 3: Angeschwemmte Erlensamen.
Ausbreitung mittels schwimmender Diasporen
- mit ihrem speziell ausgebildeten Korkgewebe sind die Nüsschen der Schwarzerle bis zu 12 Monate schwimmfähig
- vegetativ vermehrungsfähige Pflanzenteile wie Äste werden z.B. durch Hochwasser verbreitet
>> sehr hohe Transport- und Ausbreitungsleistung beim "Abwärtswandern"
Ausbreitung durch Wind
- Die Samen besitzen keine besondere Anpassung an Windverbreitung
- duch Windverbreitung überbrückte Distanzen betragen selten mehr als 100m
>> geringe Transport- und Ausbreitungsleistung bei ungerichteter Ausbreitung durch Wind
Ausbreitung durch Tiere
- vor allem durch Vögel und Säugetiere
- Transport an der Körperoberfläche
- Transport zu Nahrungszwecken
>> sehr geringe Transport- aber sehr hohe Ausbreitungsleistung (Ausbreitungssprünge über viele km) bei ungerichteter Ausbreitung durch Tiere
Abb. 4: Trichterfallen zur Bestimmung der Windausbreitungsleistung.
Ergebnisse
Die Ausbreitung und Verjüngung der Schwarzerle entlang kleiner und mittlerer Fiessgewässer und damit die Möglichkeit, hier Bestände aus Schwarzerle mit Naturverjüngung zu erhalten, hängt von einem ganzen Komplex von Faktoren ab:
- Für die natürliche Ausbreitung ist günstig, wenn möglichst autochthone Altbestände vor allem in den Oberläufen vorkommen, da die Ausbreitung am effizientesten mittels der gut schimmfähigen Samen durch "Abwärtswandern" erfolgt. Bestände im Oberlauf sind daher zu erhalten.
- Die Wahrscheinlichkeit des Einwanderns der Schwarzerle in Oberläufe oder Täler, wo sie nicht mehr verbreitet ist, ist eher gering. Ausbreitungssprünge können praktisch nur duch Tiere erfolgen, da der Samen durch Windverbreitung selten weiter als 100m getragen wird. Hier ist unter Umständen Pflanzung notwendig.
- Für eine erfolgreiche Keimung ist die Schwarzerle auf weitgehend vegetationsfreie Flächen angewiesen, wobei auch noch relativ kleine Störungsflächen besiedelt werden können. Vegetationsfreie Flächen entstehen aber nur an Fliessgewässern mit ausreichender Dynamik, d. h. es findet Bodenabtrag und -umlagerung und eine regelmäßige Überflutung der Aue statt.
- Dauerhaft kann sich die Schwarzerle nur auf grundwasserbeeinflussten Standorten halten. Diese gehören zu den Prioritären Lebensräumen im Sinne der FFH-Richtlinie. Sich natürlich verjüngende schwarzerlenreiche Waldgesellschaften sind an diese Lebensräume eng gebunden.