Der Erhalt und die Sicherung der Biodiversität sind in aller Munde. Im Biotopverbund als elementarer und aktuell am meisten bedrohter Teilbereich wird eine zentrale Lösung für den Artenschwund und waldökologischen Funktionsverlust gesehen. Auch bei Veränderungen der Umweltbedingungen wie dem Klimawandel soll der Biotopverbund die Anpassungsfähigkeit von Populationen erhalten. Im folgenden Beitrag wird der Generalwildwegeplan Baden-Württemberg als Beispiel für einen landesweiten Biotopverbund vorgestellt. Insbesondere wird dabei auf Möglichkeiten der Umsetzung und die Rolle verschiedener Akteure eingegangen.

Was macht ein Biotopverbund notwendig?

Die Notwendigkeit eines Biotopverbunds resultiert aus der Landschaftsfragmentierung, welche in Baden-Württemberg, wie auch in weiten Teilen Mitteleuropas, immer neue Höchststände erreicht. Dies gilt sogar im globalen Vergleich (z. B. Jäger et al 2007). Dazu tragen unter anderem Siedlungsflächen, die zu dichten Siedlungsbändern zusammenwachsen, intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzungsformen sowie viele weitere Formen naturferner Flächeninanspruchnahme bei. Wie keine andere Nutzung steht aber die Intensivierung des Verkehrs synonym für die Landschaftsfragmentierung: Innerhalb nicht mal eines Jahrhunderts wurde aus einem praktisch ökologisch vollständig durchlässigen Wege- und Straßennetz – Tiergespanne waren zu dieser Zeit die üblichen Transportmittel – breit asphaltierte Straßen für sehr hohe Fahrgeschwindigkeiten und Verkehrsdichten entwickelt. Mit 98.000.000.000 Fahrzeugkilometern wurde 2011 ein neuer Straßenbenutzungsrekord in Baden-Württemberg markiert (Statistisches Landesamt BW). Auf die Landesfläche übertragen bedeutet das, dass jeder Quadratkilometer pro Minute durchschnittlich fünfmal von einem Fahrzeug umrundet wird. So ein Straßennetz kann selbst von mobilen Tieren nur noch mit einem hohen Mortalitätsrisiko beziehungsweise von vielen Arten physisch gar nicht mehr überwunden werden. Zahlreichen Wäldern und deren Artengemeinschaften droht in der Folge zunehmend die Isolation.

Entwicklung des Generalwildwegeplans

Wäldern kommt in Baden-Württemberg aus vielen Gründen eine besondere Bedeutung für den Naturschutz zu, unter anderem allein schon deswegen, weil sie mit rund 38 Prozent einen hohen Anteil der Landesfläche bedecken. Der Wald ist jedoch nicht gleichmäßig verteilt: so findet sich beispielsweise mit dem Schwarzwald Deutschlands größte zusammenhängende Waldfläche in Nachbarschaft zu stark fragmentierten, kleinen Waldresten in der Oberrheinebene. Dies galt es bei der Erstellung des "Generalwildwegeplans" (GWP) genauso zu berücksichtigen wie auch der vom Bundesnaturschutzgesetz geforderte länderübergreifende Ansatz. In Baden-Württemberg betrifft dies nicht nur andere Bundesländer, sondern mit Frankreich und der Schweiz lange Außengrenzen zu zwei benachbarten Staaten.

Insgesamt weist der GWP für Baden-Württemberg ein Netz von Wildtierkorridoren mit einer Gesamtlänge von rund 3500 km aus. Im Vergleich entspricht dies gerade einmal einem Zehntel des überörtlichen Straßennetzes und weist bei einer ökologisch noch funktionalen Mindestbreite der Korridore von 1000 m annähernd 10 % der Landesfläche diese Funktion zu. Davon sind wiederum 80 % bereits durch Wald und Schutzgebiete bedeckt. Die Wildtierkorridore, welche als lineare Verbindungselemente die ökologischen Funktionsbeziehungen innerhalb und zwischen Waldflächen darstellen, sind hinsichtlich ihrer maßstäblichen Bedeutung in landesweit, national und international bedeutsame Korridore klassifiziert. National und international klassifizierte Korridore sind darüber hinaus Teil der Raumkulisse des bundesweiten und damit eines kohärenten paneuropäischen ökologischen Netzes (Bundesamt für Naturschutz).

Verankerung

Der GWP ist ein durch die Forstverwaltung Baden-Württemberg bereits vor der Waldnaturschutzstrategie eingeführtes Naturschutzinstrument mit einem hohen funktionalen Querschnitt zu anderen Schutzzielen und Funktionen sowohl im Wald als auch in anderen Ökosystemen. Er wurde 2010 vom Land verabschiedet und bildet den landesweiten Biotopverbund für waldassoziierte Großsäuger und der Wälder in Baden-Württemberg ab. Zusammen mit dem Biotopverbund Offenland für die Anspruchstypen trockener, mittlerer und feuchter Standorte in der Zuständigkeit der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) bildet der GWP inzwischen seit 2012 den ebenfalls vom Kabinett verabschiedeten Fachplan "Landesweiter Biotopverbund". Der Name Generalwildwegeplan nimmt dabei Bezug auf den "Generalverkehrswegeplan" des Landes. Damit ist die Straßenbauverwaltung als ein bedeutender Verursacher von Lebensraumfragmentierung und als wichtiger Akteur bei der Wiedervernetzung angesprochen.

Auf die vielfältig gravierenden ökologischen Auswirkungen der Lebensraumfragmentierung, die häufig zunächst unbemerkt zu einem Biodiversitätsverlust führen, hat die Forstverwaltung in Baden-Württemberg bereits 2007 mit der Beauftragung der FVA zur Entwicklung dieser wissenschaftlich fundierten Fachplanung reagiert. Das erste Ergebnis dieser Entwicklung war, dass 2010 erstmals in der BRD ein Landeskabinett einen Fachplan zum überregionalen Bioptopverbund verabschiedete. Der Beschluss sieht unter anderem eine verbindliche Abwägung und Berücksichtigung der Funktionen des GWP bei Eingriffen und anderen übergeordneten Planungen vor. Mittlerweile ist der GWP auch im neuen Jagd- und Wildtiermanagement-Gesetz (JWMG) verankert, das zum 1.4.2015 in Kraft tritt.

Wiedervernetzungsbedarf

Die aktuelle Funktionalität der Korridore, das heißt vor allem ihre Durchlässigkeit für Arten beziehungsweise Artenkollektive um großräumige Wanderbewegungen zu ermöglichen, ist sehr verschieden. Aktuell gibt es selbst in Bezug auf mobile Arten deutlich mehr beeinträchtigte oder gar unterbrochene Korridore als funktional wirksame. Dies wird schon in einem Abgleich der räumlichen Kulissen zwischen Wildtierkorridoren und Verkehrsnetz deutlich, welcher auch zur Priorisierung des Wiedervernetzungsbedarfs an Straßen dient. Dazu wurden im Verkehrsnetz nur außerörtliche Straßen mit einem durchschnittlichen täglichen Verkehrsaufkommen (DTV) von mindestens 5000 Fahrzeugen/Tag sowie zweigleisige elektrifizierte Gleisstrecken berücksichtigt. Bei diesen ist eine starke Beeinträchtigung ökologischer Funktionsbeziehungen sicher nachgewiesen. Insgesamt sind von 264 im GWP dargestellten Korridoren 163 (62 %) vom überregionalen Verkehrsnetz in diesem Sinne betroffen, viele Korridore sogar mehrfach. Daher gibt es 413 Straßen- und Gleisabschnitte mit einer hohen Relevanz für eine Wiedervernetzung. Von diesen haben 86 höchste Priorität – das sind die wichtigsten Kreuzungsstellen zwischen stark belasteten Straßen und international/national bedeutsamen Korridoren. Weiterhin sind 31 Engstellen ermittelt worden, bei denen ein Zusammenwachsen von dicht beieinander liegenden Siedlungsflächen zu durchgängigen Siedlungsbändern einen Korridor gänzlich unterbrechen.

Umsetzung

In Baden-Württemberg sind je nach fachlicher und räumlicher Zuständigkeit verschiedene Ressorts und administrative Ebenen durch Vorgaben des Landes zur Berücksichtigung, beziehungsweise auch zur Anlage von Wiedervernetzungsmaßnahmen, aufgefordert. Zur Erreichung dieses Ziels erfolgte neben den für das Bundesgebiet bisher einmaligen Kabinettsbeschlüssen in Baden-Württemberg eine Aufnahme des Generalwildwegeplans in

  • die Landesnaturschutzstrategie,
  • den Windkrafterlass,
  • das novellierte Jagd- und Wildtiermanagementgesetz.

In der praktischen Umsetzung treten dabei häufig sehr komplexe ökologische und technische Fragestellungen auf. Darüber hinaus sollen die Maßnahmen langfristig wirken, einen möglichst geringen Pflegeaufwand verursachen und mit möglichst vielen menschlichen Nutzungsanforderungen kompatibel sein. Um dafür fachlich fundierte und funktionale Lösungen zu finden, ist durch die Landesforstverwaltung an der FVA innerhalb der Abt. Waldnaturschutz im Arbeitsbereich Wildtierökologie dauerhaft eine landesweite, zentrale Fachstelle zur Unterstützung der Umsetzung, der Erfolgskontrolle von Maßnahmen und der forschungsbasierten Weiterentwicklung des GWP eingerichtet worden. Dies ist dadurch begründet, dass der Arbeitsbereich Wildtierökologie einerseits konzeptionell-wissenschaftlich an der Entwicklung des GWP gearbeitet hat und andererseits ein umfangreiches Expertenwissen und ein Netzwerk (national, international) aufgebaut hat.

Fachliche Einschätzungen zur Eingriffsbewältigung bzw. zur Aufstellung oder Fortschreibung von behördlichen Fachplänen (z. B. Regionalpläne) sowie die Beratung von und Abstimmung mit anderen Fachbehörden bestimmt derzeit einen Großteil dieser Tätigkeit. Damit kann vielerorts die Funktionalität der Wildtierkorridore zumindest auf ihrem derzeitigen Niveau stabilisiert werden. Wenn die Funktionalität auch in vielen Fällen nicht optimal ist, kann zumindest dafür gesorgt werden, dass keine weiteren Verschlechterungen eintreten. Der Biotopverbund kann aber insgesamt lediglich im Rahmen sehr enger Grenzen verbessert beziehungsweise überhaupt erst entwickelt werden. Deswegen wirkt die FVA intensiv bei der Erarbeitung von fachlichen Standards und Regelwerken in bundesweit aufgestellten Facharbeitskreisen mit. Diese bieten die Möglichkeit einer hohen Operationalisierung von notwendigen Maßnahmen in Standardsituationen. Unbestritten stellt die eigene Forschungstätigkeit an der FVA eine wichtige Grundlage dar, ohne die eine Beratungsleistung durch die FVA selbst undenkbar wäre. Zentrale Themen mit Blick auf den GWP sind dabei vor allem die Wirksamkeit einzelner Wiedervernetzungsmaßnahmen (z. B. Grünbrücken oder spezifische Waldstrukturen) beziehungsweise komplexer Maßnahmenbündel, wie sie für Korridorabschnitte eher typisch sind. Eine an ökologischen Erfordernissen, Artvorkommen und Kosteneffizienz orientierte funktionale Gestaltung ganzer Korridore (Sanierung) erachten die Wissenschaftler an der FVA aus fachlicher Sicht als erfolgreichere Umsetzungsstrategie, statt wie aktuell Wiedervernetzungsmaßnahmen überwiegend im Zusammenhang von Eingriffen zu implementieren.

Speziell die Berücksichtigung mehrerer teils konkurrierender ökologischer Anspruchstypen ließe sich so im Sinne eines umfassenden Biodiversitätsgedankens nachhaltiger berücksichtigen. Wie ein ganzer Korridor gesichert und entwickelt werden kann möchte die FVA gemeinsam mit Partnern demnächst in einem Modellprojekt "Grenzüberschreitende Korridore am Hochrhein" mit Unterstützung des Bundes durchführen. Dabei sollen die letzten Verbindungsmöglichkeiten zwischen Schweizer Jura und Schwarzwald in der Hochrheinregion funktional erhalten, gesichert und entwickelt werden. Eine wissenschaftliche Begleituntersuchung soll die Effizienz der Maßnahmen prüfen.

Das Bundeswiedervernetzungsprogramm in Baden-Württemberg

Ein Baustein zur Umsetzung des GWP ist das in Baden-Württemberg bereits in Umsetzung befindliche Bundesprogramm Wiedervernetzung, bei dem sich von insgesamt 96 prioritären Wiedervernetzungsmaßnahmen in ganz Deutschland 12 auf Wildtierkorridore des GWP in Baden-Württemberg beziehen. Das Programm ist eine freiwillige Leistung der Straßenbauverwaltung ohne rechtsverbindlichen Anspruch darauf und sieht eine Entschneidung an bestehenden Straßen auf der Grundlage einer ökologischen Priorisierung vor. Planung, Bau, Anlage sowie Erhalt der Maßnahmen (voraussichtlich ausschließlich Grünbrücken), erfolgt durch die Straßenbauverwaltung. Die lokale Verortung sowie die Gestaltungsgrundsätze der Bauwerke werden jedoch in enger Zusammenarbeit mit den Experten an der FVA abgestimmt, um eine hohe Funktionalität sicher zu stellen. Die Grünbrücke an der A7 bei Heidenheim, welche auf der Schwäbischen Alb zwischen den Waldflächen im Albuch und dem Härtsfeld vermittelt, ist die erste in Baden-Württemberg so aus dem Bundesprogramm Wiedervernetzung realisierte Maßnahme, weitere sind in Vorbereitung. Auch in vielen weiteren Sachfragen hat sich eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Forstverwaltung, FVA und Straßenbauverwaltung zur Umsetzung des GWP entwickelt.

Ausblick

Bei der Umsetzung des GWP spielen neben der Forst- und Straßenbauverwaltung noch zahlreiche weitere Behörden als auch anerkannte Naturschutzverbände eine entscheidende Rolle. Und nicht zuletzt sind auch einvernehmliche Lösungen mit den Landeignern und -nutzern zu suchen. Nur eine gemeinsame Allianz aller Beteiligten und Betroffenen kann mittel- bis langfristig wieder einen großräumigen funktionalen ökologischen Verbund ermöglichen. Handlungsfelder gibt es dabei zahlreiche. Aus Sicht der Fachleute an der FVA sind modellhafte regionale Umsetzungsbeispiele enorm wichtig und eine gute Möglichkeit sowohl Forschung, Transfer und Praxis miteinander zu verbinden.

Hinsichtlich einer ökonomischen Effizienz bei der Umsetzung sollten zudem landesweit vorhandene Bauwerke im Verkehrsnetz mit Eignung als Tierquerungshilfe, beispielsweise Talbrücken, Wirtschaftswege- oder Gewässerunterführungen, systematisch evaluiert und optimiert werden. Solche Bauwerke könnten gegebenenfalls mit geringfügigen Mitteln für viele Tierarten nutzbar gemacht werden und ständen in größerer Zahl sofort zur Verfügung. Dies macht entweder neue spezielle Tierquerungshilfen überflüssig oder verbessert die Funktionalität von Korridoren zusätzlich. Im Bereich des Forstbetriebs sollen Korridore verstärkt als Waldfunktion etabliert werden, welche dann zum Beispiel über die Forsteinrichtung besser berücksichtigt werden können. Vor allem besteht aber neben der erfolgs- und problemorientierten wissenschaftlichen Überprüfung einzelner Wiedervernetzungsmaßnahmen ein elementarer Bedarf an der zeitnahen Etablierung eines wissenschaftlichen Monitorings auf der Populationsebene ausgewählter großräumig verbreiteter Arten. Erst dann kann belastbar über den Erfolg der Wiedervernetzung entschieden werden.

Literatur

  • Jaeger, J. A. G.; Schwarz-von Raumer, H.-G.; Esswein, H.; Müller, M.; Schmidt-Lüttmann, M. (2007): Time series of landscape fragmentation caused by transportation infrastructure and urban development: a case study from Baden-Württemberg, Germany. Ecology and Society 12(1): 22.