Die Schlingnatter lebt sehr diskret. Sie bewegt sich meist im Schutz von Altgras, Sträuchern und Steinen. Vorzügliche Lebensräume bilden Säume im Übergangsbereich von Trockenwiesen und -weiden zu Hecken und Waldrändern. Hier findet die ungiftige Schlange ihre Beute, vor allem Eidechsen und Blindschleichen. Gerne nutzt sie auch angrenzende, mit Geröll und Felsen durchsetzte Wälder. Mit dem Schutz der Trockenwiesen und -weiden ist der Lebensraum dieser anspruchsvollen Art somit noch nicht ausreichend gesichert.

Ähnlich ergeht es anderen Reptilien und vielen Schmetterlingen. Sie sind auf halb offene Landschaften angewiesen, verbringen ihr Leben teils auf Wiesen und Weiden, teils in sonnigen Wäldern sowie im Übergangsbereich. Und damit haben sie in der Schweiz ausserhalb des Berggebietes ein Problem. Der Nutzungswandel im Waldareal hat die geeigneten Waldbiotope - Niederwälder, Mittelwälder, Wytweiden - zum Verschwinden gebracht. Nachkartierungen in den Exkursionsgebieten, die Friedrich Ris in den Jahren 1917 bis 1930 für sein entomologisches Tagebuch beging, dokumentieren vor allem im Mittelland eine starke Abnahme der Arten- und Individuenzahlen.

Mehr seltene Tagfalter auf dem Randen

Das Tagfalterprojekt im Schaffhauser Randengebiet gibt hier Gegensteuer. Dank Entbuschung von eingewachsenem Grünland sowie massiver Auflichtungen des Waldes an geeigneten Standorten haben hier viele Schmetterlinge wieder eine Chance. Zum Beispiel der Baumweissling und der Brombeerzipfelfalter. Ersterer besiedelt in der Schweiz halb offenes Kulturland mit blütenreichen Wiesen, Hecken und lockerem Baumbestand in trockenwarmen Gebieten, Letzterer Buschlandschaften am Rand von Trockenwiesen oder an Waldrändern. Beide sind ausserhalb der Alpen sehr selten geworden. Die Zeichen stehen gut, dass sich die Restvorkommen auf dem Randen erholen und vergrössern können.

Gemeinde und Bevölkerung von Merishausen SH machen mit. Seit dem Ersteingriff 1991/92 pflegt Gemeindeförster Hanspeter Schudel mit seiner Equipe die Fläche an der "Stofflenhalde". "Für unsere Leute ist die Pflege des rund vier Hektaren grossen Gebietes eine Bereicherung ", berichtet er. "Die Arbeit zur Förderung der Artenvielfalt ist eine Abwechslung und wird gern gemacht, auch wenn sie wegen der steinigen Steilhänge anstrengend ist."

Hanspeter Schudel hat im Laufe der Zeit eine Sensibilisierung aller Beteiligten für Anliegen und Aufgaben der gezielten Artenförderung festgestellt. Gemäss Pflegekonzept des Kreisforstamtes werden die halb offenen Teilflächen in ein- bis vierjährigem Rhythmus mit der Motorsense gemäht. Die Abgeltung dieser Leistung wird in einer Pflegevereinbarung mit dem Kanton festgehalten. "Die Rechnung geht auch finanziell auf", betont Hanspeter Schudel. Besonders schätzt er die Sicherheit dieser Einnahmen: Die Vereinbarung hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Noch etwas hat der Gemeindeförster festgestellt: "Es hat nicht nur mehr Schmetterlinge, auch Wandernde besuchen häufig das attraktive Gebiet."

Doppelnutzung durch Wald- und Landwirtschaft am Rophaien

Seit seiner Jugend steigt Josef Gisler vom Hof Oberaxen in Flüelen UR in die "Wildi" am 2078 Meter hohen Rophaien. Dort, im Bereich der Waldgrenze und weiter oben zwischen den Felsen, mäht er im Spätsommer Wildheu. Er mäht jeweils so viel, dass er sein Vieh gut durch den Winter bringt: in wüchsigen Jahren wenig, in trockenen Jahren wie 2003 grosse Flächen. Josef Gisler kann sich an die Zeit erinnern, als noch alle Bauern von Flüelen am Rophaien Heu und Streue ernteten. "Heute lohnt sich das kaum noch. Ich gehe aber gerne ins Wildheu. Aus Gewohnheit und Tradition, aber auch, weil es ein gesundes Futter abgibt."

Der Landwirt mäht auch Partien im lichten Föhrenwald und schafft somit eine für die Schweiz wahrscheinlich einmalige parkartige Landschaft. "Früher wurden die Wälder vor allem wegen der Streue gemäht. Das mit Seggen und Pfeifengras durchsetzte Schnittgut wurde mehrmals dem Regen ausgesetzt und dann im Stall eingestreut. Wenn es nach dem Schnitt sofort getrocknet und eingebracht wurde, eignete sich das Material nicht als Streue. Die Tiere haben es dann nämlich gefressen", erinnert er sich. Das Heu aus dem Wald sei qualitativ zwar weniger gut, aber "wenn ich gerade in den daneben liegenden offenen Hängen mähe, nehme ich auch das Wildheu aus dem Wald gerne mit."

Der Kanton Uri plant für das Gebiet ein Waldreservat. Neben der standorttypischen Abfolge der verschiedenen Waldgesellschaften vom Urnersee bis zur Waldgrenze soll auch die traditionelle Doppelnutzung erhalten werden. Eine andere Kombinationsform zwischen Wald- und Landwirtschaft bilden die bestockten Weiden im Sömmerungsgebiet des Urner Gruontals. "Wir möchten beide Nutzungsformen erhalten", sagt Kantonsförster Beat Annen. "Die im Waldentwicklungsplan definierte Vorrangfunktion Natur- und Landschaftsschutz bildet die planerische Grundlage dazu."

Wie viel Wald brauchen die Trockenwiesen und -weiden?

Eine Studie hat die für den TWW-Schutz relevante Waldfläche abgeschätzt. Es sind rund 9000 Hektaren-bei einer geschätzten Gesamtfläche national bedeutsamer Trockenwiesen und -weiden von 23'000 Hektaren. Die Fläche setzt sich zusammen aus:

  • 1500 Hektaren Wald bzw. offenem Wald innerhalb der Trockenwiesen und -weiden (inklusive Wytweiden)
  • 5000 Hektaren bzw. 1500 Kilometer angrenzendem Waldrand
  • 2500 Hektaren Förderfläche für den Artenschutz

Eine gezielte Lenkung der Fördermittel auf Waldflächen im Umgebungsbereich von Trockenwiesen und -weiden wird eine positive Dynamik zu Gunsten der vielen gefährdeten Arten halb offener Landschaften bringen.

Wytweiden – der Archetyp halb offener Landschaften

Im Rahmen des Projektes "Trockenwiesen und -weiden der Schweiz (TWW)" werden auch bestockte Weiden (Wytweiden) bis zu einem Baumanteil von 50 Prozent erhoben. Eine Analyse der aktuellen Daten zeigt, dass mindestens 300 Hektaren Wytweiden die Qualitätsschwelle des TWW-Inventars erreichen. Die meisten Flächen liegen im Neuenburger und Waadtländer Jura, in den Bündner und Walliser Alpen sowie im Tessin. Der Grund für die Gefährdung der Wytweiden besteht immer noch in der Nutzungsentflechtung: Intensive Weide ohne Bestockung auf der einen Seite, vollständiges Aufwachsen zu reinem Wald auf der anderen Seite nehmen der Landschaft ihr attraktives Gesicht und zerstören die Lebensgrundlage vieler Arten.

(TR)