Die 26 Schwerpunktreservate sind über ganz Bayern verteilt und decken die wichtigsten heimischen Waldgesellschaften ab (Abbildung 3). In diesen Reservaten werden auf den sogenannten “Repräsentationsflächen” regelmäßig wiederkehrende waldkundliche und waldökologische Aufnahmen durchgeführt. Eine Repräsentationsfläche ist in der Regel eine ein Hektar große, zumeist quadratische Fläche, deren vier Eckpunkte dauerhaft vermarkt sind. Innerhalb dieser Flächen werden nach standardisierten Methoden Daten zu den Waldstrukturen sowie zu ausgewählten waldrelevanten Artengruppen erhoben. Dazu zählen beispielsweise die Bodenvegetation sowie Pilze und im Holz lebende Käfer. Die Waldstrukturen werden auf diesem Hektar flächendeckend erfasst. Die Untersuchungen zu den Arten konzentrieren sich zumeist auf je sechs Probekreise bzw. sechs Fallen innerhalb der Repräsentationsfläche. Die Erfassung der Brutvögel wird auf größeren Flächeneinheiten, oftmals sogar auf der ganzen Naturwaldreservatsfläche, durchgeführt. Der Aufnahmeturnus für all diese Aufnahmen beträgt rund 10 Jahre.

Hohe Holzvorräte prägen die Repräsentationsflächen

Die Repräsentationsflächen wurden in den meisten Fällen Ende der 1970er Jahre angelegt, wobei überwiegend reifere Bestandesteile der Naturwaldreservate Berücksichtigung fanden. Seitdem haben sich in vielen Fällen hohe Holzvorräte im lebenden Bestand angesammelt und die Mengen an stehendem und liegendem Totholz sind angestiegen.

Hohe stehende Bestandesvorräte finden sich insbesondere in Buchenbeständen und buchenreichen Mischbeständen. Die Spitzenplätze bezogen auf den Bestandesvorrat nehmen dabei das NWR Hüttenhänge (144) im Oberpfälzer Wald (1.023 Vfm/ha), das NWR Krebswiese-Langerjergen (34) in Mittelschwaben (1.015 Vfm/ha) und das NWR Kalkberg (117) in der Rhön (971 Vfm/ha) ein (Abbildung 2a). Am unteren Ende liegt der Eichenmischwald des NWR Fasanerie (75) nördlich von München (300 Vfm/ha), in dem ein Großteil der bisher vorhandenen Eschen ausgefallen ist, und das Kiefernreservat Grenzweg (148) östlich von Nürnberg (211 Vfm/ha).

Die höchsten Totholzvorräte zeigen sich in den durch lokale Windwürfe geprägten Naturwaldreservaten Rehberg (95) im Bayerischen Wald und Brunnstube (121) im Steigerwald (je 200 m³/ha) (Abbildung 2b). Beachtliche Mengen an Totholz finden sich auch im NWR Leitenwies (98) bei Passau und Totengraben (68) bei Kreuth (je 179 m³/ha). Die Naturwaldreservate Hammerleite (52) im Frankenwald und Grenzweg (148) bei Nürnberg weisen hingegen mit 17 bzw. 10 m³/ha sehr niedrige Werte auf.

Waldbodenvegetation

Zur Erfassung der Waldbodenvegetation wurden innerhalb eines jeden Schwerpunktreservats sechs Vegetationsaufnahmen nach der Methode von Braun-Blanquet (1964) durchgeführt. Der Radius der kreisförmigen Aufnahmeflächen betrug dabei 10 Meter, was einer Probeflächengröße von jeweils 314 m² entspricht. Alle im jeweiligen Probekreis vorkommenden Arten von Gefäßpflanzen, Moosen und Flechten wurden bestimmt und aufgelistet. Ausgeschlossen blieben auf erkennbaren Sondersubstraten wie Totholz, Stubben, Wurzelanläufen/Stämmen und Steinen wachsende Arten. Für jede Art wurde ferner eine Angabe zur Menge (Deckung) auf der Aufnahmefläche gemacht. Diese Daten stellen eine wertvolle Grundlage dar, um für jedes Reservat Aussagen zur Artenzusammensetzung und Pflanzenartenvielfalt sowie zu den dort vorkommenden Waldgesellschaften treffen zu können. Die Erfassungen sind flächenscharf reproduzierbar, wodurch künftig Änderungen der floristischen Zusammensetzung aufgezeigt und – die Standortweiserfunktion der Vegetation nutzend – Hypothesen zu deren Ursachen aufgestellt werden können.

Insgesamt konnten die in den Schwerpunktreservaten durchgeführten Vegetationsaufnahmen zwölf verschiedenen Waldgesellschaften zugeordnet werden. Einen Überblick über die in jedem Reservat vorkommenden Waldgesellschaften gibt Abbildung 3. Die Bandbreite reicht dabei von Kiefernwäldern bodensaurer Standorte über Eichenmisch- und Edellaubbaumwälder bis hin zu den verschiedenen Buchenwaldgesellschaften. Die im Bereich der Bayerischen Alpen gelegenen Schwerpunktreservate waren durch Buchen- und Buchenmischwälder, Tannenwälder sowie subalpine Nadelwaldgesellschaften charakterisiert.

Über alle 156 Aufnahmeflächen (Probekreise) hinweg wurden insgesamt 262 Gefäßpflanzenarten sowie 92 Moos- und Flechtenarten dokumentiert. Die Artenzusammensetzung innerhalb der untersuchten Reservate war überwiegend naturnah. Gebietsfremde, nicht heimische Pflanzenarten spielten insgesamt kaum eine Rolle. Der einzige Neophyt, welcher öfter nachgewiesen werden konnte, war das Kleinblütige Springkraut, das auf insgesamt 17 Aufnahmeflächen anzutreffen war.

Die Diversität der einzelnen Aufnahmeflächen schwankte entsprechend der sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen hinsichtlich Bodenbeschaffenheit, Lage, Waldstruktur und Klima in sehr weitem Rahmen. So wies die artenärmste Fläche innerhalb der Kraut- und Moosschicht gerade einmal zwei Arten, die artenreichste Fläche hingegen 96 Arten auf. Im ersten Fall handelt es sich um einen dicht geschlossenen Buchen-Hallenbestand auf saurem Substrat (Luzulo luzuloidis-Fagetum) im Naturwaldreservat Platte, im zweiten Fall um einen Carbonat-Lärchen-Zirbenbestand in den Hochlagen des Naturwaldreservats Wettersteinwald. Insgesamt waren die Artenzahlen in den Gebirgswäldern höher als im Flachland, wobei die subalpinen Nadelwaldbestände (subalpiner Fichtenwald, hochsubalpiner Carbonat-Lärchen-Zirbenwald) die höchsten Diversitäten aufwiesen. Dies kann mit der dort vorherrschenden kleinstandörtlichen Vielfalt erklärt werden, die vielen Bodenpflanzen gleichzeitig ein Auskommen ermöglicht. Ein weiterer wichtiger Faktor, welcher die Artenvielfalt der Waldbodenvegetation innerhalb der untersuchten Reservate steuert, ist der Basenhaushalt. So zeichnen sich die Waldbestände auf basischem und v. a. kalkhaltigem Substrat in den allermeisten Fällen durch einen höheren Artenreichtum aus als die Waldbestände auf saurem Untergrund. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass im vorliegenden Datensatz der Weißmoos-Kiefernwald sowie der Hainsimsen-Buchenwald durch die niedrigsten Artenzahlen je Fläche gekennzeichnet sind.

Das Klima bestimmt die Käfergemeinschaft

Die Erfassung der xylobionten Käfer erfolgte mit je sechs Flugfensterfallen, die im Zeitraum von Mai bis Juli auf den Probekreisen der Vegetation innerhalb der Repräsentationsflächen installiert wurden. Diese Fallen fangen ohne Lockstoffe alle Käfer, die zufällig gegen eine der beiden, kreuzweise verbunden Scheiben prallen.

Viele Naturwaldreservate sind durch einen gemeinsamen Artengrundstock an xylobionten Käferarten charakterisiert. Die Käferarten, die am stetigsten zu finden waren, also in den meisten Fallen gefangen wurden, waren der Gekämmte Nagekäfer (Ptilinus pectinicornis), der Schnellkäfer Melanotus castanipes und der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xylosandrus germaus), der gleichzeitig auch die höchsten Individuenzahlen erbrachte. Der Gekämmte Nagekäfer ist ein Generalist an trockenem, besonntem Laubholz. Er verursacht die sogenannten “Mehlbuchen”, wenn das Genagsel der Larven ganze Stämme von Rotbuche oder Hainbuche regelrecht “einpudert”. Die Larven von Melanotus castanipes entwickeln sich in stärker zersetztem Totholz von Laub- und Nadelbäumen. Der Schwarze Nutzholzborkenkäfer wiederum, der durchschnittlich in jeder dritten Falle gefangen wurde, ist eine nach Deutschland verschleppte Käferart aus Ostasien, die im Holz von Nadel- und Laubhölzern brütet.

Betrachtet man die Unterschiede der Artengemeinschaften bei den holzbesiedelnden Käfern, fällt zunächst auf, dass diese in erster Linie von klimatischen Gegebenheiten geprägt werden. Insbesondere die Jahresdurchschnittstemperatur und der Jahresniederschlag spielen hier eine wichtige Rolle. Auch Standortparameter des Bodens und Eigenschaften des lebenden Baumbestandes wie die Anzahl der Baumarten oder der Vorrat bzw. die Stammzahlen des aufstockenden Bestandes sind Faktoren, die zur Herausbildung unterschiedlicher Artengemeinschaften beitragen.

Von nur nachgeordneter Bedeutung war hingegen der Vorrat des gemessenen Totholzes, wobei hier in erster Linie das frische Totholz einen Einfluss auf die Arten­gemeinschaften zeigte.

Artengemeinschaften, die sich hinsichtlich ihrer Käferausstattung deutlich von der Mehrzahl der anderen Flächen unterscheiden, waren im Lärchen-Zirbenwald des NWR Wettersteinwald sowie in dem von der Kiefer dominierten NWR Grenzweg östlich von Nürnberg zu finden. Auch die im Auwald gelegenen Flächen des NWR Dreiangel konnten sich hinsichtlich ihrer Artenzusammensetzung von dem großen Verbund der Buchen- und Eichenmischwälder absetzen.

Was die Vogelwelt prägt

Die Vogelerfassungen fanden möglichst auf der gesamten Naturwaldreservatsfläche statt, wobei die sog. Punkt-Stopp-Methode zur Anwendung kam. Dazu wurden die Reservate in Raster von 100 x 100 m unterteilt und “verhört”, wobei jedes Raster zu drei Terminen im Zeitraum von März bis Juni aufgesucht wurde. Über einen Zeitraum von jeweils fünf Minuten wurden am Mittelpunkt eines jeden Rasters alle Vögel erfasst, die auf der Grundlage ihres Gesangs oder ihrer Rufe identifiziert werden konnten. Auch alle Sichtbeobachtungen wurden vermerkt, wobei der Überflug von Vögeln über die Waldbestände hinweg keine Berücksichtigung fand. Neben den eigentlichen Schwerpunktreservaten konnten auch noch die drei NWR Speckfeld, Wolfsee und Eisgraben nach derselben Methode erfasst und in die Untersuchungen einbezogen werden.

Die häufigsten Arten waren typische “Waldvögel” wie Buchfink, Kohlmeise, Rotkehlchen und Kleiber. Die höchsten Artenzahlen wiesen insbesondere die Eichen- und Laubmischbestände auf. Die nadelbaumbetonten Wälder zeigten dagegen eine deutlich geringere Artenvielfalt. Buchenbestände bewegten sich hinsichtlich der Diversität der Avifauna eher im Mittelfeld (Abbildung 4). Einen positiven Einfluss auf die Artenzahlen hatten die Eichenanteile, während die Buchenanteile keinen und die Fichtenanteile einen leicht negativen Effekt erkennen ließen. Keinen Zusammenhang mit den Artenzahlen zeigte die Deckung des Hauptbestandes der Bäume. Allerdings handelte es sich bei der Mehrzahl der untersuchten Flächen um geschlossene bis dicht geschlossene Bestände.

Als prägende Umwelteigenschaften, die die Artengemeinschaften in den Naturwaldreservaten erklären können, zeigten sich einmal mehr das Klima und die Baumartenzusammensetzungen. So waren in den eher wärmebegünstigten Wäldern aus Eiche und Hainbuche Arten wie Halsbandschnäpper, Trauerschnäpper und Kleinspecht vergleichsweise häufig zu finden, während für kühlere Bergwälder mit Tanne und Fichte Arten wie Berglaubsänger, Ringdrossel, Tannenhäher und Zitronenzeisig charakteristisch waren. Relativ eigenständige Artenkombinationen wiesen auch die untersuchten Kiefernbestände auf: dort waren Vogelarten wie Baumpieper, Misteldrossel und Fichtenkreuzschnabel typisch. Wälder mit höheren Anteilen an Edellaubbäumen wie Bergahorn und Esche waren durch das Auftreten von Vogelarten wie Kuckuck und Sumpfmeise gekennzeichnet.

Was wir aus den Ergebnissen gelernt haben

Auch laubholzdominierte Bestände können in unseren Breiten mit mehr als 1.000 Vorratsfestmetern je Hektar beachtlich hohe Holzvorräte aufbauen. Totholzmengen größeren Ausmaßes werden in erster Linie durch Schadereignisse hervorgerufen. In Laubholzbeständen sind dies insbesondere lokale Sommerstürme, die mehr oder weniger kleinflächige Lücken in die Bestände schlagen. Ohne derartige Störungen kann jedoch auch rund 50 Jahre nach dem letzten Motorsägeneingriff die Totholzmenge immer noch recht überschaubar bleiben.

Die Vegetation der Schwerpunktreservate variiert entsprechend der vielfältigen naturräumlichen Gegebenheiten in Bayern in einem weiten Rahmen und reicht von artenarmen, dunklen Buchenwäldern des Flach- und Hügellandes bis hin zu sehr arten- und strukturreichen natürlichen Waldbeständen in den Hochlagen der Kalkalpen. Natürliche Waldgesellschaften mit hohen Nadelholzanteilen spielen innerhalb der Schwerpunktreservate eine insgesamt untergeordnete Rolle und sind auf sehr saure und nährstoffarme Sandböden sowie die höheren Lagen der Alpen begrenzt.

Diese Dominanz der untersuchten Laubwälder spiegelt sich auch in der Artenausstattung der untersuchten Reservate wider. So waren sowohl bei den Käfern als auch bei den Vögeln kaum reine Nadelholzbewohner unter den häufigsten Arten zu finden. Insgesamt kann die floristische und faunistische Ausstattung der Bestände als überwiegend naturnah eingestuft werden. Dass die Globalisierung vor den Wäldern mit natürlicher Waldentwicklung nicht Halt macht, zeigt die Tatsache, dass die Käferart, von der die meisten Individuen gefangen wurden, ein eingeschleppter, ursprünglich aus Ostasien stammender Käfer ist.

Die Diversität und Zusammensetzung der Artengemeinschaften werden vor allem durch die klimatischen Bedingungen bestimmt. Daneben spielten aber z. B. auch die jeweilige Baumartenzusammensetzung oder Eigenschaften des Bodens eine Rolle.

Zusammenfassung

Im Jahr 2012 wurde die Dauerbeobachtung in den bayerischen Naturwaldreservaten auf 26 Forschungs-Schwerpunkt-Naturwaldreservate konzentriert. Nach elf Jahren konnte nun der erste Aufnahmeturnus der waldkundlichen und waldökologischen Untersuchungen abgeschlossen werden. Die dabei generierten Daten sollen v. a. das Wissen über die Zusammenhänge zwischen Waldstrukturen und Artengemeinschaften vertiefen. Daneben spielen die Erhebungen aber auch eine wichtige Rolle, um die Entwicklung der Wald-Biodiversität über die Zeit erfassen und analysieren zu können. Die ersten Auswertungen des umfassenden Datensatzes zeigen, dass die Zusammensetzungen der Artengemeinschaften in erster Linie durch klimatische Parameter bestimmt werden. Bestandesparameter stehen hinsichtlich ihrer Wirkung als “Treiber” häufig erst an zweiter oder dritter Stelle.